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[OBF-430401-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 1. April 1943

Geliebtes, teures Herz! Meine [Hilde]! Mein liebes, teures Weib! Mein liebes Geburtstagskind!

Herzelein! Ich will der Mühe des Geburtstagsbriefes doch gar nicht enthoben sein auch diesmal, wo Hoffnung ist, daß ich den Geburtstag zum allerersten Male mit Dir begehen kann. Will ihrer nicht enthoben sein, weil der Geburtstagsbote ein besonderer ist, an Gewicht und Bedeutung, weil seine Stimme länger nachklingt – und ich kann ja noch nicht nur ganz bei Dir bleiben – Du wirst wieder auf die Kunde und Stimme der Boten angewiesen sein -- und sollst darum auch die gewichtigere des Geburtstagsboten nicht missen.

Herzelein! So leid uns das Schreiben manchmal auch schon geworden ist, weil die Feder dem Fluge der Freude oder der Sehnsucht gar nicht schnell genug folgen kann, so wissen wir doch auch darum, daß das geschriebene Wort eine besondere Macht hat, daß es dem gesprochenen Wort ein manches voraus hat, weil es aus einer anderen Schau entspringt, aus einem Abstand, aus der Ferne. Und damit ergänzt es und weitet es die Schau voneinander, wie es die Schau der Heimat dem ergänzt und weitet, der aus der Enge seines Hofes und Dorfes einmal zur nächsten Höhe steigt und von da Umschau hält und nun seinen Hof und sein Dorf einbezogen sieht in ein Größeres, Weiteres.

Ach, ich schaue mein Herzensfraule aus der Ferne nicht weniger froh als aus der Nähe – und wenn ich ihm einmal ganz nahe langezeit gewesen wäre – dann wollte ich selbst ein paar Schritte zurück gehen, um es mir von weitem zu betrachten und dann desto lieber wieder in meine Arme zu schließen. Sollst dabei nicht daran denken, daß ich verreisen möchte – nein, Du, das werde ich nimmer, das finde ich nämlich gar nicht schön. Aber vielleicht schreiben wir uns auch später noch manchmal ein Briefchen – zum Geburtstag, oder zum Hochzeitstag, oder zum Verlobungstag – stecken es lieb mit zu unseren Geschenken – vielleicht ein wenig absonderlich – aber Du wirst es verstehen. Ja, Herzelein! Will's Gott, hast Du mich bei Dir, wenn Du diese Blätter entfaltest – hast das Mannerli dann aus Nähe und Ferne – und schaust es so ganz. Das ist doch das Schmerzhafte an dieser Zeit der Trennung, daß wir einander nicht ganz schauen und spiegeln können, wenn es uns darnach verlangt. Ach, nur einmal hinschauen, von weitem nur, einen Augenblick – über diesem Wunsch finden wir uns immer wieder einmal – ja schmerzhaft, daß die Ferne und Trennung das Inbild der Nähe verwischt und verblassen und erstarren läßt, daß uns dann nur das starre Bild im Rahmen bleibt, dem doch auch das lebendige Wesen fehlt. Oh Geliebte! Meine liebe [Hilde]! Das mag in diesem Geburtstagsboten mit das erste und wichtigste sein: Gebe es Gott, walte er es, daß ich Dir das Liebste schenken kann – das Kindelein, mein lebendiges Wesen dem Deinen ganz vermählt! Dir dann ganz nahe immer und gegenwärtig! Oh Geliebte! Ich will es, ich wünsche es aus ganzem Herzen! Ich erkenne, wie dann viel Sehnsucht zur Ruhe kommt in Dir und mir - wie damit viel Sehnsucht sich am schönsten und reichsten erfüllt! am schönsten und reichsten sich erfüllt. Geliebtes Herze! Sieh mich ganz, ganz bereit – ich liebe Dich! – ich will ganz Dein Eigen sein! – ich will ganz mich Dir vermählen! Und das wird unser schönstes Stündchen sein am Geburtstage, da wir Hand in Hand, lieb beieinander still lauschen und beten und harren, daß unser Hoffen sich erfüllt haben möge!!! Du! Du!!! Meine liebe [Hilde]! Wir befehlen Gott unser Wünschen. Er weiß, wann die Zeit erfüllt ist — bei ihm steht es, ob wir noch länger harren müssen und reifen – wir sind gehorsam seinem Willen - Die Liebe aber zwischen uns soll nimmer aufhören! Geliebtes Herz! Mein Weg führt nur immer näher zu Dir!!! Herzlieb mein! Wenn die Tage unsres Wiedersehens und Wiederhabens wieder einmal um waren, dann drängte es uns, rückschauend, einander zu bekennen, daß wir es ganz ganz lieb miteinander gemeint haben, daß alle Liebe und Verehrung lebendig gewesen sind – als könnten wir es voneinander nicht ganz gespürt haben, als hätten wir es einander nicht recht gezeigt. Darin zeigt sich der Unterschied in den beiden Schauen, derjenigen der Nähe und der Ferne. Es scheint, daß alle Empfindung, alle hohe Empfindung aus der Ferne in der Nähe nicht so lebendig gewesen sei – aber dem ist doch nicht so. Ach Geliebte! Und dessen möchte ich Dich am heutigen Tage ganz besonders lieb versichern: Ich habe Dich von Herzen lieb! Ich habe Dich so ganz in mein Herze geschlossen! Oh Du! Wo in meinem Herzen die Liebe sich regt, da bist Du! Du ganz allein!!! Ich habe schon oft Dir bekannt, wie sie beim Mannerli sich regt. Sie wandelt es ganz um – ich bin doch nur mit Dir noch ein Ganzes! Sie ruft alles auf an gutem Wollen, an Güte, Verehrung, Schenkenwollen, Zärtlichkeit, an Plänen, an Schaffensfreude, Glaube und Hoffnung, an Sonne des Lebens!!! – Du! Du! Du!!! rufst all das auf in mir! Mit Dir will ich alles nun, freuen, schaffen, leben!!! Mit Dir will ich das Liebste: Heim und Kindelein!!! Mit Dir will ich das Höchste: dies Leben erfüllen, die Liebe vollenden – hin zu Gott! Oh Geliebte! Geliebte!!!

