Donnerstag, den 31. Oktober 1940.
Meine liebe, geliebte [Hilde] Du! Herzallerliebste, Holde mein!
Du! Jetzt habe ich ein paar Stunden frei ganz für Dich! Es ist 3 Uhr am Nachmittag. Eben ist ein Teil der Gesellschaft abgerückt zum Nachfeiern nach Strande. Da hätte auch ich mitgemußt. Aber in letzter Stunde stellte sich heraus, daß unsre Stube noch einmal Wache stehen muß. Ich bin nicht dran. Habe aber mit einem getauscht und eine Wache übernommen. Nun kann und muß ich dableiben. Die Wache stört mich nicht. Die Nachtruhe ist heute sowieso gestört. Zum Überfluß ist heute ab 3 Uhr auch noch Variété. Darauf verzichte ich gern, weil ich nun mit Dir ein wenig allein sein kann. 5 Mann sind wir jetzt im Zimmer. Ich sitze an der langen Back (Tisch) in der Nähe des Ofens. Es kann mir keiner über die Schulter blinzeln. Eben habe ich Deinen lieben Boten empfangen. Du! Ja, was fangen wir nun gleich mal miteinander an? Du!? Deine Bilder kann ich jetzt nicht aufstellen. Vielleicht heute nacht in der Wachstube. Wachestehen müssen sie auf alle [F]älle, vielleicht auch ein bissel mit frieren. Der Hubo hat kein so warmes rundes Herzel zum Reinstecken, da fällt alles gleich durch bis zum Achtern, aber vorn, weißt? Wenn ich dann heut nacht vor unseren Bildern sitze, will ich prüfen, was Du mir schreibst. Ich habe jetzt so zusammengestellt:
1, Dein Brustbild von früher (das gefällt mir so sehr) und mein Scheitelbild (weißt, auf dem mein Scheitel zu sehen ist). 2, Dein neues Brustbild mit meiner anderen Aufnahme. 3, Deine beiden Halbaufnahmen. Aus dem 1. Bildpaar spricht mir soviel Ähnlichkeit und die Eigenart von Mann und Weib zugleich. Du! Wie ich Dich so sehr liebe!! Schäfel, hast Dir wohl gar nicht recht überlegt, womit Du mir drohst? Hast in Deinem Eifer ganz vergessen, daß Du mein Weiberl bist? „Alles, was Du Dir vornimmst beruht natürlich auf Gegenseitigkeit!!“ Schäfel, Du! Wenn ich nun Dein lieb[’]s rundes Herzel, drücke, mein Herzel, Du? Ätsch. — Und wenn Dein Dickerle mit dem Schlüsslein droht, Du!! was ist denn dann auf der Gegenseite?? Wenn ich nun auch nicht weiß, was da noch Böses im Hinterhalt lauert – „Ich . . . . . . !!“, so scheint mir aus anderen Worten hervorzugehen, daß es mit dem Widerstand gar nicht so ernst gemeint ist. Aber wo auch immer Widerstand sich bieten sollte, er wird gebrochen werden, und sei es in einem Dreißigjährigen Kriege, Du!
Ja, Du, mein liebs böses Weiberl! Je mehr Du drohst oder je mehr Du Dich zur Wehr setzt, desto heftiger wird der Angriff. Ja, Du, Dein Dickerle ist im Angriff, Du! Und schießen kann er auch, 13 schießen kann er, Du! 12 Ringe sind auf der Scheibe. Dein Hubo trifft nicht nur ins Schwarze, er trifft bis mitten ins Herzel, ins Herzel seiner lieben, lieben, liebsten, allerliebsten [Hilde]!! Und je mehr sie sich versteckt und zusammenrollt ins Runde und Mollige, desto eifriger und wilder wird der Schütze!! _____ Ja, wo steckst denn jetzt, Herzliebes? Hast Dich gleich verkrochen vor Deinem Wildschützen? __ Weißt doch noch, wie ichs meine? Wie so gut ich es mit Dir meine? Du!! Wie ich mich nach Dir sehne?!!! Mußt bald, recht, recht bald einmal kommen, damit Du wieder lernst, wie es Dein [Roland] meint. Ich glaube fast, mein Herzlieb hat sich noch viel mehr vorgenommen. Ganz, ganz leise will Dein Hubo küssen. Und Du? – Und womöglich gleich auf offenem Markte! Es steht nichts davon in den Marinebestimmungen. Muß ich mich nicht rechtzeitig zur Wehr setzen und mich kratzbürstig und bärbeißig stellen? – Geliebte! Der letzte Bote nun, der hier von Bülk abgeht. Wenn er reisefertig ist, wird das Schreibzug mit als letztes zum Gepäck getan, und als erstes wird es wieder heraufgeholt. Viel Boten meiner Liebe und Sehnsucht will ich Dir noch schicken, bis – ja bis wir uns wiedersehen, Du! So oder so. Wann wird mich Dein lieber Bote wieder erreichen? Du!! Wirst erschrecken über ein Telegramm, wenn ich eins schicke? Du! Ich will [^] doch recht bald wieder einen lieben Kuß haben!! Wo werde ich morgen sitzen, um mit Dir zu plaudern? Nun will ich erst mal auf Deinen langen Brief eingehen. Herr Hoffmann ist also bezahlt.
