Sonntag, den 21. Februar
1 9 4 3
Geliebtes teures Herzensweib! Meine liebe [Hilde]!
Nun ist alles gut! Oh Herzelein — weil Du zu mir gekom men bist. Dein lieber Dienstagbote ist bei mir!
Die Boten vom Sonntag und Montag haben sich irgendwie verspätet - aber auf die Reise hast Du sie geschickt, ich erkenne es an der kleinen Zahl in der Ecke.
Oh Du! Herzlieb mein! Du mußt zu mir kommen! – so sagte es vorhin noch in mir, als ich von meinem Spazierweg heimging.
Oh Du! Wie schwer wäre es mir ohne Dich – mein Herzelein! gar nicht auszudenken – nein, gar nicht auszudenken! Oh Du! Wie einsam wäre ich! Ohne hoffende Freude – oh Herzlieb mein! – ohne das Warten auf Dich! – ohne die Herzensgemeinschaft mit Dir! – Du!!! Du!!!!!
Ich habe Dich! Ich habe Dich!!! Oh, habe das Herzensgemeinschaft mit dem liebsten Menschenkinde, mit dem liebsten, treuesten, herzigsten Weib, mit meiner [Hilde]!!!, tiefste, innigste Herzensgemeinschaft! Du!! Du!!! Geliebte mein! Ich bin sooo glücklich mit Dir!!! Oh Herzelein! Ich brauch Dich zum Leben, mein Herzblatt, mein Herzschlag, mein Leben, Du! Du!!! Meine liebe [Hilde]!
Abendstunde ist. Mannerli hat, vom Spaziergang heimgekehrt, ein bissel Feuer im Ofen gemacht, hat ein Pudding gegessen vom Mittag noch, mit Heidelbeeren – und hat dann Abendbrot gehalten, Wurstschnitten mit Ei.
Und nun ist Feierabend – für mein Herzensschätzelein allein. Fein warm ist’s im Stübchen. Und allein ist das Mannerli. Und die Tischlampe läßt das Zimmer im Halbdunkel – ach Du! dann tuen die Wände sich leichter auf, dann lassen sie das Herze schneller hinaus, heimfliegen – mein Herz – an Dein Herz! Oh Geliebte!
War ein Prachttag draußen heute, richtig österlich schon. Die Straßen sind schneefrei. In den grauen Rasenflächen erkennt man schon junges Grün. Und die Sonne lockte gar schon belebend. Eine Weile blieb ich stehen unter einem Baum. saß da eine Krähe oben und gebärdete sich ganz komisch – spreizte die Flügel, und reckte den Hals und ließ ihr Krah–Krah vernehmen, aber sanft, lockend, daß ich mich umsah nach einem anderen Krähenvogel, konnte aber keinen ausmachen. Ja, dieser alte graue Wintervogel schien mir die Kreatur, die dieser Vorfrühling am meisten belebt hatte. Sprangen wohl auch noch ein paar Hündlein so recht lebensfroh einher. Und mehr als sonst sah man Menschen ausschwärmen und sich ergehen. Ich bin wieder meinem alten Spaziergang gefolgt, ein klein Stück weiter heute bis zum Flugplatz Barneasa (sprich Banjasa). Gegen ½ 6 Uhr war ich wieder daheim – und solange schien schon die Sonne.
Ist diesmal wieder ein ganz abnormer Winter nach der anderen Seite. In Rußland gibt es auch schon Tauwetter. Augenblicklich kommt es uns zu Hilfe.
Mein Schätzelein denkt nun schon an den Urlaub – Du! Du!!!
Was freust Dich denn so – daß die Brust es kaum fassen will? – Was wartest sooo sehnsüchtig? – Oh, wer ist das minnige, treue Weib, das sooo sich freut und sooo wartet, getreulich harrt? - Wer ist der Glückliche, der da erwartet wird? — Oh Du! Du!!! Geliebte mein! Mein Weib! Mein herziges, treues Weib! Und der Glückliche ist Dein [Roland] – oh Du! Das bin ich selber! Herzelein! Herzallerliebste mein!