Mit Dir will ich all das! Mit Dir ward all das so lebendig in mir! Mit Dir will ich es vollenden! Und ohne Dich kann ich mir all das nicht denken! So ist meine Liebe zu Dir! Du bist mein liebster Besitz, mein ganzer Schatz, mein Ein und Alles! Ich habe nur Dich! Und will nur Dich! Und wenn ich an Frieden denke, an Heimat, Heimkehr, an Zukunft und Leben, dann denke ich nur an Dich! Du weißt es! Oh Geliebte! Und all die Arme und Sehnsüchte, die sich da öffnen und ausstrecken nach Dir, sie blieben doch nicht leer. Oh Geliebte! Ich halte Dich in meinen Armen! Stolz und glücklich und selig und dankbar zu Gott – Du bist mein! Du bist mein Eigen! Oh Herzelein! Die Sehnsucht hat sich reich erfüllt, und hat sich in der Erfüllung erst recht ausgewachsen – wir haben einander liebgewonnen und ganz aufgetan - mit Dir kann ich mein Leben erfüllen – meine letzte Sehnsucht auch – Dir kann ich sie ausbreiten – Dir vertraue ich bis ins letzte — ich glaube an Deine Liebe und glaube, daß Du ganz lieb, ganz lieb mit mir den Weg zu Ende gehen kannst! Ja, geliebtes Herz! Ich ermesse den Reichtum unsrer Liebe – und liebe Dich darum desto inniger, und halte Dich darum desto fester – und weiß mich gehalten und geliebt — und weiß Dich ebenso erfüllt davon: Diese Liebe ist unser Eigen, unser Schicksal, unsre Aufgabe – sie spannt sich über unser ganzes Leben, sie durchdringt und nährt es, sie ist unsrer Lebens Sonne! Da braucht es kein besonderes Versichern der Treue! Ach, da finden sich unsre Hände und Herzen nur in dem Gebet um Gottes Segen und Gnade, um einen guten Frieden und ein langes Leben Seit an Seite.