Dem Möbelhändler sollst nun sagen, daß ich eingezogen bin. Er wird sich doch freundlich stellen. Ich denke, wir bezahlen ihn nun auch.
Von Mutter erhielt ich einen langen Brief. Darin schrieb sie mir von der mexikanischen Hochzeit. Sie fühlt sich nach dem lieben Besuch allein. Elfriede hat geschrieben, daß sie von Deinem Besuch in Großdehsa alle sehr erfreut waren, daß sie sich glücklich schätzen, solch liebes Mädel in ihrer Verwandtschaft haben. Soll ich da nicht ein wenig eifersüchtig werden? Du! Mit Deinen lieben Wünschen auf den Weg will ich schon gut ankommen. Heut abend muß ich also noch einmal Wache stehen, wieder dieselbe Zeit wie damals, über Mitternacht. Einen Traum will ich Dir schicken, Du, einen ganz, ganz süßen! Muß Dein Hubo dann dabei sein? Ach Geliebte! Der steht scharf bewaffnet und gepanzert vor dem Schilderhaus, und muß – er muß, Du! – hier bleiben, und wach bleiben. Weißt, den Boten mache ich fertig heut morgen, zwischen ½ 5 und ½ 7 Uhr, da habe ich Läuferdienst. Gut Nacht! Mein liebes Herz! Ich bin bei Dir, Du!!
Geliebte! Holde! Du mein liebes, teures Herz! [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]
In der Wachstube sitze ich jetzt zwischen 5 + 7 Uhr. Vor Tinte und Feder. Gleich greife ich zu, um mich wieder einmal in dieser Kunst zu üben. Von Deinem Schreibersoldat bekommst nun vielleicht alle Briefe in Tinte. Es hat mir ohnehin leid getan, daß ich alles mit dem vergänglichen Bleistift schreiben mußte. Darfst mir alle Feldpostbriefe zurückschicken, ich schreibe sie Dir in Tinte um. Einen gescheiteren und wichtigeren Dienst kann ich als Schreiber gar nicht leisten.
Herzliebes! Was schreibe ich denn nun gleich mal?
Du! Liebste! Geliebte! Herzallerliebste! Holde! Meine liebe, liebe Frau! Mein liebes, schönes, süßes Weib!
Mein bester Kamerad! Meine liebe, liebe, liebste [Hilde]! Du! Du!! Ich küsse Dich, Du! Das liebe Köpfchen in meinen Händen. Du! Jetzt! Ganz, ganz leis. Und jetzt nimmt Dein Hubo das Mündchen wieder weg – halt ihn nur fest! – jetzt kommt er wieder – leis, ganz leis – und nun zittert und bebt es vor Freude – und nun wirst ungeduldig und unruhig, – und der Hubo zieht das Mündchen wieder weg – und kommt wieder, kommt wieder, o Du, wie gern er kommt, wie gern, wie gern, vielvielemal! [sic] – Du! bis die beiden Mündchen ganz zusammenpassen, bis sie nicht mehr voneinandermögen [sic], bis sie in eins münden, Geliebte! So fest, so tief, so süß! O Du! Geliebte!
Behüte Dich Gott! Auf allen Wegen! Er segne unseren Bund und führe uns recht bald wieder zusammen! Er erhalte Dich mir froh und gesund! Und wir beide wollen nicht aufhören, ihn zu bitten, zu loben und zu danken.
Auf Wiedersehen, Geliebte!
Ich bin Dein [Roland], Dein Hubo, Dein Dickerle!
Ich komme zu Dir mit aller Liebe, deren ich fähig bin, zu Dir!
Nimm sie an, Herzliebes!
Ich bin Dein [Roland]! Ich kann nicht anders. Ich mag niemals anders als Dir gehören, Dir allein für alle Zeit!
Ich bin so sehr glücklich mit Dir, Geliebte!
Du weißt es. Du weißt, wie ich an Dir hänge, wie fest ich Dich halte, wie ich Dir ganz vertraue, wie ich Dir mein ganzes Sein und Wesen weihen will, wie Du mich ganz erfüllst!
Du, Liebste! Herzallerliebste! Wir wissen es beide: Wir gehören zusammen unzertrennlich. Wir können nicht mehr voneinander. Uns[e]re Seelen und Leiber sind unlösbar in einanderverschlungen [sic]. Niemand kann uns auseinanderreißen. Gott sei uns gnädig!
Du! Du!! ich küsse Dich! Ich bin immer bei Dir! Und manchmal ganz nahe, Du! Holde! Ich liebe Dich, Du!
Ich liebe Dich ganz sehr!! Meine liebe, gute [Hilde]!
Ich bleib Dir treu für alle Zeit, bleibe treu nur
Dein [Roland]!
Und Du bist mein! Ganz, ganz, ganz mein!!
Bitte grüße die lieben Eltern.
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946