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[NGM-421227-004-01]
Briefkorpus

Nr. 454

Hbg. - Neuengamme, d. 27.12.42.

Mein lieber [Heinrich]!

Bei uns ist es mit einem Mal wirklich Winter geworden, es ist kalt. Am 1. Weihnachtstag hatte es morgens schon gefroren, bis heute hat sich der Frost nun erheblich gesteigert. Heute morgen um 9 Uhr hatten wir noch 6° Kälte. Ich merkte es schon im Bett, daß es bedeutend kühler sei. Morgen muß ich nun wieder nach Hbg. zum Arzt, hoffentlich ist es dann nicht ganz so kalt, aber Gott sei Dank fahre ich erst nachmittags u. brauche morgens um 7 Uhr noch nicht los. Am Telefon wurde mir neulich gesagt, Dr. F. selbst sei eingezogen, Sprechstunde sei nur vormittags. Als ich nun neulich da war, fragte ich die Gehilfin so nebenbei, ob Dr. F. überhaupt nicht da sei, die erzählte mir dann, er käme nachmittags, so gehe ich nun morgen nachmittags hin, denn ich möchte doch schließlich auch von ihm behandelt werden, u. nicht nur von der Vertretung, es war eine Dame, u. ob die auch die besonderen Fachkenntnisse besitzt, ist fraglich, denn Vertretungen werden jetzt im Krieg doch sicher ziemlich wahllos getroffen. Morgen will ich nun die schönen Stiefel von Dir einweihen, bei der Kälte tun sie sicher gut. Ich habe sie heute schon an wegen des Einlaufens. Jetzt freue ich mich eigentlich erst richtig dazu. Ich habe eine warme Sohle u. meine Einlagen hineingelegt, u. nun passen sie vortrefflich. Ich hatte sie mit auf den Weihnachtstisch gestellt, alle waren begeistert. Als ich sie nun heute anhatte, meinte Mutti, solche könnte sie auch noch gebrauchen. Sie brauchten nicht mit Fell zu sein, zum Geburtstag könntest Du ihr die schön schenken. Es gibt wohl nichts, was nicht auch Muttis Begehren erweckt, wenn sie es bei anderen sieht. - Aber eine Wäscheleine könntest Du für uns mal besorgen, wenn´s da noch eine gibt. Am 24.12. habe ich übrigens wieder die RM 15,66 eingezahlt. Zigaretten werde ich auch wieder an Dich abschicken, die 100 g Sperre ist ab morgen ja wieder aufgehoben. - Gestern habe ich das Buch gelesen: „Die kleine Chronik der Anna Magdalena Bach“, Papa wollte es heute Mariechen in Nindorf mitnehmen, ich kannte es nicht, hatte aber schon viel davon gehört. Es hat mich sehr interessiert. Heute habe ich nun den ganzen Nachmittag Strümpfe gestopft. Puppe wiegt noch immer 13 , ich glaube, vor 4 Wochen wog sie es auch schon. Das Trinken will u. will nicht besser werden. - Es ist schon wieder ½ 11 Uhr, u. ich bin schrecklich müde. Wie sind Dir denn die 3 Sonntage bekommen? Hast Du feste geschlafen?

Einen süßen Gute-Nacht-Kuß schenkt Dir

Deine [Hannelore] u. viele liebe Grüße

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost