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[OBF-430227-002-01]
Briefkorpus

126.

Sonnabend, am 27. Februar 1943.

Geliebtes, teures Herz! Mein [Roland]! Geliebter Du!!!

Es ist abends, gleich 9 zeigt die Uhr. Ich habe nun endlich mein Stündchen für mich und kann mich zu Dir flüchten. Oh Herzelein! Sag, find ich Dich denn noch munter um diese Stunde? Bei Dir ist ja die Zeit noch ein wenig weiter vorgeschritten schon. Aber ich denke mir, daß mein Mannerli schon noch munter ist.

Heute ist Seemannssonntag. Ist er das auch im Ausland, der Sonnabend?

Ich wäre doch heute zu gern mal mit Dir durch den Sonnenschein spaziert, Liebster! Bei uns war das Wetter so schön. Du schreibst mir ja auch, daß es sich schon richtig österlich anläßt auch bei Dir. Ach Du! Da will doch die Sehnsucht doppelt laut werden nach dem Geliebten! Oh Herzelein! Ich sehne mich doch ganz unbeschreiblich nach Dir, Du mein Alles!

Heute sind doch wieder 2 liebe, liebe Boten angekommen von Dir! Hab Dank, Geliebter! Oh, Du kommst sooo lieb zu mir! Du weckst doch alle Sehnsucht! Ich wäre doch gleich hinausgestürmt am liebsten, um mit meinem großen Glück allein zu sein, unterm blauen hohen Himmel – ach, dann wird mir jeder Raum zu eng, wenn die Sehnsucht so laut und mein Glück so übermächtig werden – dann weiß ich doch garnimmer wohin mit der Freude! Oh Du! Über alles Geliebter! Ich liebe Dich soo sehr!

Will Dir von meinem Tag heute erzählen.

Frühmorgens um 7 Uhr bin ich aufgestanden. Da war mein Mannerli schon beim Schaffen, gelt? Und dann hab ich erst gleich mal nach Kamenz an die Lieben einen Sonntagsgruß geschrieben, auch Mutsch mit. Vater war heim Arzt wieder und hat seine Milch – Nährmittel – Zuteilung nochmal verschrieben bekommen, den Bogen sandte ich gleich mit an die Ärztekammer nach Chemnitz. Anschließend hab ich mit Mutsch den Morgenkaffee eingenommen. Danach im Hausflur gebohnert und blank gerieben, Schuhe geputzt und dergleichen kleine Ordnungsarbeiten mehr. Während Mutsch Essen und Badewasser bereitete und stopfte, bin ich Wege gelaufen. Verschiedentlich auch ohne Erfolg, das darf einen jedoch nicht verdrießen. Als ich heimkam war der Tisch schon gedeckt, Vater aufgestanden und wartete auf mich, daß ich mithielte. Und denke Dir nur, was sich heute wieder bei uns einstellte! Die 3 Brotkarten!!

Ich war ja platt. Ich wollte Mehl abwiegen, nahm zu dem Zweck die Waage herunter vom Buffet und unter der Schale lag etwas Rotes! Die Brotmarken durchfuhr es mich. Und wahrhaftig, sie waren es.

Ja nun frage mich einer, wie die dahin kamen. Wir waren natürlich heilfroh, denn wir können nun gleich unsre Schuld bei den beiden Großmüttern wieder abtragen. Sie können doch auch schwer ein Brot entbehren. Aber zum Bäcker einkaufen gehn mit den wiedergefundenen Marken? Ach nein, da schäme ich mich nun. Du!

Und ich hab einen Vorschlag gemacht: wir schneiden ab was wir an Brot brauchen noch und mit den Karten geh ich in die Mühle und versuche Mehl zu bekommen. Roggenmehl und etwas Weizenmehl dazu. Gesagt – getan. Ich setzte mich auf’s Rad, ging hin und erzählte mein wieder gutgewordenes Mißgeschick und man schmunzelte! Na dann zeigen sie nur mal die Marken her…. und ich hatte doch gar keine drin in der Tasche! Da schlag doch gleich ein Donnerwetter drein, entfuhr mirs da!

Die Mutsch hatte mir die Tasche eingepackt mit den Säcken und Geld und dem Netz. Jedoch von Marken keine Spur.

Wir haben gelacht in der Mühle! Und ich versprach wiederzukommen.

Aber weil ich mit Mutsch nochmal in die Stadt gehen sollte, hat mir Papa den Weg abgenommen. Auch gut; denn was meinst Du, was er anbrachte? Setz Dich erst hin! 21 Pfund Roggenmehl und 8 ℔ Weizenmehl.

Oh das hat uns aber gefreut, Herzelein! Dich auch? Da haben wir doch gleich einen feinen Vorrat für den Urlaub schon!

Fein ist das!

Es waren 33 ℔ Brot an den Marken dran – denke, welch ein Verlust das für uns war! – Mir wollte und wollte es ja auch nicht in den Kopf, wo ich sollte die Marken liegengelassen haben. [*] – Ich habe auch vorhin gleich gebacken und das Mehl ausprobiert und der Erfolg ist mein! Kannst gleich morgen zu uns zum Kaffee kommen, Du! Nun sind wie aber wieder froh, Mannerli.

In Limbach hatten wir allerlei Kleinkram zu erledigen und auch nach Kleiderstoff für Mutsch waren wir, noch ohne Erfolg, wir sollen mal wieder fragen Mitte März. Für Frau L. brachte ich ein Stöckchen Narzissen mit, die schrieb mir, daß sie heute wieder heim sei und ich soll sie nur bald mal besuchen. Es reichte heute nimmer dazu. Morgen nach der Kirche will ich mal hin, (wir haben Heldenehrung – Pfarrer K. Chemnitz). Ich mag mir nicht gern den Nachmittag versitzen, ich muß fleißig stricken und schreiben und will auch die Ausweise die die Kinder fertig machen, die überwiesen werden. Eine kleine Feierstunde muß ich mir gestalten.

Ach, daran liegt mir ja wenig.

Du liebes, liebstes Herzelein! Ich bin ja soooo froh! 

Weil Du nun bald zu mir kommen willst! Herzallerliebster! Ach, Du kannst es kaum ermessen, was es für mich bedeutet wenn Du nun wieder einmal zu mir kommen willst, Geliebter! Du machst mich doch sooo sehr froh! Sooo sehr froh!

Ach, daß Du mir bleibst, das ist mein heißester Wunsch den ich Jeden Abend in mein Gebet einschließe.

Du!!! Herzelein, mein Geliebter!

Oh helfe uns Gott! Schicke er uns seine Güte wie bisher, wir wollen es ihm danken, unser Lebenlang.

Du! Mannerli! Wirst mir vielleicht nur noch 1 mal Briefpapier schicken müssen! Und dann – ja dann! Sag ich Dir doch selber, was ich Dir sagen muß! Oh weißt Du es, was ich Dir sagen muß? Du!!!!! Ich habe immer den Kalender hier neben mir liegen beim Schreiben. Ich zähle und streiche ab! Bin ganz emsig dabei!

Morgen ist der Februar voll. Dann noch einmal 5 volle Wochen abgelaufen und da sind wir schon beim April! Mein Liebster! Zu denken: Sonntag in 6 Wochen hin ich schon nimmer allein! Du!!! Das kann ich noch garnicht fassen! Das ist zu viel Glück!!!

Ich will mich ganz leise erst freuen!

Gott gebe, daß alles gut geht!

Oh Du! Bete mit mir!

Viel kann dazwischenkommen, viel kann geschehen bis dahin, hier in der Heimat wie draußen in der Fremde. Aber wir wollen nur das Gute glauben, mein Herzelein!

An tausend Fäden hängt das Glück, aber wir glauben, daß ein gütiges Geschick uns wohl will, mein [Roland]! Und wir wollen ohne Furcht in die Zukunft schreiten, fest auf den Höchsten vertrauend.

Mein Geliebter!!

Ach Du! Herzelein! Soo lieb redest Du schon von unserem Wiedersehen! Und ich träume mich doch immerzu hinein in das Bild, das dann sein wird in Bälde! Du!!! Sagst mir von Deinem Plan heute im lieben Sonntagboten! Am 12. will Heinrich fahren. Am 6. oder 7. kommt er zurück und dann ist doch mein Mannerli schon bereit! Oh Du!!! Bereit, in die Heimat zu eilen, heim zur Geliebten! Ja!!! Du!! Heim, heim an der Liebsten Herze, das so treulich harrt. Gleich am 7. April wollte dann mein Mannerli losfahren. Ein Mittwoch ist das – und am Abend fährt der Zug in B. [sic] ab. Ist am andern Tag in Szolnok, und am anderen wieder, frühmorgens, in Wien. Und wenn er pünktlich fährt, kannst Du noch bis Chemnitz fahren am selben Tage! Oh Du! Da komme ich doch herein nach Chemnitz! Wenn ich es von Dir weiß, wann Du abfahren kannst, dann rechne ich, daß Du bestimmt in 2 Tagen bis Chemnitz kommst! Und ich werde abends auf Dich warten, Geliebter! Ach, was ist dann eine Stunde? Angesichts der unzähligen Stunden voller Warten vorher? Ich will Dich erwarten!! Und will Dir entgegenkommen! Du mußt mich verstehen! Du!!! Ich kann doch nur bis Chemnitz kommen, weil ich nicht weiß, wie von Wien aus Du besser heim kommst über München oder Dresden. Ach, Du darfst nicht abreden, Herzelein! Ich will, ich muß Dir entgegenkommen!!!

Und wenn ich auf der Bank im Warteraum übernachten müßte, weil Du es vielleicht erst am andern Morgen schaffen kannst. Ich will Dich abholen! Will mit Dir heimkehren, mein [Roland]!

Ach Du!! Du!!!

Geliebter!!!

Heb' Dir nur genug Geld auf, daß Du mich anrufen kannst! Daran muß ich Dich wohl erinnern, Du schlimmes Mannerli, denn Du verausgabst Dich sicher wieder ganz, alle Anzeichen sprechen schon dafür. Ach Du böses und Du herzliebes Mannerli! Verwöhne Dein Weiberl nicht so sehr! Es läßt Dich sonst überhaupt nimmer los!

Osswald U. Oberfrohna. 3218!

Herzlieb! Nun verliere ich mich schon wieder in Einzelheiten! Ach, es ist zu schön, von dem allen zu träumen. Nichts lieber, als von unserm Wiedersehen träumen und bauen an den Luftschlössern, ach es sind ja keine! Das soll alles Wirklichkeit werden!

Gott helfe uns dazu!

Du Liebster! Ich wollte doch mit Dir heimlaufen, wenn kein Zug mehr führe aus Chemnitz.

Oh, wie schön! Durch den Rabensteiner Wald – ach, der Weg möchte noch so weit sein! Mit Dir braucht er kein Ende zu nehmen!

Du!!! Mit Dir wieder eng aneinander geschmiegt gehen! Wie früher oft, Herzelein! Heimwärts! Heim!! Mit Dir dann unserer Burg zugehen, die nur uns birgt, zwei Glückliche!!

Du! Ein Mondsichlein wird am Himmel stehn zu der Zeit und viele Sterne, die leuchten uns heim!

Oh Geliebter!

Ich weiß nicht wohin vor Jubel, und Glück!

Du wirst mir bald heimkehren!!!!!

Ich glaube 015 [Uhr] geht der letzte Zug heraus.

Ach Du!!! Ich werde bestimmt in Chemnitz sein und auf Dich warten. Es ist doch jetzt nimmer so kalt! Und ich bin sowieso dann vor Erregung und Vorfreude ganz heiß.

Ich muß Dir entgegeneilen!!!

Ach Mannerli! Herzallerliebster Schatz! Denke doch nur! Wir werden uns bald wiederhaben!!!!! Uns innig umfangen! Uns lieb, lieb aneinander schmiegen uns küssen, so innig – und einander liebhaben, liebhaben. Oh, wie will ich Dich glücklich umfangen, mein Alles! Dir in die lieben Augen sehen, ob sie leuchten vor Glück und Freude!

Ach, Deine lieben Hände halten, fest, sooo fest! Ich werde Dich doch garnimmer wieder loslassen!!! Oh Geliebter! Ich kann nicht so lang mehr davon schreiben, wenn mir auch das Herz so übervoll ist! 

Du! Die Sehnsucht wird zu mächtig! Ach, das Brünnlein will doch überlaufen vor Glück. Und ich will doch ganz artig sein! Du!!! Herzelein! Ich habe nun heute Mittag heiß gebadet und noch immer bin ich ncht krank. Ich möchte nur wissen, was mit meinem dummen Bauchel los ist. Es rührt sich nichts! Alles still und friedlich. Nur sehr müde bin ich und ab gespannt. Wie immer vorher.

Ob das Kalendermannerli gar hat auch eintreffen müssen am Freitag? Daß es nun nicht zu mir kommen kann? Ich bin ja gespannt. Soll ich denn im Februar mal garnicht geplagt sein?

Du Mannerli! Mußt bald kommen und nachschaun, was da kaputt ist!

Und dabei war doch Dein Frauchen stets soooooo artig! Nicht mal eine einzige Kniebeuge habe ich geturnt mit den Kindern! Andere Unarten wüßte ich nicht als solche.

Du!!! Es wird schon alles ins rechte Gleis kommen noch. Sorg Dich nicht, mein Lieb! Frauchen hat halt mal nichts abzugeben diesen Monat. -

Ach Du!!! Herzelein! Ich möchte noch lang bei Dir bleiben! Aber ich muß Dir erst mal Gutnacht sagen nun. Es ist schon spät geworden. Und morgen früh will ich muntre Augen haben! Will auch ganz munter Dich empfangen! Herzliebes mein! Ich küsse Dich vieltausendlieb! Gott behüte Dich! Er segne unser Glück! Und lasse Dich heimkehen zu Deiner glücklichen [Hilde]! Ich harre Dein lieb und treu!

Ich bleibe Dein bis in den Tod. Du!!!! Mein!!!

 

[* = Punkt ist als kleiner Kreis gezeichnet um Wichtigkeit zum Ausdruck zu bringen]

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946