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[OBF-430212-002-02]
Briefkorpus

112.

Freitagabend, am 12. Februar 1943.

Geliebter!! Mein [Roland]! Mein Herzensmannerli!

Du!!! Nun komme ich zu Dir! Ganz lieb! Du! Ach Du!!!!! Laß Dich nur gleich einmal ganz lieb umfassen, fest! Fest!!! Du allerliebstes Herzensmannerli mein! Hab Dich doch so lange allein gelassen! Du!! So viele Stunden! Hast Du Dich wohl sehr gesehnt nach mir?

Oh Du! Nun bin ich Dir doch ganz nahe, Geliebter! Und wenn Du jetzt bei mir sein könntest, dann wäre ich Dir doch noch viel viel näher! Bin doch jetzt im Engelkleidel! Eben aus der Badewanne heraus und habe mich in die dicke, warme Schlafdecke eingehuschelt. Ich zieh' mich doch garnicht erst wieder an heute Abend, es ist schon 8 Uhr vorbei, ach gleich um 9 Uhr! und mein Mannerli schämt sich doch nicht, w[en]n ein Weibel daneben sitzt im Nachthemdel? Oder doch?! Ach nein! Ist doch sein eigenes, sein eigenstes, liebstes Weibel. Und ich nehm Dich doch nachher gleich mit ins Bettlein zu mir!

Kommst Du wohl mit? Herzelein? Sag! Oder bist Du heute ganz sehr müde und mußt sofort einschlafen, ohne daß Du Dein Fraule wärmen kannst? Du!! Du!!!!! Ich bin sooo glücklich mit Dir! Mein Geliebter! Ich muß Dich ja so so vieltausendlieb haben! Ach!!! Du!!! Du!!!!! Geliebter! Geliebter mein! Mein Alles!!!

Heute ist Dein lieber, lieber Sonntagbote angekommen! Du!!! Ach Du! Tränen der Freude und des Glückes sind mir ins Auge gestiegen. Du bist so froh! Soo froh, Herzelein! Ach, wie hast Du mich lieb! Wie unendlich groß ist Deine Liebe!

Oh, ich weiß, wie groß sie ist. Geliebter! Im Sorgen, wie im Freuen und Glücklichmachen. Du mußt so lieben, so tief und eigensinnig wie ich auch. Und als Mann wohl noch mehr und anders.

Oh Du!

Einziggeliebter mein!

Du hast meinem Mittwochboten in Händen gehabt vorigen Sonntag, den 7. Februar. Darinnen erzählte ich Dir von dem Ausgang meiner Unterredung mit dem Ortsgruppenleiter.

Ach Du! Herzelein! Komisch ist das doch.

Ich habe mich bestimmt auch schon an dem Tage, da ich den Bescheid bekam sehr gefreut und war sehr sehr froh, Dir diese Nachricht geben zu können und es kam über mich wie eine Entspannung, ein Aufatmen.

Aber weißt Du? So recht von Herzen kann ich mich doch nun erst freuen, da Deine Freude mir entgegenstrahlt. Ja! Du!!! Es gibt keine hohe vollkommene Freude mehr ohne Dich, Geliebter.

In allen Dingen ist es doch so. Du bist so ganz in mein Herz und Wesen einbezogen nun, daß ich ohne Dich garnicht mehr sein kann, – nicht froh, nicht traurig. Nein. Es ist alles nur eine Teilempfindung.

Ach Herzelein! Ich konnte auch die Tatsache, daß mich Herr S. nicht hergeben will, nicht fassen, weil die Leute mich ganz verrückt gemacht hatten mit ihrem Gerede. Nicht daß ich aus der Bahn geworfen worden wäre! Aber ich kam dadurch so in Konflikt in mir, ich kam garnicht recht zur Ruhe, wie wohl alles ausgehen werde. Und solang das Arbeitsamt nicht das letzte Wort gesprochen hat, ist wohl die Angelegenheit auch noch nicht amtlich.

Aber ich habe Garantien, daß es uns gelingt, das zu erhalten, worum wir kämpfen.

Du!

Es kam mir vor wie ein Wunder, glaubst? Ich hatte mich so gewappnet im Anblick der Dinge, die da auf mich zukamen. Und nun löste es sich mit einem Male so wunderbar einfach. Ja, ich hätte mit mehr Konflikt und Widerstand gerechnet. Und doch wäre ich auch sehr traurig gewesen, wenn Herr S. mein Amt und meine Arbeit nicht gewürdigt hätte, sondern einfach bedauernd die Achseln gezuckt, dem neuen Gesetz gegenüber.

