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Briefkorpus

[*] Hamburg-Bergedorf, den 3. Juli 1940.

Mein lieber [Heinrich]!

Obgleich ich noch annehme, dass Du heute abend nach Neuengamme kommst, will ich Dir doch schnell noch einige Zeilen schreiben. Es war heute ein ganz angenehmer Tag. Man hat mich heute morgen in eine andere Abteilung gesteckt, und zwar in die Ersatzteil-Abteilung, weil hier alle auf Urlaub bzw. zur Schule sind. So h abe [sic] ich heute einmal ganz etwas anderes machen müssen. Der Dr. hat mich hier andauernd besucht, und mich immer gefragt, ob ich mich denn schon eingearbeitet hätte. Abgesehen von diesen Besuchen ist es hier ganz nett. Man wird wenig gestört, es ist nicht so ein Lärm wie bei uns, man kann seine Arbeiten mehr selbstständig machen, ich meine, man braucht hier weniger Stenogramme aufzunehmen, sondern schreibt Rechnungen, Rote Scheine für die Werkstatt, usw.

Gestern abend um 1/2 12 Uhr sind Mutti und Papa zurück gekommen. Ich war gerade vorher ins Bett gegangen. Marlehn F. und Ilse T. waren noch bei uns und hatten gratuliert. Wir haben dann noch etwas Most getrunken, Kuchen gegessen, erzählt, und da ist es dann etwas später geworden. Oma war schon etwas früher raufgegangen. Als der Besuch fort gegangen war, habe ich noch alle Blumen in die Wohnstube gebracht, habe alles schön aufgestellt. Die Fenster hatte ich verdunkelt, und dann habe ich die Tür zum Flur offen stehen lassen, damit sie gleich den Weg in die Stube finden sollten. Unsere Lampe war schon angebracht. Sie macht sich sehr schön. Meiner Meinung nach können ruhig die gelben Schalen bleiben, ich galube [sic] die sehen besser aus, als die marmorierten aussehen würden. Die Tapete ist schon sehr unruhig durch das viele Blattwerk, da wirken die hellen einfarbigen Schalen etwas ruhiger. Aber Mutti war ja doch mehr für das Marmorierte, und ich glaube, sie will sie später noch getauscht haben.

Gestern nachmittag ist Herr M. mit nach Neuengamme gefahren, und wollte sich Erdbeeren besorgen. Er hat leider nur noch 5 Prug Pfund bekommen. Ich hatte am Tage zuvor 2 Körbe bestellt, aber die Erdbeeren sind plötzlich so wenig geworden, dass Frau E. uns nur noch einen Korb geben konnte. Sie hatten selbst einige eingemacht, und dann müssen sie ja immer eine bestimmte Menge zum Reichsnährstand abliefern. Wir haben noch bei verschiedenen anderen Leuten angefragt, aber nirgend war mehr etwas zu bekommen. Für Fräulein B. sollte ich auch noch welche mitbringen, vielleicht bekomme ich ja morgen noch einige.

Gestern gegen Abend kamen noch verschiedene Leutchen mit Schnittblumen und Töpfen an. Da haben sie also doch etwas davon gewusst. Unsere Stube duftet jetzt wie ein Treibhaus. Anna R. hat Schwertlilien gebracht. Gestern gegen Abend kam noch die eine Kaktusblüte auf, eine herrliche weisse Blüte. Ich habe sie auch mit auf den Tisch gestellt. Mutti hat sich dazu auch sehr gefreut. Günter hatte eine Butterglocke geschenkt, er wollte so gern noch etwas dazu nehmen, wusste aber nicht was. Die andere Butterglocke hatte Mutti vor einigen Tagen kaputt geworfen.

Ich lag gestern eben im Bett, da rüttelte jemand an die [sic] Tür. Günter hattemeiner [sic] Meinung nach einen Schlüssel und Papa und Mutti doch auch. Als das aber nicht aufhörte, bin ich schliesslich runtergegangen, da waren es doch Mutti und Papa und konnten nicht reinkommen. Papa hatte mich [sic] Absicht keinen Schlüssel mitgenommen, hatte auch zu Günter gesagt, dass erdie [sic] Sc Tür auflassen möchte, derhatte [sic] es natürlich vergessen zu sagen, war selbst noch nicht einmal um 12 Uhr vom Dienst zurück. Das ist doch eigentlich unerhört. Da haben wir dann unten noch eine ganze Zeit geklöhnt [sic].Mutti und Papa haben noch Erdbeeren gegessen. Schliesslich kam Günther auch. Er bekam einen Tennisschläger und war sehr glücklich. Als wir dann Oma noch begrüsst hatten, sind wir ins Bett gegangen, kurz nach 12 Uhr. Um 1 Uhr mussten wir dann wieder raus. Da habe ich heute nacht nicht viel Schlaf bekommen, ich bin aber auch furchtbar müde. Gott sei Dank ist es bald Schluss.

Herzliche Grüße

Deine [Hannelore]

[* = Der gesamte Brieftext ist mit der Schreibmaschine getippt, nur Gruß und Unterschrift sind handschriftlich hinzugefügt]

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost