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[OBF-430225-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 24. Februar 1 9 4 3

Herzelein! Geliebte mein! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Still ist’s im Hause heut abend. Ich glaub, es ist eine K.d.F – Veranstaltung, zu der wir eine Menge Karten hatten. Heinrich ist in die Offiziersmesse gegangen, dort ist mittwochs Kino. Mich zieht es weder zu diesem noch zu jenem, und wenn jetzt nicht mein Schätzelein wartete, würde ich mich lieber ein Stündchen lang strecken und in einem Buche lesen. Ich habe mir für Freitag eine Kinokarte genommen – weiß noch nicht, ob ich hingehe: „Im siebenten Stock" – oder so ähnlich. Den Abend mit Dir lasse ich mir am liebsten überhaupt nicht nehmen. Ist nun wieder mal ein Tag dahingegangen – und morgen schon wieder Donnerstag. So eilt die Zeit. Wird gar nicht dauern, daß ich wieder allein bin, um dann mich auf den liebsten Weg zu machen. Aber bis dahin heißt es fein geduldig warten – jeder Tag kann jetzt etwas anderes bringen – ganz fein still warten – Du!!!, ach Du!!!!! – Zwei liebe Boten sind zu mir gekommen heute: die vom Montag / Sonntag und vom Freitagabend. Es ist nichts an ihnen geschehen. Nun fehlt noch der Mittwochbote. Ja, das Mannerli wacht eifersüchtig darüber, daß die Sendboten auch alle eingehen. Soll keiner mir verloren gehen. Sei recht lieb, bedankt für das Dein gedenken. Im Montagboten erkennt das Mannerli noch die Unrast und Atemlosigkeit, die Dich wieder einmal um die verdiente Sonntagsmuße gebracht haben! Das soll aber eine ganz große Ausnahme gewesen sein, gelt? – Du!!! Und ein wenig gespannt bin ich ja darauf auch, zum erstenmal davon zu hören und zu lesen, daß Ihr in Eurem Hauswesen mal einige Einsparungen vornehmt, die Euch ein wenig Entlastung bringen. Ich verstehe das nicht genug – ich denke nur, daß manches von selber bleiben müßte, wenn mal einer nur noch dem Hauswesen zur Verfügung stünde, daß daheim paar Stunden Putzen und Bohnern als kriegsunwichtig fallen müßten, ohne daß dann gleich die Spinnweben und die Staubfußel das Dornröschenschloß überwuchern müßten – Schätzelein, ich meine, daß müßtest Du ein wenig in der Hand haben als Vorstand des Hauswesens. Sollst aber nicht gleich das Gewissen schlagen lassen und die Stunden anmelden, die so eingespart werden könnten. Weiß nicht, was an meinem Vorschlag zu verwirklichen ist. Denke nur daran, daß auch Frau U. nachlassen muß in ihrem Fimmel, wenn sie keine Hilfe mehr bekommt, und wenn Seifen und Bürsten immer knapper werden. Es tut not, das Leben jetzt auf das Wesentliche auszurichten – und zu dem Wesentlichen gehört z. B. auch, daß man seinen Schlaf behauptet – Ihr schanzt ja des abends viel zu lange, es wird ja bei Dir viel zu spät mit dem Schlafengehen. Ich weiß auch, wer der Unruhgeist ist.

Na, ich werde in diesem Sinne schon mal einen Vorstoß versuchen, wenn ich im Urlaub daheim bin. Ich weiß, daß Du diesen Erwägungen zugängig bist und selber auch darauf bedacht bist, Dir ein wenig Luft zu schaffen. Es muß nur der rechte Wille sein dazu – und der kommt bei manchen erst meist dann, wenn eine Nötigung, ein Zwang vorliegt – und es müßte ihn doch auch schon eine vernünftige Erwägung ihn auslösen.

Ja – der Gastwirt ist wahrlich ein geplagter Mann – er ist ein Sklave beinahe – er bringt sich um sein gesundes Leben im Dienste um unsolide Menschen, die nicht wissen, wann Schlafenszeit ist, wann der Mensch nach Hause gehört und wenn er genug hat — und daß hier ein Riegel jetzt vorgeschoben wird, das ist nur richtig – es ist mir egal, mich trifft es nicht, trifft es auch im Frieden nicht. Was müssen die Niederfrohnaer bis ½ 1 Uhr nachts in der Kneipe quetschen!

