116.
Mittwochabend, am 17. Februar 19 43.
Geliebtes Herzelein! Mein [Roland]! Du! Geliebter!!
Heute Abend bin ich noch ganz alleine wach. Die Mutsch ist zum Nachtdienst wieder mal. Papa ging schon ins Bettlein, er war müde von der Luft.
Und mir geht’s ja eigentlich genau so, habe heute wieder Turnstunde gehalten mit den Mädels. Das macht müde. Ich will im Monat mindestens einmal turnen.
Ich habe heute die Frauenschafsleiterin gesprochen, sie gab mir einen Fragebogen, den ich ausfüllen soll. NSDAP.-Kreisleitung Chemnitz. An alle Ortsfrauenschaftsleiterinnen, Jugendgruppenführerinnen und Kindergruppenleiterinnen. Man bittet um umgehende Beantwortung der Fragen. Da ich morgen sowieso zur Arbeitstagung in die Kreisleitung nach Chemnitz fahre, nehme ich den Bogen gleich mit hin.
Es wird gefragt, ob wir mit unter die Kriegsdienstverplichtung fallen, erstens. Zweitens: wenn nicht, stellt sie sich freiwillig zur Verfügung, um Kinder von kriegsverpflichteten Müttern zu betreuen. Drittens: besitzt sie Eignung für die Leitung einer Betreuungsstätte von Kindern dienstverpflichteter Mütter.
Da sind also diese Maßnahmen, von denen man auf dem Arbeitsamt sprach, schon in Angriff genommen von der NS-Frauenschaft.
Ich habe mich nun bereit erklärt, eine solche Betreuungsstätte zu übernehmen! Und ich weiß, Du bist einverstanden, mein Lieb. Ich glaube mich auch dieser Aufgabe gewachsen. Allein komme ich dazu bestimmt nicht in Frage und sicher stellt man mir dann eine noch geschultere Person zur Seite. Das alles ist ja erst im Werden. Und ich hoffe, morgen in der Arbeitstagung noch mehr darüber zu hören.
Ich bin entschlossen, mich den Kindern zuzuwenden, dazu habe ich die größte Lust. Und besser als so kann es ja garnicht klappen, in eigenen Orte! Dann bin ich ganz mein freier Mann und kann ganz unangefochten meinen Weg gehen.
Da kann noch eine Weile vergehen, ehe das soweit ist; denn momentan glaube ich, fehlt es an einer geeigneten Unterkunft. Da werden wohl erst verschiedene Gaststätten noch schließen müssen. Dann ich könnte mir hier keine andre Unterkunftsmöglichkeit denken.
Diese Gaststätten- und Gewerbe-Aktion soll ja bis 31. März abgeschlossen sein.
Was meinst Du dazu, liebes Mannerli?
Wenn solche Kinderkrippen eingerichtet werden, so bin ich gerne bereit, mitzuhelfen. Das ist mir auch inso fern lieb, als ich dann, wenn der Einsatz noch verschärft und verstärkt wird, schon in meinem Fache wäre. Alle Anzeichen hier deuten darauf, daß vor keiner Person Halt gemacht wird. Stand und Herkommen spielen keine Rolle.
Ich konnte mir kein lieberes Amt denken als dieser. Wie nun die Zeiten liegen des Betreuung, wenn es erst soweit ist, das weiß ich nicht.
Ich werde mich nur unter der Bedingung einsetzen lassen, daß meine Mutter frei kommt.
Das steht fest.
Damit ich dann, wenn ich Feierabend habe, auch wirklich frei bin. Weißt Du, Herzelein, wenn ichs recht bedenke, so mein ich, daß sich alles ganz so fügt, wie es das Schicksal will. Bei Mutter im Geschäft gibt es nämlich nichts mehr zu tun, nur noch Flickwäsche. Ein Teil arbeitet schon in der Rüstung. Und sie meinen, daß der Betrieb auch noch geschlossen wird; die paar älteren Frauen werden dann sicher einergrößeren Trikotagenfabrik zugeteilt. Mutsch wäre das ja gleich. Aber wenn ich hier tätig sein kann in so einem Kriegskindergarten, dann bleibt sie ab sofort zuhause.
Ach, es wird schon alles ein Geschick bekommen. Und ich sehe ganz getrost und zuversichtlich voraus. Ich weiß ja nun, daß ich in meinem Elternhause bleiben kann, da, wo Du mein [Roland] mich suchst und auch jederzeit finden wirst, wenn zu nur heimkommst zu mir. Du!!!!!
Und ich glaube bestimmt, da bin ich am besten am Platze. Meinst Du nicht auch, Herzelein?
Arbeiten muß jeder heute und in meinem Alter auf jeden Fall. Und ich will ja auch mitarbeiten!
Nur nicht an jedem beliebigen Platze.
Du!! Dürfen wir nicht von Herzen dankbar sein für das, war uns alles Gute zuteil ward? Du!!