Aus solchem Erfülltsein wird uns aber mit Gottes Hilfe auch immer wieder die Kraft strömen zu treuem Ausharren, und Durchhalten, zu Geduld – vor allem aber doch auch, unsre Liebe zu mehren trotz der Ferne – an unserem Leben zu bauen, das Land unsrer Liebe zu bestellen. Daher kommt ja alle Ungeduld, daß wir dies Land noch nicht so bestellen können, wie  unsrer Liebe es vorschwebt, daß dies Bestellen überall dort ruht, wo wir einander ganz persönlich und leibhaftig nahe sein müssen. Aber so ruht alles Schaffen ja überall um uns. Und diese Ungeduld ist ja auch nur Liebe, sie ist doch niemals ein Loswollen von der Lieben, ein Preisgeben des Landes der Liebe. Was bliebe uns denn, wenn wir es preisgäben? – Ach Du! Du!!! Und wie wir es auch betrachten: das Kindelein hülfe auch diese Ungeduld verringern, es brächte uns ein tiefes Hinwenden zueinander, Dir und mir. Im Kindelein wird glückhaft sichtbar unser letztes, höchstes Vertrauen, unser Lieb-zueinander– Drängen, unser Eigensein! Oh Geliebte! Ich bin bereit! Mehr denn je! Zum sichtbaren Zeichen drängt unsre Liebe! Nicht aus Bangigkeit – nicht aus Mißtrauen – unsre Liebe wird nimmer wanken! – aber aus Sehnsucht, aus dem Überfluß. Ach Geliebte, ich vermeine, daß ich schon immer ganz bei Dir war, schon immer ganz zu Dir wollte, daß mein ganzes Sehnen, meine Liebe bereit war, sich in Dein Herz zu gießen – wir wissen darum, daß letzte, feinste Dämme und Riegel sind, über die wir gar nicht Macht haben – und so komme ich wieder ganz zu Dir! Du bist doch das einzige Menschenkind, zu dem ich so kommen kann - sooo ganz, zu dem es mich hindrängt. Oh Geliebte! Und alle Riegel und Dämme, die noch gewesen sein könnten, sie scheinen uns nun beseitigt, und unsre Hände falten sich zum Gebet um Gottes Segen. Ja, ganz bereit wirst Du mich finden – oh Geliebte, lieb und treu nur Dir zugewandt und unserem Glücke, so bin ich hier in der Fremde gegangen - ich kann ja nicht anders, aus Liebe – und Du hast Dich in gleicher Liebe und Treue bereitet, mich zu empfangen. Und so bleibe ich Dein – und meine Liebe wird nicht von Dir lassen. – sie drängt nur vorwärts, immer näher zu Dir! Oh Geliebte! Will’s Gott, bin ich bei Dir, wenn Du diese Blätter empfängst. Und wenn im Jubel des Glückes unser Mund verstummt, wenn in der Nähe unsrer Herzen alles Wissen um unser Glück überflutet wird vom lebendigen Strömen unsrer Liebe – diese Zeichen sollen es Dir künden zu letzter Gewißheit und sollen es Dir bedeuten, wenn ich wieder ferne sein muß: Ich bin Dein! Ich liebe Dich! Aus tiefem, wahren, sehnendem Herzen! Ich will zu Dir! Will Dich ganz besitzen! So wie ich ganz Dein Eigen sein will!

Fordere alles von mir! Halt mich ganz fest! Dann bin ich ganz tief glücklich! Das Sehnen in mir nach der Heimat Deiner. Liebe ist so mächtig - ist so mächtig in mir, Geliebte! Oh Du! Herzelein! Meine Liebe drängt zu der Geborgenheit Deines Herzens – drängt zu tiefster Einsamkeit und Eigenheit mit Dir! Ach, wenn es Dich glücklich macht, Du! Du!!! – so lieb ich Dich! – so muß ich lieben! – und diese Liebe geht all zu Dir!