Ich überlege eben, was an dem Sonnabend war; an dem Du den Vortrag besuchtest – las ich da nicht das Johannesevangelium: Ja, es gehört zu all den Dingen Muße – man kann nicht einfach so von der Hast und dem Markt des Lebens dahinlaufen – und Hast und Unrast ist jetzt in jedem Leben – hinter allem das Gespenst dieses Krieges, dazu die vermehrten Sorgen des Alltags. Und dabei sind wir, Du und ich, noch immer von dem Schlimmsten bewahrt geblieben: Luftangriffe und das Sorgen umeinander, wie es bei ungezählten ist: der Mann an der Front, die Frau irgendwo eingespannt. – Oh Herzelein! Welche Abgründe der Not tun sich jetzt in manchem Menschenleben auf! Es geht auch mir so: ich finde nicht Ruhe, über einem Buche zu bleiben, schon lange nicht mehr – ich verspüre nicht irgendeine Lust zur Zerstreuung – es ist ein dauerndes, anstrengendes Wachsein, wie das des Steuermanns bei schwerer See. Ganz eintönig und pedantisch verläuft mein Leben jetzt – aber daraus gewinne ich Kraft zum wachsein. Es ist so, wie es mir bei einem schweren Gewitter immer erging: ich räumte alles ganz fein auf wie zu erhöhter Bereitschaft, um dann mit allen Sinnen wachsam bei dem Toben des Unwetters sein zu können.

Ach Geliebte! Geliebte Du! Und ehe ich Dich nicht nur immer an meiner Seite fühle, wird Unrast sein in meinem Leben, muß ich weiter wachen, da kann mich nichts recht freuen, da ist jede Zerstreuung mir nur eine Störung – ach Herzelein. Ich muß immer wachen – ganz wachsein – für unser Glück – ich kann nicht anders. Und ich fühle auch, wie mich das anspannt in meinen Kräften. Erzählst mir von Deinem Gang zum Arbeits amt. Ich kann all dem nur mit Ruhe entgegen sehen nun, weil Du Dich so gut umgetan hast – und weil Du tatsächlich mehr als genug tust, wohlgemerkt Schätzelein! Wenn Du daheim bleiben kannst in Deinem Wirkungsbereich, so ist das nicht der mindeste Grund dafür, daß Du nun etwa mit einem schlechten Gewissen einhergehst – oder mit der Bereitwilligkeit, dies und jenes noch zu übernehmen. Dann schon lieber reinen Tisch – um Deiner Gesundheit willen. Du wirst immer an meine Rechnung denken? – 48 Stunden. 84 Stunden – wirst daran denken, daß andre sich längst schon — [unklar]ten und schonen und zerstreuen, während Du noch schaffst – daß auch Dein Mannerli schon bei seiner Freizeit ist, wenn Du Dich noch mühst – wirst daran denken – Herzelein! Ich kann es Dir nicht genug einscrfen! In dem Augenblick, wo Du als Kindergärtnerin gehst, ist es vorbei mit Mutters Arbeit, das ist sonnenklar – na, und auf Deine Freizeit wirst dann schon selber achten – weil das nämlich eine Mordsanstrengung ist, die ich Dir nicht wünsche.

Schätzelein! Ich will auch ins Bettlein gehen, es ist schon spät. Will Dir mit gutem Beispiel vorangehen. Ich gewinne morgen im Vormittag noch ein halbes Stündchen Zeit, um Dir Lebewohl zu sagen. Ach Du! Hab Dich lieb - von ganzem Herzen lieb – mein Alles, mein Einziges Du! Mein All und Einziges! Mein Herzblatt! Ich laß mich von Dir ganz lieb bei der Hand nehmen – ach Du! Du!!! Du weißt, wohin mein Sehnen geht — oh Geliebte! es kommt das Deine dem meinen doch entgegen in gleichgestimmter wundersamer Liebe – und zusammen gehen wir dann miteinander – zum Kämmerlein - und weiter – und noch viel weiter - bis ins letzte Herzkämmerlein – oh Du! Du!!! Ich bin immer nur bei Dir mit an meinem Sinnen und Trachten und Sehnen – oh Geliebte! bei unserem Glück – – bei Dir, meinem ganzen reichen Glück – Oh Gott Himmel ! Bleibe bei uns, schenke uns Kraft und Geduld zu treuem Ausharren! Amen! Ich küsse Dich – in Liebe und Sehnsucht - immer und ganz bei Dir zu sein –

Dein [Roland].