Ach Du! Du!!! Auf die Hochzeit freuen wir uns so sehr – auf die hohe Zeit! – Du! Du!!! Unser ganzes Leben hohe Zeit, wenn wir einander haben dürfen! Herzelein! Geliebte! Die Hochzeitsfeier war uns doch nur die Pforte zum Land der Liebe – oh Du! viel, viel hohe Zeit ist im Lande guter Liebe – schöner und herrlicher noch als der Hochzeitstag selber.
In vieler Leben mag dann der Höhepunkt erreicht sein.
Ich sah heute in der Stadt eine Frau, ganz liederlich angezogen, verwüstet und verstört das Gesicht – Herzelein! So ist es, wenn die Sinnenliebe herrscht – dann ist ein Rausch – und dann fühlen die beiden Menschen sich abgestoßen, sind einander zuwider – bis zum nächsten Rausch – ein Unglück ist das. Und keine Brücken sind von Herz zu Herzen.
War doch immer mit Dir schön auf dem Spaziergang. Hab erst einmal wieder zurück gedacht in die Oberfrohnaer Zeit. Du! War das Mannerli doch sehr angehängt, als es noch Kantor war. Gehörte mir nur der Sonntagnachmittag, und das aller 14 Tage erst von 3 Uhr ab.
Ach Du! Wenn ich Dich damals schon gehabt hätte!
Ach Du! Wenn ich schon ein so liebes Mütterlein mir zur Seite gewußt hätte – oh Du! ein sooo treu liebend Herze mit dem meinen, einen so liebenden Blick auf mir ruhen gefühlt hätte! Oh Du! Du!!! Die Sonne ist nun in meinem Leben! Liebe ist Sonne, Sonne! Sonne ist nun über meinem Leben – Du! Liebe Sonne! Meine [Hilde], Du! Geliebte!!! – Aber die Zeit war noch nicht er füllt – Herzelein! Mußte erst ein Frühling kommen – und der Abschied — und Einsamkeit und Winterskälte um das Mannerli – und dann die Sonne Deiner Liebe! Sie mußte erst zu voller Kraft erglühen im Kampf mit der Trennung, sie mußte erst zum scharfen Strahl werden im Schmerz der Sehnsucht – Herzelein! Deiner ersten, jungen, erwachenden Liebe Sonne! Und das Mannerli mußte! erst die Kälte der Fremde und Verlassenheit erleben, daß es vom Strahlen Deiner treuen Liebe angerührt wurde – daß es nach der Sonne sehnend verlangte. Oh – Du bist mir treu gefolgt – Herzelein! Mit Deiner Treue hast Du mich besiegt!!! Herzelein! Treue ist Gold! Die Treue ist der Prüfstein guter, tiefer Liebe.
Ein treues Weib wünschte ich mir, ein goldtreuer – oh Herzelein! Wie sollte ich das finden? Wie sollte ich solche Treue erkennen? Treue muß sich erst bewähren, eher kann man sie nicht erkennen.
So habe ich schon einmal ein Menschenkind geprüft auf seine Treue – die Elfriede in Großpostwitz – kam auch der Abschied – ich ging zum Konservatorium – und dann fuhr ich zum Heimatfest – und habe ihr hernach ihr Bild geschickt im Festzug – und reichte ihr damit die Hand, ganz leis, aber die Liebe mußte es füllen – und es kam keine Antwort.
Oh Du! Die Tränen steigen mir in die Augen – vor Glück und Freude und Dankbarkeit – weil ich ein treues Weib gewonnen habe. Einen treuen Gefährten! Herzelein – ein treues Weib, das ist ein ganz liebes, ein ganz seltenes – und nur mit solchem Weib konnte das Mannerli glücklich werden – nur ihm sich aufschließen, nur mit ihm sich im Letzten verstehen.
Ach Geliebte! Ich habe es so oft gefühlt, daß mir nicht jedes Menschenkind folgen kann, daß es mir besonders schwer wäre, das rechte zu finden – daß es recht ein großes Glück sein müßte, wenn sich zu dem eigensinnigen Mannerli das rechte Menschenkind fände.
Und nun bin ich doch ganz glücklich – durch Dich! Durch Dich!!! Dir kann ich ganz vertrauen. Dir ganz mich aufschließen! Weil Du ganz treu bist – weil Du ganz Dich mir zu Eigen schenkst – ach, weil Du so tief mich birgst in Deinem Herzen – weil Du dem treuen Mannerli das treueste Weib bist.
