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[OBF-430222-002-02]
Briefkorpus

121.

Montag, am 22. II. 1943

Geliebter! Mein herzallerliebstes Mannerli, Du!!

Bin doch schon wieder bei Dir nun! Magst mich denn schon wieder haben? Wirst jetzt Mittagstündchen halten wollen? Oder bist auf Deinem Mittagspaziergang?

Ach, wo Du auch seist! Ich bin immer, immer mit Dir! Müde wäre ich ja auch, zum Schlafen müde.

Das wird sein, weil morgen das Kalendermannerli kommen will! (Und das Reiterlein fand ich noch immer nicht. Du! Ob es ein Vorzeichen dafür ist, daß ich es dies Jahr gar nicht mehr brauche?) Ach Du! Und spazierengehn muß ich heute auch nochmal. Habe noch Unterschriften zu sammeln bei den Eltern meiner Kinder. Ich traf nämlich verschiedene nicht an. Weil aber heute so herrliches Frühlingswetter ist, brauche ich am frühen Nachmittag garnicht zu gehen, denn da treffe ich auch wieder selten jemand an. So versuch ich’s gegen Abend nochmal.

Ach Mannerli, ein Prachtwetter ist draußen! Und danke [sic] nur, 10 Grad Wärme in der Sonne. Wie ein prächtiger Frühlingstag ist dieser Tag im Februar. Wer weiß? Mannerli! Wenns so weitergeht, dann sind am Ende schon alle Baume grün, wenn Du heimkommst. Ach Du! Ahnst ja garnicht, wie ich mich freue auf Dich!!! Wenn nur alles gut geht und keine Sperre dazwischenkommt. Ach, dann wäre ich aber sehr enttäuscht, Du! Und könnte doch auch nicht verzweifeln.

Wir wollen Gott vertrauen – er führt es zum Besten.

Mein Herzelein! Hattest Dir Briefmarken gewünscht, ich steckte sie heute Vormittag mit in den Boten. Wenn ich Dir nun anstatt Geld noch eine Reihe Briefmarken schicke, nützen sie Dir etwas, kannst Du etwas anfangen damit? Ich glaub’s’ ja nicht. Mir tut es aber immer so leid, wenn Du all Dein verdientes Geld so rasch los wirst. Du hast ja viel vor bis zum Urlaub! Bitte, Herzelein! Denke auch an Dich!! Du!!! Hörst mich?

Auf all die lieben Boten wollt ich Dir noch Antwort sagen. Wo fange ich denn gleich an? Du!!! Das Liebste drängt sich doch immer wieder vor. Aber nein, ich will doch mal fein der Reihe nach gehen. Du!! [*] Da ist erst Dein lieber Freitagbote. Das Mannerli war müde und ist doch trotzdem erst spät ins Bettlein gekrochen, 2 Stunden vor Mitternacht – Du, soviel hab ich doch fast [***] keinen Abend Zeit zum schlafen, vor Mitternacht – [***] wenn Du kommst, Herzelein, dann wollen wir aber mal ganz tüchtig ausschlafen miteinander, gelt?!! Soo müde warst Du und bist trotzdem noch zu mir gekommen. Hast mich dann auch mit ins Bettlein genommen.

Oh das lasse ich mir schon gefallen vom Mannerli! Bist doch so ein liebes Wärmfläschel! Ob ich im April noch eins brauche?

Ei freilich! Ich brauche lange eins!! Und gar so eins wie Du, das nehm ich den ganzen Sommer über, später. Fürchtest Du Dich da?

Hast so putzig geträumt von mir und Dr. H. wegen dem Dienst im Roten Kreuz! Er hat Dir Vorhaltungen gemacht. Ganz recht hast ihm geantwortet, Herzelein! [*] Es ist doch wahrhaftig so, daß mich der Ortsgruppenleiter [**] erst über die Kreisleitung Chemnitz frei kriegt. Und er will das auch tun, versprach er mir. Aber ich habe keine Angst, daß ihm das nicht gelingt. Ich bin ganz ruhig.

Ach Herzelein! Ich weiß, daß Du mir garnicht deutlich genug sagen kannst, wie glücklich Du darüher bist, daß ich Dich so lieb verstehe, daß ich Dir gleich empfinde, daß ich Dir so wesensverwandt bin. Oh Du! Die Liebe verbindet uns ja so innig, daß wir so ganz zueinander neigen müssen. Auf Pfaden der Liebe wandeln wir, da werden zwei Herzen eines, da scheinen Freude und Sonne. Da werden alle Widerstände, Unterschiede und Hemmnisse des Liebe dienstbar.

Oh Du! Das eimpfinde ich ja wie Du, mein [Roland]!

Zum Gottesdienst wolltest gehen und Dein nächster Bote sagt mir doch auch, wie Dir's gefallen hat. Einen guten Prediger habt Ihr da, ich möchte ihn wohl auch mal hören. Ich freue mich recht, daß Dir die Gelegenheit ofter [sic] gegeben ist, die Kirche zu besuchen. Viele müssen das entbehren. Und wenngleich es viele nicht vermissen, das Wort Gottes, so sind doch auch Unzählige, die danach verlangen.

Ich höre auch mit Freude, daß Du in unserm Bibelbuch gelesen hast!

Man sollte es viel öfter tun. Diese Empfindung habe ich immer, wenn ich wieder mal gelesen habe darin. Man ist zu nachlässig, nimmt sich nicht die Zeit.

Ja, wo sind solch starke, fromme Menschen, die das immer [**] recht bekennen und bedenken: „Kaufet die Zeit aus"; denn es ist jeder Tag eine Gnade Gottes.

Wir sehen es an unzähligen Beispielen, wie schnell es vorbei ist.

Ich denke an das tragische Ende des Herrn F. hierbei, wir kennen ihn beide.

Ach Liebster! Wenn wir erst für immer beisammen sind, wir wollen uns das fest vornehmen, daß für etliche Dinge die Zeit einfach werden muß.

Magst Du das mit mir?

Es kommt unserem inneren Menschsein ja soviel zugute dabei. Und die ganze Welt hat ein andres, bessres Gesicht dann.

In Bukarest tritt so ein Apostel auf, der das Christentum untergräbt in der Frauenschaft? Und dann verbietet er die Rede davon in der Öffentlichkeit! Das sind mir die Tüchtigsten, die es so halten. – Ein Lumpenpack. Dieser Heinrich weiß so manches, weil er Verkehr pflegt mit den Volksdeutschen, ja? Wie ist denn deren Meinung dazu? Wie stellen sie sich gegen die neue Bewegung?

Unser Pfarrer muss nun auch amtlich weg am kommenden Freitag. Wohin weiß ich nicht. Ich hatte öfter [**] mit Pfarrers zu tun dieser Tage, weil der kleine [**] Gottfried von unserem Wimpelträger in der Schar auf dem Heimweg ohne mein Dabeisen mit der Wimpelstange ins Auge gostoßen wurde. Er hat einen Bluterguß davongetragen, sonst nichts. Gottseidank! Glück war dabei.

Ja, solche Dinge geschehen bei Kindern, selbst wenn Aufsicht dabei ist. Wir haben da eine Unfallversicherung, die für Schäden aufkommt. Man hat nur scheußlich viel Lauferei und Schreiberei. –

Denke nur! Ist doch die Frau Pfarrer schon wieder in der Klinik seit Donnerstag: eine Fehlgeburt. Der Mann ist rücksichtslos und unverständig finde ich. Die 3. Fehlgeburt schon und 4 Kinder, das alles mit 33 Jahren. Wenn die Frau nicht selber so viel Einhalt tut. Sie muß ja kaputt werden.

Na, wenn die Pfarrers ihre Hiddy nicht hätten!!

Was sagst Du dazu, Herzlieb!

Zwischen jedem Kinde muß die Frau mindestens 2 Jahre Ruhe haben, daß sie sich wieder kräftigen kann. Sie sollten das ja auch beide wissen, was sie ihrer Gesundheit schuldig sind. Was wäre nur, wenn die Frau zugrunde ginge?

Was würde aus den 4 Kindern? Er muss ja nun fort. Das ist und bleibt unverständig, sage ich, in solchen Zeiten so unüberlegt draufzu leben. Man denke sich nur aus, wie schwer es schon ist mit 4 Kindern, wenn die Zeiten noch ernster kommen. *

Ich [**] bin richtig ungehalten über den ollen Pfarrer.

Ach Herzelein! Bei aller Liebe muss doch auch die Vernunft sprechen! Ich glaube nicht, daß Du mich so in Gefahr bringen würdest. Dazu hast Du mich viel zu lieb.

Und wenn man sich noch so sehr lieb hat, man muß auch Maß halten können, wenn die Liebe immer neu beglücken soll.

Ach Geliebter! Ich glaube wir beiden verstehen uns doch darin einmal ganz lieb. Ja? Du!!! Ich will Dir Kindlein schenken. Es ist das schönste Geschenk an Dich! Aber wir müssen es geimeinsam wollen, aus liefstem Herzen heraus.

Und Gott wird es segnen!

Am Sonnabend war mein Lieb in der Stadt bummeln, 'hintenweg', ich weiß schon! Da gehts Mannerli gerne, so mit Umwegen und besondren Schlichen, wo man viel Zeit haben muß, um wieder zur rechten Stunde heimzukommen und man möchte dann meist auch gutes Schuhwerk haben, ja?!! Oh, ich weiß Bescheid!! Du!

Aber ich bin nun mit meinen Stieflein gefeit gegen Sturm und Wetter. Die wenn ich in Böhmen gehabt hätte!!! Auch bei Dir war das Wetter schlecht um diese Zeit.

Ja, vom Schillervortrag erzählte ich Dir wohl schon!

Und ich habe unterdessen schon vielfach die Meinung gehört, daß der Vortrag mißfallen habe.

Es lag also nicht allein an mir und meiner Einstellung an jenem Abend. Es ging anderen ebenso.

Erzählst mir so anschaulich, was Dir begegnete auf Deinem Weg, daß ich mein, ich sei auch mit daheigewesen.

Du hast also das verlockende Angebot zu fahren abgeschlagen? Ich muß so lachen, wenn ich mir das Gefährt vorstelle! In so einem wären wir wohl nicht gefahren, an unserm Hochzeitstag? Wir wollten doch auch gern mit Pferd und Wagen fahren.

Ach ja Liebster! Du sagst mirs voll Sehnsucht, wie so gerne Du mit mir heimgekehrt seist dann.

Ach, ich glaub's Dir, Herzelein! Auch ich verspüre oft so packend diese Sehnsucht.

Wie lange werden wir wohl noch so allein rumbummeln?

Oh, daß Gott doch ein Ende werden ließe diesem Kriege!

Und da ist mein [Roland] noch so glücklich dran, daß seine Umgebung ihn überhaupt an solchen Wunsch erinnert! Was sollen die sagen, die um sich die Öde Rußlands und vor sich jeden Augenblick den Tod sehen? Ach Du! Darum nicht geklagt. Ganz still und dankbar drum und neue Kraft gefaßt! Du!!!

Mein [Roland]! Mein lieber, allerliebster [Roland]! Du!!! Oh, daß der Herrgott Dich doch vor solchem Schrecken bewahren wollte! Daß er mir diese Sorge ersparte!

Ich will Dich doch gern noch entbehren jetzt, wenn es nicht anders sein kann. Aber bleiben mußt Du mir! Oh Geliebter! Nicht auszudenken, wenn ich Dich nicht wiedersehen sollte. Das kann Gott nicht wollen! Das kann er in seiner Gnade nicht für uns beschieden haben! Einen Sinn soll unsere Liebe erhalten, einen rechten Sinn durch unser gemeinsames Leben! Oh, ich glaube daran!

Gott im Himmel! Oh, hilf uns! Amen.

Mein Herzallerliebster! Die liebe Sonne neigt sich schon. Ich muß Dir nun erst einmal zum Abschied die Hände drücken, Dich ganz lieb an mich drücken, voll Liebe und Dankbarkeit! Oh voll tiefer Sehnsucht denke ich Dein, Du mein Alles!

Wenn Gott will, werde ich Dich bald wieder umfangen dürfen!

Oh Geliebter!!! Ganz fest will ich Dich halten! Du mußt mich ganz sehr festhalten und liebhaben, ich lasse Dich nicht! Oh Geliebter! Ich will Dich sooo ganz! Will Dich aufnehmen in mir! Ich muß Dich doch zu sehr liebhaben!

Oh behüte Dich Gott! Bleibe froh und gesund!

Ich behalte Dich sooo lieb! Sooo ganz sehr lieb!

Und bin in unwandelbarer Treue ewig Dein Weib. Ganz Deine glückliche [Hilde], mein [Roland]! Ich küsse Dich herzinnig! Ich liebe Dich! Mein Alles!

Du! Mein Sonnenschein – mein!!!

 

[* = am linken Textrand ist ein + eingefügt]

[** = am linken Textrand ist ein | eingefügt]

[*** = am linken Textrand sind || eingefügt]

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946