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[OBF-410724-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 24. Juli 1941.

Geliebter Du!!! Geliebter!!! Mein [Roland]! Herzlieb!!!

Wir haben heute den 24. 7., das sind zusammen 31 – das ist ja unsre Zahl! Du!!! Du!!! Du!!! Ich habe beinahe vorausgeahnt, daß heute etwas ganz Besonderes geschehen muß! Du!! Du!!! Die 31, 13, die geht nun mal mit uns – und wenn sie auf dem Plan steht, dann kann man mit ziemlicher Gewißheit [s]agen: da tut sich was zu unsrer Freude!

Geliebtester! Wo soll ich denn nur zuerst beginnen? Du bist ja heute mit einem solchen Ansturm von Liebe und Zärtlichkeit und Überraschung zu mir gekommen! Sodaß [sic] mir im Moment die Sprache versagte! Ja ja – so war es, Dickerle! Und als ich die Sprache gegen 9 Uhr wiedererlangte, als Mutsch heimkam zum Frühstück, und ich ihr atemlos erzählte, daß sich mein Herzensschätzelein angemeldet hat! Richtig schon angemeldet zum baldigen Urlaubsbesuch! Du!!! Da wußte ich doch vor lauter Freude und Jubel nicht wohin!! Ach, nicht wohin!!! Die große Freude löste sich erst, als ich mich der Mutsch mitgeteilt hatte! Ach Herzlieb mein! Du!!! So soll es Wahrheit werden? Und Du kommst wahrhaftig zu mir!! Zu mir!!!!! Ich las Deine Boten vom Sonnabend/Sonntag noch und noch einmal! Geliebter! Ich habe vor Freude weinen müssen! Ach Du!!! Ich will doch garnicht weinen! Du!!! Und wenn Du kommst, wenn ich Dich abhole, wenn Du bei mir bist, dann will ich doch erst recht nicht weinen! Ach nein!! Hellster Jubel und Freude sollen in mir sein, ich will Dich anstecken mit meiner Herzensfreude, daß auch aus Deinen Augen hellster Glücksstrahl leuchtet! Ach – daß wir einander erst anstecken müssen, das glaube ich ja nicht!! Wir werden Mühe haben, einander festzuhalten, daß nicht eines vor Jubel und Freude in den Himmel hüpft! Du!! Du!!! Wie will ich Dich fest halten, an der Hand, wenn ich Dich abhole! Ja Du!!! Herzlieb, ich will Dich abholen! O ja!! Bitte, bitte, bitte!!!!! Wenn es nur irgend möglich ist! Und wenn Du erst nachts in Dresden ankommst! Du!!! Ich will Dich erwarten! Ich kann ja kaum mehr länger warten Dich wiederzusehen! Und wenn ich Dich 3 lange Tage und Nächte unterwegs weiß – zu mir! Und ich sollte daheim warten! Alle 3 Tage lang! Ich hielt es ja nicht aus Geliebtester!!! Ach – ich will kommen! Ich muß kommen! Du!!! Und wenn ich auch schon lange zuvor da bin und warten muß! Ich will mir schon die Zeit vertreiben – vielleicht besuche ich unterdessen mal Frau K. – aber, wenn Dein Zug einfährt, Du!! Oh Du!! Dann muß ich da sein! Und wenn’s nachts ist – Geliebter! Ich fürchte mic[h] nicht! Und ich bin ja bei Dir dann! Du!!! Vielleicht können wir auch noch bis Chemnitz fahren? Daß Du doch eher in Dresden bist? Ach Du!!!

Ich verliere mich ja schon in Einzelheiten! Du!!!!! Herzlieb! Du wirst schon Wege finden, daß Du mich telegraphisch von Wien aus erreichen, benachrichtigen kannst! O ganz gewiß! Und dann komme ich gleich angebraust!!! O ganz schnell, schnell!!! Du!! Geliebter! Mein [Roland]!! Herzlieb, Du!!! Ich bin ja schon heute ganz närrisch vor Glück! Ach Du – wie soll ich bloß die Tage bis dahin verbringen? Wie soll ich das letzte Warten nun aushalten? Du!!! Ich habe eben auf dem Kalender abgezählt! Du!!! Noch 33 Tage, dann fährst Du ab – noch 36 Tage – dann bist Du bei mir! Bei mir! Oh – ich vermag es doch kaum zu glauben. Gebe der Herrgott seinen Segen zu unserm heißen Wünschen, ach schenke er uns die Freude des Wiedersehens in Gnaden!