Aber logisch betrachtet wäre es ja von der Partei aus ein Zuwiderhandeln, gegen das Prinzip; denn das ist ja der Bewegung das Wichtigste, daß unsre Jugend schon hingeführt wird zur großen Idee, zum Nationalsozialismus. Und das ist ja die Grundlage der Deutschen Kinderschar.

Es fragt sich nur, ob die Führung jeweils so eingestellt ist, wie es sein sollte! Du! Ach Du! Ich tue mein Möglichstes. Man empfindet als Frau schon was die Kinderseelen verlangen. Und ich werde mich auch bemühen daneben, nicht anzuecken.

Vorhin kam gleich wieder eine ergänzende Meldung durch den Rundfunk, betreffs des Arbeitseinsatzes.

Die Frauen, die allein zuhaus leben, müssen voll arbeiten. Sie bekommen vom Tage der Erfassung bis zum Antritt eine Frist gesetzt, in der sie alle häuslichen Dinge regeln können, um sich auf die neue Umstellung einzurichten.

Die Frauen, die im Haushalte festgehalten sind, bekommen eine Arbeit, die stundenweise festgelegt wird, jedenfalls aber im Ort und in der Nähe.

Wer einen Schwerkriegsbeschädigten zu versorgen hat, scheidet aus.

Für die Frauen, die Hausangestellte beschäftigen, erfolgt noch eine besondere Regelung.

Ja. Das hörte ich nun wieder zu meiner Beruhigung. Im Grunde genommen brauchte ich da nicht einmal die Kinderschar zu nehmen; denn ich betreue ja den Haushalt zweier Berufstätiger und obendrein ist Vater ein Schwerkriegsbeschädigter (weiß nicht, ob bloß dieser Krieg zählt.) Vater wird als 60 % beschädigt bezeichnet und was über 50 % liegt, gilt als Schwerbeschädigter.

Mag ja sein, daß der Vater keine Rolle spielt, aber die ihn zu Pflegende arbeitet ja! Und er arbeitet ja selber noch.

Also, wie die Dinge bei uns zuhaus liegen, brauche ich wohl nichts zu fürchten.

Du hast keine Ahnung, was unter den Oberfrohnaern für eine Panik ausgebrochen ist, welche Aufregung, seit diese Anordnungen laufen. Und hierbei entpuppt sich so mancher gemeiner [sic] Charakter. Was da so für Redensarten geführt werden und Gespräche! Ein typisches Bild des gewöhnlichen Arbeiters, bereit zu jeder Schlechtigkeit und üblen Nachrede. Selbst in dem Kreis unsrer Singstunde gestern mußte ich hören, wie einige über mir bekannte Leute herzogen. Es ist gemein und häßlich, wer so sein kann.

Wenn ich das anhören muß, steigt mir Scham und heiße Empörung hoch. Mit ihren eignen geringen Maßstäben messen sie andre Menschen. Sie reden daher, wie sie’s verstehen. Es soll jeder am liebsten ein Sklave werden. Das Gemeine zieht eben alles zu sich herab in den Schmutz. Es kennt garnichts andres als sein Mileau.

Ach, es ist mir etwas Schreckliches, mit solchen Menschen sich vertragen müssen und womöglich täglich zusammenarbeiten!

Ich bin heilfroh, wenn ich für mich allein schaffen kann. Mögen sie auch auf mich schief und neidisch sehen, ich will mich nicht mehr beirren lassen. Diese Menschen sind nicht wert, daß man sich ärgert. Sie verstehen es eben nicht. Will ich aber einmal froh sein, wenn ich dieser Umgebung entfliehen kann. Ich mag nur jetzt nicht gleich alle Verbindungen abbrechen mit den Leuten; denn damit schürt man nur den Neid und Haß.

Ach, Persönliches bindet mich ja auch nur mit meinen Eltern und den wenig [sic] Vertrauten. Die andern sind mir ja gleich– gültig, aber sie stören einen manchmal doch.

Oh Mannerli! Wenn wir erst einziehen in unsre Burg! Die erste Zeit bleibt die Zugbrücke gleich oben! Ja? Und dann schaun wie uns unsre Leute aber ganz genau an, ehe wir Freundschaften schließen.

Du! Wie ich mich freue auf den Tag, da Du mich für ganz heimholst, mein Geliebter! Du!!! Du holst mich heim und ich hole Dich heim! Du!!!

Ach Herzelein! Mein Herzelein! Laß uns hoffen!

