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[OBF-430219-002-01]
Briefkorpus

117.

Freitagmorgen, am 19. Februar 1943.

Mein Herzelein! Geliebter [Roland] Du! Geliebter mein!

Der schöne Morgen soll seinen Anfang nehmen für mich mit dem Deingedenken.

Dann will ich mich nochmal so froh an die Arbeit machen.

Ja Herzelein! Verwundert Dich, daß ich gestern nicht Zeit fand zum schreiben? Hör zu. Frühmorgens hatte ich Drasch, daß alles schön klappte, wenn Mutsch von der Arbeit kam. Dann hab ich mich fertig gemacht zur Tagung.

Um 1400 [Uhr] fuhr der Zug in Chemnitz ein, ich bin dann sogleich zum Nikolaibahnhof gegangen.

3 Stunden dauerte die Sitzung. Alles mögliche, was so vorkommt ward besprochen, vor allen Dingen gings um den Arbeitseinsatz der Frauen. Und das war sehr interessant zu hören für mich.

Dieser Fragebogen, der auszufüllen war, zwecks Betreuung Kinder berufstätiger Mütter, sei vorerst lediglich eine Umfrage gewesen. Diese Sache ist erst im Werden. Man will sich nur durch die Zahlen der bereiten Helferinnen ein ungefähres Bild machen können.

Ach Du glaubst nicht, was überall für Aufruhr und Umsturz herrscht. Ich kann Dir hier unmöglich alles aufzählen. Überhaupt sind so manche Dinge, die ich Dir lieber erzählen, statt schreiben will. (Du weißt, daß man unsern Schriftwechsel kontrolliert ab und zu. Ich bitte Dich! Denke auch immer daran, Herzelein!) Die Kreiskinderscharleiterin gab uns noch eine Arbeitsanleitung für den kommenden März mit. Und viele Verslein und 3 neue Lieder lernten wir.

Es war ganz nett diesmal.

Die geplante Untersuchung beginnt in den Märzwochen, gegen 1730 [Uhr] wird sie jeweils stattfinden.

Ja Herzelein, ich hatte zu tun, daß ich meinen Zug um 1831 [Uhr] erwischte. Bin mit Trudi G. heimgefahren. Von ihr soll ich Dich herzlichst grüßen.

Sie sorgen sich sehr um ihren Vater, er schreibt nicht, er liegt bei Krasnodar.

Ist es nicht schrecklich, was der Osten für Kräfte schluckt und bindet?

Die Menschen sind verzweifelt. Es ist schwere Zeit. Für die, die Angehörige dabeihaben, doppelt schwere Zeit.

Und als ich zuhause war dann und mit den Abendbrot fertig, ich saß noch mit den Eltern am Tisch – sie hatten auf mich gewartet – da meldete sich im Radio Herr Goebbels an.

Wir haben uns seine Rede angehört.

Ich habe immer gedacht: ob mein [Roland] wohl auch am Lautsprecher sitzt?

Dann hast zu es ja mit eignen Ohren gehört.

Oh, ich habe paarmal ganz sehr an Dich gedacht und mir gewünscht, daß Du neben mit säßest und könntest meine Meinung Dir anhören! Ich sage hier garnichts dazu.

Das hebe ich auf für unser Wiedersehen. Hilf doch mal mit daran denken, daß wir auf diese 'Rede' das Herrn Goebbels zurückkommen. –

Mein Herzelein! Ich wende mich jetzt ganz Dir zu! Du!!! Du kommst so lieb und treu und so pünktlich zu mir, mein Lieb! Ich komme fast nimmer nach, auf alle Einzelheiten in Deinem Briefe einzugehen. Ach Du! Du!!! Du sitzt so gern am Fenster, das den Blick in die Heimat schenkt. Du denkst soo gerne heim zu mir! Du!! Ich freue mich ja so sehr! Und ich danke Dir von ganzem Herzen für Dein treues Liebgedenken!

Du mein allerliebstes Schätzelein! Geliebter!!!! Wie müssen wir einander liebhaben, sooo sehr liebhaben! Du!! Soviel Liebe kann nimmermehr vergehen!

Sie wird nur immer tiefer und inniger in uns leben. Oh Du! Ich bin so garnicht bang, daß Du mich jemals vergessen könntest in der Fremde. Nein! Nie!!! Wie ich in der Heimat wie durch eine große Gewalt stets nur an Dich mich gebunden fühle. Der Liebe Allgewalt ist’s die unsre Herzen zueinander drängt und die uns vereint selbst über weiteste Ferne.