Ich glaube es fest, daß unser Herrgott seinen Segen gibt zu unserem Beginnen, daß er uns an den rechten Ort stellt, unsere Pflicht zu tun, froh und wohlgemut.
Ach Geliebter! Ich werde Dir doch sooo nahe bleiben, wie es nur irgend geht. Du weißt es. Und vielleicht hat’s das Schicksal auch schon anders bestimmt mit uns. Velleicht sollst Du mich ganz frei machen, mein Herzelein?! Oh Du!!!!! Daß ein guter Stern uns leitet, das ist gewiß. Wie es sich auch fügt, Gottes Wille ist es, so auch die Erfüllung unsres heimlichsten Wunsches. Demütig wollen wie hinnehmen, war der Herr uns schickt. Es ist uns nur zum Besten. Weisheit und Güte lehren uns alle Gebote das Allmächtigen. Und bereit sind wir, sie zu erfüllen. Mein Herzensmannerli! Ich habe Dich sooooo lieb Mit Dir gehe ich bis ans Ende der Welt, durch Leid und Freud gleich treu. Oh, Dein bin ich ganz!
Du!! Mannerli? Wie war’s doch gleich? Am Anfang fährt der Feldwebel heim, dann noch ein Mann, dann der Heinrich, und dann . . . . das hab ich doch vergessen. Ganz vergessen, wahrhaftig! Kannst Du meinem schwachen Gedächtnis nicht nachhelfen? Wann bist Du denn eigentlich an der Reihe, sag? Ich glaube Anfang April, gelt?
Oh, das ist doch gar balde schon! Bloß noch zweimal krank sein!!! Noch einmal Waschfest und einmal gründlich reine machen! Ach, ich will nur aufhören mit aufzählen, sonst wird Dir schwindelig, Mannerli! Beim Aufzählen meiner Dinge. Ich tu ja nur das, was zum Emfpfange meines Herzlieb notwendig ist und was ich ihm zuliebe tun muß. Muß!! ja, Sonst tue ich nichts. Ich will doch alle Kraft für Dich aufheben, mein Liebster! Daß ich Dich recht fest und lieb und lang und innig an mich drücken kann.
Oh Du!!! Ich muß dich soo liebhaben!
Mein [Roland] Du! Ach Du kommst täglich soo lieb zu mir, daß ich garnicht aus noch ein weiß mit all Deiner Liebe! Zwei liebe Boten sind wieder gekommen heute, ach Du! Ich danke bis ans Herzensgrunde für Dein Liebgedenken. Und auch Briefpapier ist wieder da! Fein, mein Guter! Du hast nun den ganzen Tag auch so viel Drasch und doch kommst täglich so lieb zu mir, auch Du!!! Das dank’ ich wie doch!
Fräulein Sch. wollte mich sehen? Ach Du! Geliebter! Wie Du mir das nun alles erzählst, es will mir doch das Herz vor Freude hüpfen lassen! Wie liebst Du mich! Sooo sehr bin ich Dein. Welch himmelhohes Glück! Oh Du! Ich halte es fest wie mein Leben selber und noch lieber! Weil ich ja Dich damit festhalte. Mein Einziggeliebter! Ganz ganz glücklich sind wir! Und Jubel ist in uns, wenn wir daran denken! Du!!! Och, sie muß es auch fühlen, wie wie uns lieben.
Wie es für uns nichts Höheres, Heiligeres, Köstlicheres gibt, als unseren Lebensbund. Und sie muß es auch fühlen, wenn sie ein gutes Herz besitzt. Sehnsucht wird in ihr wachwerden nach einen ähnlichen Glück. Oh Du! So viel Glück, wie wie im Herzen tragen, soooviel kann nicht noch jemand in sich tragen.
Du! Du wirst mich immer lieb und wert im Herzen tragen, daß daheim das meine ganz froh und glücklich schlägt. Liebhaben liebhaben müssen wir uns überall! Und ich bin sooo glücklich in Deiner Liebe! Du!!! Und wenn dieser böse Krieg einmal gnädig vorüber ist und wie dürfen miteinander leben, dann wird unsse Glück noch immer so übergroß sein. Und wir werden es nimmer vergessen: es ist lauter Gnade Gotes in Gottes Diensten stehen wir. Ach Du! Wenn mein Mannerli heimkommt für immer, dann bin ich ganz Dein liebes Weib! Und es wird mich nichts davon abhalten können, ganz mit Dir zu leben – in unserem Heim!
Mein Liebes! Du hörst mich von meinen Kindern erzählen. Und überlegst Dir, wie Du mir ein paar brauchbare Anregungen geben kannst aus Deinr Praxis. Dafür bin ich Dir sehr dankbar! Aber weißt, ich müßte halt erst mal einen schulähnlichen Raum haben, um alle möglichen Dinge anzustellen. Die Tische langen nie zu. An Malen ist garnicht zu denken.