Ach Herzelein! Was ist das Schönste an der Liebe – daß zwei einander ganz gehören, daß zwei einander ganz erwählen, wenn damit sich erfüllt, was sonst in der Welt nirgends erfüllt ist, wenn damit sich darstellt, rein und leuchtend wie ein Edelstein, was sonst in der Welt so sich nicht darstellen kann: Die Treue. Herzelein, die Treue ist nichts Erstarrtes, sie ist ein Lebendiges, sie ist ein Erfülltsein, – sie ist beständige, dauernde, wachsende Liebe, Liebe des Herzens, sie ist auch Liebe, die immer neu umwirbt, die immer mehr fordert, die immer tiefer will.

Ach Du! Weil ich Deine Liebe habe, bin ich so glücklich. Sie hat mich an Deine Seite geführt – sie hat mein Schicksal gewendet, sie hat mich gewandelt - und ich ergreife dieses Schicksal täglich neu, froh bejahend, ach, voll frohen Glaubens, wie nie zuvor, voll Dank gegen Gott — und das ist wohl rechtes Glücklichsein. Du! Du!!!!! !!!!! !!!

So möchte ich Dich auch glücklich machen, wie ich es bin – immer, immer aufs neue, und immer tiefer! Ach Geliebte! Meine [Hilde]! Ich habe nichts Besseres und Größeres – nimm meine Liebe! Ich weiß nichts Köstlicheres als die Deine! Ach Herzelein, ich meine, sie ist so groß, sie ist größer noch, daß sie Frucht tragen kann – wenn Gott es nur will. Oh Du! So laß Dich lieb geleiten von mir ins neue Lebensjahr! Ich will mit Dir gehen – Dein Leben – mein Leben – Dein Schicksal – mein Schicksal! Herrgott im Himmel! Sieh uns beide stehen! Segne unsre Liebe! Laß sie gute Frucht tragen! Behüte meine [Hilde] auf allen Wegen – bewahre sie vor allem Übel! Führe uns recht bald zusammen zu gemeinsamen Leben in Frieden vor Dir und den Menschen! Amen!

Oh Du! Mein liebes Geburtstagskind! Nun ist doch noch alle Hoffnung, daß ich selber Dir diesen Boten bringen kann – daß ich Dir lieb die Hände drücke, in die Augen schaue, und Dich lieb umfange – ach Du! Du!!! Ich meine es von Herzen lieb mit Dir – und ich weiß nichts Lieberes, als Dir heimzukehren – oh Herzelein! Ich bin bei Dir! Ich kehre bei Dir ein! Ich komme zu Dir!!! – sooooo sooo gerne! Und ich bliebe doch am liebsten bei Dir! Und vielleicht kann ich es, in einem ganz besonderen Sinne!!! Ach Herzlein! Wie ich mich freue, das will ich aber gar nicht länger ausmalen und schreiben – das will ich Dir selber zeigen! Gott erfülle uns diesen Wunsch. Du! Mein Liebes, Liebstes auf der Welt! Mein Ein und Alles! Mein liebes, teures Herzensweib, meine liebe, liebste [Hilde], mein Herzensfraule und Mütterlein – mein Liebstes! mein liebes Gebürtstagskind – Dein Mannerli, Dein Herzensbub wünscht Dir alles Gute!

In Liebe und Treue

Dein [Roland].

Und die Küsse will ich doch selber bringen – Du! Du!! Du!!!!! !!!!!! !!!!!!

Wann bist denn eigentlich vom Himmel gepurzelt? – Wann soll ich denn gratulieren – bei Tage oder Nichttage? – ach Du! Du!!! lauter liebe Sorgen – gelt? – Die mußt Deinem Mannerli aber abnehmen!

Du! Du!!!

[*]

Dein Herzelein –

mein Herzelein –

ein Herzelein!!!

 

[* = es folgen hier am Ende des Briefes drei gemalte Herzen mit Unterschriften, siehe Abbildung]

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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