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[OBF-430223-002-01]
Briefkorpus

122.

Dienstagabend, am 23. II. 1943

Geliebtes Herzelein! Mein lieber, allerliebster [Roland]!

Du! Endlich frei für Dich, mein Mannerli! Es ist schon 8 Uhr vorbei, ich hatte nach dem Dienst noch einige geschäftliche Gänge vor unter anderem auch ins Rathaus zur Regelung der Anmeldescheine und da wollte man mich auch noch mitlotsen in die Frauenschaft, unten in der "Krone“ fand der Abend statt. Das ist aller 4 Wochen einmal.

Aber Nein! Ich sagte, daß ich nicht mitkönne, weil zuhaus jemand auf mich wartet! Und habe ich da gelogen? Mein Herzensmannerli wartet doch wirklich auf mich! So und nicht mit anderen Worten konnte ich mir Verständnis erringen und man ließ mich in Ruhe! Ach Du!!! Wenn man einander sooo liebhat, da findet man doch auch für jeden Augenblick das rechte Wort, um ganz dieser Liebe nachzugehen! Du!!! Nichts ist mir doch wichtiger und lieber neben Dir! Mein allerliebster Schatz! Ach, Du weißt es ja!! Du!!!!

Ja, heute war ich ein bisserl in Druck geraten; denn es ist doch der 23. der Todestag Horst Wessels. Und bis gegen Mittag wußte ich noch nicht, was ich würde erzählen können über ihn. Das, was in meinem Gedächtnis noch übrig war, das war mir zu wenig.

Und ich hatte auch kein Buch, worin ich hätte nachschlagen können.

Na, ich fragte erst mal um bei meinen Buben, was sie mir sagen konnten. Und daran knüpfte ich meine Ausführungen und hob die Persönlichkeit Horst Wessels hervor.

Ist übrigens Dein Jahrgang, Mannerli! 1907. Und so ging’s auch ganz fein. Wir übten dann noch Lieder und ein Singspiel für den Faschingsnachmittag, den ich als lustige Scharstunde gestalten will bei allen Kindern.

Du! Mannerli, es steht auch in der Zeitung, wann die Osterferien sind! Ich leg Dir den Ausschnitt mal bei. Es steckt ein Druckfehlerteufel darinnen, merkst Du es? Ja, ich verlege meine Ferien sowieso vor, unter allen Umständen; denn wenn mein Mannerli da ist wird nichts getan. Ich werde mich schon durchsetzen. Bin ja dann das ganze Jahr über wieder auf dem Posten.

Du! Heute sprach ich doch auch mit dem Ortsgruppenleiter, als ich drüben auf dem Rathaus war. Er rief mich in sein Kabinett. Er hatte meinen Meldebogen zur Bearbeitung wiederbekommen vom Arbeitsamt (das ist Sache des Ortsgruppenleiters, die einzelnen Fälle nachzuprüfen, die nicht sofort für die Rüstung zum Einsatz kommen können). Und da sagte er mir nun, daß er mich freigemacht hätte für die Kinder. Er hat geschrieben, daß dieser mein Fall schon vor der Eingabe ans Arbeitsamt in seinen Händen gewesen sei und von ihm bestätigt, er wolle mich frei haben zum eventuellen weiteren Einsatz für Kinderbetreuung.

Du! Ich war ihm so dankbar innerlich! Und ich habe ihm auch gedankt für seinen Fürspruch. Er wehrte bescheiden ab und meinte, daß es nicht mehr als recht wäre, daß ich hier verbleibe.

Er ist halt froh, daß er mich hat. Und ich bin froh, daß ich mich doch in gewisser Hinsicht unentbehrlich machen konnte.

Ach Herzelein! Nun bin ich so froh innerlich, daß ich Dich gleich einmal ganz tüchtig drücken möchte, wenn ich Dich nur bei mir hätt‘! Du lieber, liebster Lausbub! Freuen, so recht freuen kann ich mich garnimmer allein, da muß ich doch zu Dir kommen, Du!!! Ach Du! Komm nur bald heim! Daß ich mich wieder einmal so von ganzem Herzen freuen kann! Und Dir meine Freude zeigen kann! Dir meines Glückes Überfluß schenken kann – mein Einziggeliebter Du!!!

Herr S. hatte noch einen ganzen Stoß solcher unbearbeitender [sic] Meldebogen daliegen [sic] und zeigte mir im Vertrauen einen, wo nun das Arbeitamt mit roter Tinte sein Für und Wider dreingeschrieben hatte.