Aber vielleicht bessert sich alles in Zukunft. Dann wird alles nochmal so viel Spaß machen. Etwas geht mir im Kopf herum. Wie ich es mache, wenn mein Mannerli heimkommt auf Urlaub.
Ich habe ja keine Vertretung. Und ich will auf keinen Fall eine Stunde abgeben von unsrer kostbaren Zeit. Auf keinen Fall. Da mag es biegen oder brechen. In Deinen Urlaub fallen wohl auch die Osterferien. Sicher denke ich, daß es heuer welche gibt. Wenn Du es mir nur vornweg genau sagen kannst, wann du kommst. Dann würde ichs den Kindern sagen und die Ferien verlegen, wie es an unseren Urlaube am besten passt. Dann halte ich eben Schar, wenn die Schule feiert. Und feiere mit Dir, wenn die Schule tätig ist.
Ich mag im Urlaub nicht. Nein!
Da will ich nur meinen herzallerliebten Buben hei mir haben. Das bringe ich auf der nächsten Zusammenkunft auch gleichmal vor bei der Frauenschaftsführerin.
Einmal im Jahr kommt mein Mann heim, dann verlange ich alles Recht an ihn allein. Ich werde taub sein für jeden Einwand und Appell und mein Gewissen. Wer von den Frauen einen Mann im Krieg hat und hat ihn so lieb wie ich, der wird meinen eisernen Willen verstehen. Punkt. [*] Ach Mannerli! Wenn ich in Deinen lieben Boten blättere, dann überflutet mich soviel Glück und Sehnsucht! Dann ist mir garnicht wie Schreiben zumute.
Dann möchte ich nur an Dich denken ganz ungestört zu Dir mich hinträumen, mit geschlossenen Augen. Ach das ist so schön! Und Du fühlst das doch über alle Ferne auch. Ich weiß es! Du!! Unsere Liebe ist so gewaltig, so alles durchdringend! Du!!! Unermeßlich liebe ich Dich !!!
Mein Geliebter! Ich will jetzt noch einmal in Deinen lieben Boten lesen, uud dann hinüberträumen zu Dir! Du! Schlaf auch Du süß! Träume von Deiner [Hilde]! Ich liebe Dich über alles auf, der Welt!
Gott segne und behüte Dich immerdar!
Mein Ein und Alles! Mein Sonnenschein
Ich küsse Dich herzinnig und bleibe Deine glückliche
[Hilde], Dein!!!
Herzensmannerli! Guten Morgen, mein Liebster! Du!!! Ei ist eben um 7 Uhr früh und ich bin eben fertig mit der Morgentoilette, ehe ich frühstücke, will ich erst nochmal zu meinem Schätzelein kommen. Es wird nicht viel Zeit für mich übrig haben? Weil der Dienst schon begann, ja? Aber ich will Dich auch garnicht von der Arbeit abhalten mein Herzelein, nur ein liebes Küßchen hol ich mir, Nur eins! Du!!!
Dann muß ich selber an die Arbeit, habe noch allerlei Wege vor, das Mittagessen besorgen, die Hausordnung, dann muß ich rüsten für die Fahrt nach Chemnitz.
Ach Mannerli! Gleich würde ich doch weiterfahren bis hin zu Dir! Oh Du! Sooo gerne! Weißt du, wie schnell ich käme, wenn ich nur dürfte? O Du! Du weißt es, Geliebter!
Du! Ich glaube ich hab noch ganz kleine Augen heute früh. Bin noch garnicht fein ausgeschlafen, die Nacht war recht kurz und heute früh 3/4 6 [Uhr] bin ich schon heraus, weil Papsch den Schlimpus [sic] nicht allein ranmachen kann.
Es wäre etwas andres, wenn ich diesen Liebesdienst für mein Mannerli täte! Ja da wär ich wohl flugs heraus aus den Federn! So gut wie Dir bin ich nun mal dem Papsch nicht. Bei ihm anders gut. Ach Du geliebtes Herzelein: Bist doch mein ganzes Glück und all meine Freude! Dich liebe ich über alles auf Erden! Mein Liebstes Du! Bleib mir immer froh und gesund! Vertrau mit mir auf den Allmächtigen, der uns in Liebe führt. So reiche Gnade ward uns zuteil bisher. Gott ist und bleibt getreu, so wie ihn nur hören und ihn lieben. Das sollen wir gewiß sein und darum ganz vertrauensvoll vorausschauen.
Gott behüte Dich, mein Alles! Er lasse Dich bald gesund heimkehren zu mir. Oh voll Sehnsucht harre ich Dein!! Bald, bald bist Du bei mir! Geliebtes Herz! Oh Du! Komm zu mir!!! Ich hab Dich sooo unendlich lieb! Ich küsse Dich herzinnig, Du! Ich bin in Liebe und Treue ganz Deine [Hilde], Dein glückliches Weib.
[* = Der Punkt ist als ein größerer Kreis gezeichnet.]
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Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946