Gott wird uns nicht verlassen! Lob und Dank sei ihm, dem Allgütigen! So von Herzen dankbar müssen wir wieder bedenken, daß er unsere Dinge in Güte und Gnade gelenkt hat.

Oh mein [Roland]! Wir sind doch rechte Gotteskinder! Daß wir doch allen Kleinmut abstreifen könnten und nur vertrauen ihm allein. Herzelein! Es ist uns heiligste, innerste Verpflichtung, ein Leben in Gottes Namen zu führen.

Wir wollen einander treue Helfer und Stützen dabei sein.

Mein [Roland]! – Ach Du! Ich will heute Abend von alledem, was mir Deine lieben Boten noch dazu sagen, garnicht reden. Ich will mich ganz dem Glück und Frohsein hingeben. Mein Geliebter! Deine Worte all sagen mir daß es ein Ringen war mit Dir selber um die rechte Klarheit. Ach Du! Wer so liebt wie Du, der kann nicht flüchtig und leicht eine solche wichtige Entscheidung abwarten.

Du!!! wie danke ich Dir für alles das was Du mir geschrieben hast. Geliebter! Ich habe so wieder tief in Deine Seele geschaut. Habe Dich ganz gesehen, in Deiner ganzen Liebe und Hingabe zu mir. Und das ist mir doch wieder glückhaft klar geworden: Du bist mein treuer Gefährte in allen Lebenstagen, in allen Schicksalsstunden. Was Gott uns schickt, Liebes oder Leides, ich weiß, Du trägst es in Liebe mit mir. Wie ich alles in Liebe mit Dir tragen muß.

Und dieses Ringen um unseren Besitz, es festigt nur unser Lieben umso inniger! Es führt unsere Wesen immer enger zusammen zu letztem Einssein.

Oh Herzelein! Was uns verbindet, das kann Menschenhand nie und nimmer hinwegreißen! Viel zu fest verankert ist alles, ganz sicher gegründet! Liebe um Liebe! Treue um Treue!

Mein Herzelein! Ich bin ganz sehr glücklich, ich muß es Dir immer wieder sagen! Du!!!

Und wenn ich Dich bei mir hätte, dann müßte ich es Dir zeigen, Du, wie glücklich ich bin.

Herzallerliebster mein!!!

Oh gebe Gott, daß du ganz sehr bald zu mir kommen darfst. Ich sehne mich ja unaussprechlich nach Dir! Du!!!

Weißt Du denn etwas davon, daß Urlaubssperre ist? Ob Euer Feldwebel weggefahren ist?

Du! schon ist der Februar wieder zweistellig! Bald, bald darfst zu das Gesuch vorlegen. Ich freue mich ganz leise erst!!!!! Aber manchmal kann ich meine Freude kaum noch dämpfen. Oh, ich kann ganz lieb Dein warten! Ich liebe Dich so!!!

Herzelein! Ich habe doch heute sieben Päcklein zu Post geschafft. Heute Vormittag buk ich Knusperchen für Dich und Siegfried, den Geburtstagsjungen.

Ich hatte eine Rennerei! Denke nur, die auf der Post dürfen nur 3 Päckel auf einmal annehmen. Na, so ist’s gemeint: 3 Päckel auf einmal an einunddieselbe Anschrift. Da habe ich 4 Herrn E. aufgeschwatzt und 3 habe ich nach Limbach geschafft. Da hatte ich gerade einen Weg zu besorgen. Geheimnis!! Eine Freude vielleicht für mein Manneli, wenn’s auf Urlaub kommt. Eine Freude ist’s ja mehr für mich! Aber ich weiß, Du freust Dich mit an mir wenn Du mich dann schaust, Du hast mich doch lieb! Ja! Ich denke schon soo lange an Dein Kommen, schon seit Weihnachten rüste ich! Ach, eigentlich immer immer! Mein ganzes Dasein ist doch ein Warten auf Dich! Ewig wird es so sein! Geliebter! Ich harre treulich Dein! Dein glückliches Frauchen bin ich! Ganz Deines!!!!

Du! Mich friert nun, Herzelein! Will ins Bettlein kriechen. Aber Dein lieber langer Bote muß nochmal mit! Und dann will ich hinüberträumen zu Dir! Mein Geliebter! Ich bin Dir soooo nahe! Ich liebe Dich unendlich! Ich küsse Dich! Du!! Mein!!!!! Mein!!!!! Und ich bin so ganz Dein! Geliebter!

Gott behüte Dich mir! In Liebe und Treue Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946