Und er meinte, daß er über manche Angaben den Kopf schütteln müsse. Weil sich manche nicht schämen, ganz unmögliche und garnicht zählende Gründe anzugeben.

Da war Fräulein Gisela E.!

Ihr Vater hatte den Bogen ausgefüllt! Und seinen Major a.D. dahinter gesetzt um zu imponieren. Und allerlei Angaben gemacht, die garnicht stichhaltig sind. Denn Gisela ist mit ihrer Mutter zusammen daheim für den Haushalt und so wohl wird es eben heute keinem mehr. Er, Herr S. sagte, daß er diese Person, die noch so auffällig und nichtstuend herumlaufe auf jeden Fall würde einsetzen lassen.

Ja, so wird es vielen gehen. Und er sagte, daß er auch ganz gerecht würde durchgreifen, ohne Ausnahme. Das wäre ja das Prinzip der Totalisierung, daß auch mal die herangezogen werden, die überhaupt nichts tun.

Gewiß ist es eine unschöne Sache, wer sich nun so der Willkür des Arbeitsamtes aussetzen muß.

Aber für unsereinen, der sich schon immer bereit stellte, ist es nicht mehr als Recht, daß unser Einsatz in diesem Moment der Totalisierung auch entsprechend bewertet und anerkannt wird.

Ich lese sehr wohl, was Du mir sagst Herzelein, daß bei unserem Programm so zuhaus jeder voll belastet ist, und ein geringes "Mehr“ eine Not heraufbeschwören würde. Und ich sehe nicht ein, warum sich immer nur dieselben Leute abmühen sollen, der Krieg ist jedermanns Schicksal geworden; also muß sich auch jedermann einsetzen, daß die ganze Not so bald wie möglich behoben sein wird. Gestern mußte sich nun auch die nächste Altersstufe melden, bis zum 45. Lebensjahr bei Frauen. Bis zum 15. März soll wohl diese ganze Aktion abgeschlossen sein.

Ich möchte mal die Auslandsmeinung dazu hören -----

Mein Herzelein! Heute ist wieder kein Brief angekommen von Dir. Aber morgen ganz sicher. Ich hab's schon immer gedacht: die Post geht jetzt so gut, daß ich bestimmt mal wieder warten muß. Ach Du! Sooviel Liebes ist doch von Dir noch in meinen Händen, was noch garnicht alles beantwortet ist und in gleichem Maße zurückgegeben! Ich sags Dir doch immer, Du liebstes Herzelein! Hast mich viel zu lieb! Bestürmst mich doch mit Deiner Liehe und ich kann kaum noch Atem holen! Ach Du!!! Du!!!!!

Und bin doch sooo überglücklich!!

Mit Dir bin ich das glücklichste Weib! Ja!!!!!! Du!!! Und ich halte Dich fest!!! Ganz fest, Du mein Eigen!!!

Mein Ein und Alles!

Ach, sag – weißt Du denn noch, wie soooooo lieb ich Dich hab? Weißt Du es noch, wie sooooooooooooooo gut ich Dir bin? Soooooooo gut! Ach Geliebter! Ich muß Dich so unendlich liebhaben! Ich darf doch garnicht daran denken! Will doch ganz, ganz artig sein! Du! Das böse Kalendermannerli tanzt doch mal wieder aus der Reihe! Es hat mich heute noch garnicht besucht! Sicher, weil das Reiterlein weg ist! Oder wer sollte noch schuld sein? Etwa der böse Vollmond?

Ach Du! Des Mannerlis' Urlaubsprogramm wirft es trotzdem nicht übern Haufen! Es kann ruhig paar Tage Verspätung haben! Das ist nicht schlimm, gelt Mannerli? Du kommst trotzdem zu mir! Du kommst!!! Und wenn Gott will, schon so bald! So bald, daß ich schon Herzklopfen kriege, wenn ich nur daran denke! Ach Du!!! Weil ich mich ja gar so freu! Und weil ich Dich sooo liebhabe! Du!!!!!!!!!!!!!

Bist doch mein Allerliebstes! Mein Sonnenstrahl! Einziggeliebter!

Oh, Du bist mein ganzes Glück! Mein Alles! Gott behüte Dich und sei unserem Bunde gnädig! Er führe uns gesund zusammen zum gemeinsamen Leben! Amen.

Nun Gutnacht! Herzensschätzeli! Bald komm ich wieder zu Dir! Oh ich hab Dich ja sooo lieb! Bin ewig Dein! Deine glückliche [Hilde]

Du!!! Dein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946