Geliebtester! Du!! Du!!! Du!!! Am 26. fährst Du ab – das sind zweimal 13! Ach Du!! Wenn’s nur beim 26. bleibt; dann darfst Du gewiß fahren!

Und der Kalendermann? Muß gleich mal mit ihm reden! Noch einmal muß ich krank werden, am 14. August – dann erst wieder am 11. September. Und wenn alles gut geht, muß mein Lieb am 12. September wieder in die Fremde fahren – ach ja – aber nicht für immer!!! Und da hat es unser alter braver Kalendermann so eingerichtet, daß wir am letzten Tag unsres Beisammenseins ganz fein artig sind! Mein Herzlieb muß doch auch recht gut ausgeruht sein für die lange Rückreise! Darf’s nicht verschlafen! Sonst fährts’ womöglich mit zu den bösen Russen! Ach, bis dahin ist gewiß in Rußland Frieden – 4 lange Wochen, bald 5 Wochen! Oh, da kann viel geschehen! Aber auch Böses kann geschehen, neues Unheil, möge es der Herrgott verhüten!

Die Engländer versuchen immer wieder, fast täglich mit der Luftwaffe über den Kanal her einzudringen, sie vermuten all unsre Abwehrkräfte im Osten! Und heute Nacht haben sie wieder im Raum von Calai [sic] bis Ostende angegriffen und dabei eine derbe Niederlage erlitten! Waren es 56 Flugzeuge, die sie verloren? Ich weiß im Moment garnicht. Und gestern meldete der Rundfunk, daß sich Stalins Sohn mit einer Armee ergeben habe! Wenn doch bald dieser Grausamkeit da im Osten ein Ende gemacht würde! Zu fürchterlich alles! Aber Herzlieb! Heute will ich doch mit Dir von unsrer großen Freude reden – ich glaube, wir haben trotz der ernsten Zeit ein Recht darauf! Ja? Geliebter!!

Am 28. Februar dieses Frühjahr, ein Freitag war’s auch, da mußte ich Dich wieder fortbringen nach Eckernförde. Ich weiß es noch ganz genau – ach, es tut so weh, das Abschiednehmen. Und als Dein Zug aus der [Ha]lle fuhr, da kamen mir die so tapfer zurückgedrängten Tränen unaufhaltsam über die Backen gelaufen – ich war am Ende meiner Beherrschung.

Ach! Davon mag ich ja heute noch nicht reden – davon will ich überhaupt nie mehr reden, das mache ich allein mit mir ab. – Du!!! Herzallerliebster! 28. Februar – 28. August! Du!! Alle Achtung! Die Marine hält ihre Abstände von Urlaub zu Urlaub fein pünktlich ein!! Wenns' nur immer so bleibt.

Ich hoffe jedoch, daß Du nicht mehr länger als noch einen Urlaub dieser Truppe angehörst!!! Dann gehst Du freiwillig zurück zu den Zivilisten ja?! O, ich habe doch Deine Sommerzivilistenuniform schon längst in Paradeglanz geworfen! Brauchst Dich bloß bei der Marine abzumelden! Du!!! Lockt Dich mein Werben denn kein bissel? Du!!!

Na – ich will fein brav warten, mit all den Weibeln die allein sind und die ‚Ziviluniform' hüten! Du!! Weil wir nun gerade beim Bekleiden sind, da knüpfe ich hier gleich die zweite große Freude des heutigen Tages an! Ich weiß nämlich heut vor lauter Freude garnicht, wo ich anfangen soll mit Erzählen! Es war ½ 11 [Uhr] am Vormittag, ich putzte eben die Stubenfenster und sah unten den Postwagen vorbeifahren. Dachte bei mir: wenn Dir jetzt einer eine Kiste Kernseife schickte, da wärst ja froh!

Weil ich mich mal wieder abschinden mußte mit dem Schmutz – ohne Seife. Und im Moment klingelt es – und der Bote bringt ein Paket! Ein Paket!!!!! Ich war ganz verdattert, wie im Märchen,: „kaum tat [e]s einen Wunsch, da war er auch schon erfüllt!!" Vom Hubo! Vom Herzlieb! Ich hatte ja keine Geduld, die Schnüre zu lösen! Schnipp-schnapp, mit der Schere durch!! Bist bös? Du?!!

Und – oh Wunder!!! Geliebter! Mein schönes Hochzeitsgeschenk! Du!! Ich war ja sprachlos! Ich ließ alles stehen und liegen – zuerst mußte ich Generalprobe halten!! Zuallererst las ich Dein liebes Begleitschreiben! Du!! Hab Dank! Hab tausend mal lieb Dank! Herzensschatz!

Ach – wie kostbar ist die Stickerei! Wie schön!! Kelim-Arbeit, ich kenne es – hab’s auch schon g[e]stickt! Wie mühsam, die Herstellung! Das ganze Kleid ist ja mit der Hand gemacht, nicht nur die Stickerei! Auch alle Hauptnähte sind handgenäht! Das wäre ja hier im Preise unerschwinglich! Und mein lieb’s, herzlieb’s Mannerli hat soo geopfert, daß es mir diese große Freude bereiten konnte!

Ich freue mich ganz tief, ganz sehr Geliebter!! Es ist eine Kostbarkeit, eine Seltenheit! Das Kleid! Nur unmöglich in der Machart – in der Länge und Weite – wir müssen es vollständig umarbeiten!

Das tun wir von Herzen gerne! Und die Stickerei wird dadurch garnicht beeindruckt. Ich mache es ganz kurz – also: in Maßen! Und lege den Rock in lauter kleine Falten; damit er nach unten schön fällt und die schöne Kante zur Wirkung kommt, steppe ich alle Falten bis zur halben Hüfthöhe – das ist Fachsimpelei – das wirst wohl kaum kapieren, gelt?!! Aber! Du!!! Des sollst Du froh gewiß sein! Mutsch und ich werfen Dir ein Kleidel hin, woran Du sollst Deine Freude haben. Als ich mich der Mutsch heute in der vollen Länge vorstellte, da hat sie gelacht! Ich sähe aus, wie Dreschers Mädls [sic]! So lang und altmodisch. Beinahe hätte ich mich geärgert, wenn meine Freude nicht so groß gewesen wäre, a[n] Deinem schönen Geschenk! Und Herzlieb! Deine heimlichen Wünsche dazu! die erfülle ich Dir! O ja! Du! Du!!!

Und noch solch schöne Bluse! Ich freu’ mich so!!! Fein sieht sie aus! Die paßt nun schön zum braunen Rock mit dem Westchen! Die blaue zum blauen Rock! Ach – mein Schrank füllt sich! Sieht nicht aus wie Krieg – oder Punktknappheit! Du!!!

Du hast aber heut’ Dein Weibel ganz närrisch gemacht vor lauter Liebe und lieben Überraschungen! Jetzt muß ich Dich doch erst mal ganz lieb und fest und tüchtig und lange drücken und küssen und liebhaben – oh und liebhaben auch. Geliebter!! Geliebter!! Dank und Liebe wollen verströmen – hin zu Dir drängt alles in mir! Laß Dich herzen und küssen! Laß Dir herzinnig danken! Du mein Sonnenschein! Wie lieb hab['] ich Dich, mein [Roland]! Sooooo sehr, sehr lieb! Komme bald zu mir, daß ich Dir meine Liebe bringe! Du!! Du!!! Ich küsse Dich voll Liebe und Dankbarkeit! Mein über alles geliebter [Roland]. Der Herrgott sei mit Dir alle Tage! Er lasse Dich froh und gesund zu mir heimkehren!

In unwandelbarer Liebe und Treue Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946