Treu sein – das ist im im Letzten und Tiefsten vertraut sein – das ist Verbundensein mit dem Herzen, mit allen feinsten Herzfäserchen.
Oh Herzelein! Dein tiefstes, letztes Vertrauen habe ich – Herzelein! Das Vertrauen meines geliebten Weibes, das letzte auch – oh Du! es ist Dein höchstes Geschenk – es macht mich ganz ganz glücklich!!!
Und Du hast das meine! Dein Herz ist Deinem scheuen Schwälbchen das Nestlein, die Zuflucht, Du weißt es. Oh Geliebte! Und seligfroh denken wir der Stunden, da dieses letzte Vertrauen zu sichtbarem Zeichen wird – der Stunden, da Herz an Herzen ruht, ausruht, ganz aneinander gegeben – der Stunden, da unsre Herzen sich auftun und ineinander sich ergießen und miteinander verschmelzen.
Oh Du! Wie ersehne ich diese Stunden! Geliebte mein! mit Dir! Mit Dir!!!!! !!!!! !!!
Und vorausgedacht hat Dein [Roland]. Ach Du – das kam ihm ein wie eine Erleuchtung – daß doch die ersehnte Stunde nun wieder soviel näher gerückt ist, so Gott will.
Herzelein! Du!!! Ach, wenn schon ein Friedensschimmer wäre, wie viel leichter wäre nun das Warten zu ertragen. Es will manche Stunde gar schwer scheinen.
Aber nun ist die Freude auf den Urlaub. Herzelein! Heinrich will am 12. März fahren. Dann müßte er am 6. oder 7. April zurücksein.
Und Dein Mannerli wollte dann gleich am 7. April losfahren, daß es am 9. schon bei Dir wäre. Der 7. April ist ein Mittwoch. Am Abend fährt der Zug hier ab – ist am andern Tag in Szolnok, und am andern frühmorgens in Wien. Und wenn er pünktlich fährt, kann ich noch am selben Tage bis nach Chemnitz gelangen.
Wann fährt denn jetzt der letzte Zug aus Chemnitz? Muß das Mannerli vielleicht gar im Bahnhof auf der Bank übernachten? – Ob ich das ernstlich denke? – oh Du! das ließ mein liebes Fraule nimmermehr zu, das weiß ich ganz gewiß. Und wenn nun kein Zug mehr führe – dann müßten wir heimlaufen – ob ich das wollte? – ach Du! Du!!! Ja! – ja!!! Mit Dir heimlaufen – heim – heim!!! Durch den Rabensteiner Wald – immer näher dann unserem Schloß – Geliebte!!! Die lieben Sterne am Himmel schauten dann ein Paar ganz helle Sterne hier auf der Erden, vom Glück so hell, vom Glück der Liebe erfüllt zwei Menschenkinder, erfüllt von der Freude der Wiederhabens!
Muß gleich mal an den Kalender sehen, wegen dem Mond – das erste Sichlein wird am Himmel sein dann – zu Liebchens Geburtstag ist der Mond erst ganz rund. Ach Herzelein! Geburtstag wird auch sein! Der erste, den wir miteinander feiern. Und ich hab nichts – was Liebes ich Dir schenken könnte – als mich selber. Ach Du! Magst denn solch böses Mannerli überhaupt geschenkt haben? –
Oh Herzlieb mein! Ganz leis erst noch freuen – und hoffen – und beten! Ja, beten, Geliebte! Oh Du! Wenn ich wieder bei Dir sein darf, dann ist es ein ganz großes Geschenk, und wenn wir einst uns ganz wiederhaben – oh Du! dann ist es das größte unsres Lebens – mir – und Dir auch - ich weiß es.