Herzelein!! Geliebte! Eben ist da mal eine kleine Pause, ein Luftloch, würde der Flieger vielleicht sagen — und der Seemann: kein Wind im Segel vielleicht – und da gibt es auch nichts zu steuern, und die im Boote sitzen, ja, was machen denn die nun gleich – sie können sich nun fein medherzelten [unklar] – kennst Du die beiden, die da in einem Boote sitzen? [Roland] heißt der Steuermann – und die zu ihm ins Boot, ins Schifflein, gestiegen! ist – das ist meine liebe liebste [Hilde]!!! Oh Du! Geliebte mein! Du! Du!!! fühlst Du so glücklich wie ich, wie unsre Schicksale nun zusammengehören – bis aus Lebensende? Oh Herzelein, fühlst Du glücklich, daß ich Dich in mein Boot nahm, wie ich es sooooooooooo glücklich fühle, daß Du in mein Schifflein gestiegen bist, daß die Liebste und Feinste, und Eigenste mit ihrem ganzen Vertrauen, mit all ihrem Leben, mit Leib und Seele in mein Schifflein gestiegen ist — oh Du! Geliebte mein! Köstlichste Last, süßeste Last – solches Vertrauen. Oh, Du weißt, wie es mich durchpulst und durchzittert, Geliebte, wie es mich erfüllt – ach Du! Wie glücklich wie sooo glücklch nein, und mehr noch, wie ich so ganz erfüllt bin von solcher Liebe – oh Schätzelein! Du bist mein! Bist ganz die Meine! Ich laß Dich nicht wieder aus meinem Herzen – Du kannst auch nimmer heraus – ich kann nicht mehr scheiden, was mein und Dein ist an meinem Leben was mein ist, ist Dein – und was mein Leben wert macht, das kommt von Dir – und was an mir ist, das hat nur noch einen Wert, wenn ich es – Dir teilen und schenken kann – oh Geliebte – so ist es – und so wird es immer mehr, je länger ich Dich habe und Du in meinem Schifflein bist. Ach Du! Das drängt so aus mir, es Dir zu bekennen, obgleich mich heute morgen etwas betrübt hat. In der Proklamation Hitlers zum Parteigründungstag heißt es: Sie hat besonders in diesen Monaten und vielleicht in den kommenden Jahren ihre große historische Aufgabe zu erfüllen – u.s.w. – Ach, ich kann und mag davon jetzt nicht sprechen – ein Wahnsinn ist dieser Krieg.

Oh Herzelein! Um unsrer Liebe Willen werden und wollen wir aushalten! Und wollen so eng verbunden wie nur möglich miteinander gehen – wir müssen – ach Du!! Du!!! Solange immer wieder sehnen und hoffen nur – es will beinahe unmöglich scheinen im Vorausblicken – unsre Geduld ist groß, unsre Liebe ist stark – aber unsre Geduld ist auch doppelt angespannt von sehnender Liebe – oh Geliebte! Ich werde weiter wachen müssen - und Dich ganz lieb festhalten – – ganz lieb und treu– immer – immer – ich kann nicht anders — ach Herzelein, und nicht nur ausharrend und abwehrend wird meine Liebe treu bestehen – ach Du, sie wird Dich bedrängen, sie wird zu Dir drängen– daß sie Dich banne — und Du wirst mir fernerhin so treu all Deine Liebe schenken wie bisher – ach, immer treuer und entschiedener noch wie auch ich! Und Gott wird uns beistehen! Oh! Wende er doch diese Not! Mach er ein gutes Ende!

Herzelein! Je mehr unsre Liebe auf die Probe der Geduld gestellt wird, desto härter, desto entschiedener werde ich sie bewahren. Sie darf, und sie wird nicht verloren gehen. Wir wollen sie sooo rein und gläubig und ganz erhalten – ach, daran gibt es auch gar kein Rütteln - alles Sehnen geht zu Dir! alles Sehnen stirbt ohne Dich! Oh Du! Geliebte mein!!!

Behüt Dich Gott! Er schütze Dich auf allen Wegen! Bleib mir froh und gesund! Halt Dich an mich –– immer und in allem – dann bin ich ganz glücklich – dann bleibst Du ganz mein – dann können wir uns nicht fremd werden! Und ich - ach Du! Du bist ja mein Alles, mein Einziges, an das ich mich halten kann, und halten muß – an Deine Liebe, die sich mir sooo reich und tief erschlossen hat.

Ich bin Dein [Roland] – immer und ewig – ganz Dein!

Ich liebe Dich — und küsse Dich -

Dein glücklicher [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946