Ich bin sooo glücklich! Sooooo von Herzen glücklich, daß es so ist, mein Herzelein. Denn in unsrer Zeit ist nur echte, gute Liebe von Dauer und Bestand. Und wir wollen nichts lieber tun, als gerade in stürmischen Zeiten unsre feste Burg verteidigen mit aller Kraft! Geliebter! Das ist immer unsere schönste, größte Aufgabe neben all den vielen Aufgaben daneben. Liebe, Einssein, steht uns am höchsten! Und wir kämpfen darum bis ans Ende.

Ach Du! Es ist so herrlich, in guter Liebe zu gehen! Es ist so herrlich, sich ganz gehalten, geborgen zu wissen in einem Herzen gut und rein.

Geliebter!!! Über alles soll und wird stets unsere Liebe gehen!

Gott sei uns gnädig und schenke uns das Leben zu Zweien.

Geliebtes Herz! Dein Donnerstag- und Freitagbote sind schon bei mir.

Hab Dank! Du!!! Du hast mich sooo lieb! Auch ich hab Dich sooooooooooooo lieb! Weißt Du er denn noch? Du!!! Du!!!!!! Oh komme bald heim zu mir!

Herzelein! Vorigen Donnerstag hattest Ausmarsch, militärischen Dienst. Es war harmlos und die frische Luft hat gut getan. Ich habe mir schon des öfteren Gedanken gemacht, was ich hinter diesem Dienst suchen muß. Mag sein, daß es zunächst ganz harmlos ist. Er wiederholte sich ja auch anderswo, wo Du schon warst: Eckernförde, Saloniki. Ich hoffe es ganz sehr, daß dies kein untrügliches Zeichen ist für einen baldigen Abmarsch ins Ungewisse.

Liebster! Ich sehe nicht schwarz, ich unke auch nicht. Ich vertraue mit Dir ganz fest auf unsern guten Stern! Du!!! So wie Du mit roten Bäcklein am Tisch sitzt und mein denkst, so möchte ich Dich doch gleich einmal sehen!

Ach, nur einmal wieder sehen von weitem, Geliebter. Ich muß mich so sehr sehnen nach Dir! Oh Du!!!!! Aber ich warte ganz lieb mit Dir auf den Tag, der uns einander wieder zuführt!

Oh helfe Gott, daß uns dieser heiße Wunsch bald erfüllt werde!

Im warmen gemütlichen Stübel saß mein Schätzel und schmauste Äpfelein – die liebt es sehr!! – und dachte heim.

Ach, ich kehrte gleich einmal ein bei Dir!!

Mein gutes Mannerli hat auch schon wieder Speck auf die Reise geschickt! Du! Darum sei viellieb bedankt! Das sind die Vorboten des Urlaubs!

Ich werde den lieben Eltern davon schicken.

Glaubst, ich wollte nun von der letzten Ration welchen einwecken. Es wird nichts daraus! Er ist noch nicht alle, nein – aber es verlohnt sich nun nimmer das Stück einzuwecken. Es schmeckt halt zu gut! Du!

Oh, was wird Dein Fraule für Kraft haben, weil’s so oft Speck gegessen hat in letzter Zeit! Hast Du Angst? Gib nur acht, daß ich Dich nicht totdrücke vor lauter Liebe und Gutsein wenn Du zu mir kommst. Ach Du!!!!! Ich muß Dich sooo liebhaben! Herzelein!

Heute früh scheint die liebe Sonne wieder. Auch gestern war ein herrlicher Tag. Es will schon Frühling werden! Auch in meinem Herzen – oh, da drängt es so gewaltig! Zum Blühen! Zum Freuen – ach, zu aller Liebesseligkeit! Du!! Geliebter! Wenn Du erst bei mir bist!

Welch reiches Glück!

Es ist gleich 9 Uhr, gleich wird Dein lieber Bote drunten Einlaß begehren! Wie will ich springen! Ich warte schon voll Sehnsucht! Ach Du!! Wie schön ist es, wenn Du täglich zu mir kommst! Des Tages schönster köstlichster Augenblick, wenn ich den Geliebten einlasse!

Oh behüte Dich Gott auf allen Wegen! Führe er Dich bald heim, froh u. gesund! Amen.

Ich will Dir nun die Hand reichen, für kurze Zeit lebwohl sagen! Bald komme ich doch wieder zu Dir! Mein Ein und Alles! Ich liebe Dich! Herzinnig küßt Dich Deine [Hilde] Dein glückliches Fraule, Du!!!!!!!!!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946