Herzelein! Gibst mir im lieben Dienstagboten wieder so frohe Kunde. Wirst in der Heimat bleiben können, in Deinem Kreise wirken, wirst ganz mein eigenstes, liebster Weib sein können – oh Du! Wieviel Dank ist in mir darum! Dank auch Dir! Von Herzen Dank! Geliebte!!! Geliebte!!!!! „An Deine Seite gehöre ich, Dein liebes Weib, nur Dein!!!" – oh Herzelein! Du!!! Du!!!!! Das ist die goldne Treue, die gediegene, kostbare, seltene – oh Du! mein einziges liebstes Weib! Wie machst Du mich sooo glücklich mit diesem Bekenntnis im Wort und Tat!!! Du bist mein! Du bist mein!!! – so jubelt es in mir! Bist meine ganz liebe Frau, weil Du so Dich zu mir bekennst, weil Du so Deine Pflicht erkennst – meine liebe Frau – Du!!!
Ach, ich müßte Dich dennoch liebhaben und hochschätzen, wenn Du heute hingingest, und in anderem Kreise hohe Pflicht erfülltest.
Aber so – so — Du! Du!!! so bist Du noch viel lieber meine liebe Frau - ach Du! Geliebte! unsre Liebe ist noch sooo jung – und eigensinnig – und voller Sehnen – oh Du! voller Sehnen Dein [Roland], Dich ganz zu Eigen zu haben, und zu behalten – zu behalten! und daß Du ihm täglich Deine Liebe schenkst, Deine ungeteilte Liebe! Oh, das hast Du verstanden! ach Herzelein! selber gefühlt – Du liebst mich ja so innig, wie ich Dich liebe! – und verstehst mich ganz lieb – unsre Herzen schlagen doch zusammen: Ach Du! Wie bin ich glücklich darum! Und wie es nun auch kommen möchte – ich weiß Dich lieb an meiner Seite! Mein liebes, treues Weib! Oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!
Herzelein! Mit dieser Freude laß mich heute ins Bettlein gehen. Mannerli will heut abend noch baden – gestern war das Wasser nicht mehr heiß.
Magst mitgehen? – Du!!! Diese Aufforderung ist gar nicht nötig, wo mein Fraule dem Wasser so gut ist, gelt? Aber ob Du auch mit mir gehen magst – ach Du! Du!!! Herzelein!
Ich denk daran so glücklich, daß wir alles gemeinsam haben – daß letztes Vertrauen uns bindet – gute, hohe Liebe! Ich schau Dich soo glücklich! Herzblümelein! Voll Liebe!
Und mein Herzensfraule wird mir auch das Liebste wieder schenken – das liebste Geschenk mir bringen!!!!! – wird seinem Sonnenstrahl sich schenken, das Herzblümelein, daß er es ganz in seine Liebe hülle – in der Liebe heimlichster Zweisamkeit! Oh, Du!!!!! !!!!! !!!
Gut Nacht! Herzelein! Ich liebe Dich! und küsse Dich herzinnig!
Dein [Roland]!
Geliebte mein!
Heut am Vormittag bleib [sic] auch nicht ein Viertelstündchen, obwohl ich immer danach ausgeschaut habe. Ist auch Wichtiges nicht mehr zu sagen. Oder doch: ach Herzelein! Daß ich Dich unendlich lieb habe! Du! Du!!! Ganz sehr lieb! Ich hab schon heut morgen soo ganz lieb Dein denken müssen im Bettlein – müssen – Geliebte!!! Du! Du!!! Herzelein! Fühlst Du es auch so? Die Liebe drängt zur Einsamkeit, zur liebsten, tiefsten, heimlichsten Zweisamkeit, zum Kämmerlein – wo wir einander nur noch schauen – und noch lieber und heimlicher, wo wir einander nur noch fühlen – zu dem Brennpunkt, da Glut der Glut sich vermählt – oh Herzelein, die ganze Welt ist dann in diesem heimlichsten Ort – nur Du noch – Du! Du!!! Ich liebe Dich!
Und bleibe in Liebe und Treue so ganz Dein glückliches Mannerli,
Dein [Roland]!
Wirst denn Deinen Herzensbub noch mögen, Geliebte?
Ach Herzlieb! Du lebst in mir für allezeit!!! Ich küsse Dich vieltausendlieb! Meine liebe [Hilde]!!!
Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946
Ute Schmidthals
"Mütterlein": Aus heutiger Sicht ist diese Bezeichnung für die Geliebte befremdend! Roland hat diesen Ausdruck in früheren Briefen schon häufiger benutzt.