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[OBF-401108-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 8. November 1940

Herzallerliebste! Meine liebe, liebe [Hilde]! Holde mein!

Vor acht Tagen war ich nun ganz neu hier. Jetzt bin ich schon ein wenig heimisch hier. Das heißt nicht, daß mir alles gefällt, aber ich bin mit dem wichtigsten vertraut, mit den Lebensgewohnheiten hier und auch mit etlichen Obliegenheiten meines Dienstes. Es gibt hier kein fließend Wasser. Das ist ein großer Mangel. [T]äglich kommt von Pferden gezogen ein Wasserwagen. Man bohrt dicht nebenan schon lange an einem Brunnen. Mit dem Wasser hat es in Norddeutschland überhaupt seinen Haken. Ein paar Verbesserungen mögen auch verzeichnet sein: Früh können wir uns Brötchen kaufen in der Kantine.

Der Schreibersmaat (= Uoffz.) ist jetzt in Urlaub gefahren nach München. Deshalb habe ich nun schnell ein paar Aufgaben übertragen bekommen, mit denen ich gut fertig werde.

Die vergangenen beiden Nächte war vollkommene Ruhe. Letzte Nacht hat es [h]erzlich geregnet. Meist gegen 4 oder 5 Uhr werde ich munter, dann muß ich mal hinauslaufen, und dämmere dann bis zum Werken so hin, ohne wieder richtig einzuschlafen.

Heute, Herzliebes, blieb Dein lieber Bote aus. Dafür kam eines der längst erwarteten Pakete, das mit dem Pfefferkuchen. Sei recht sehr bedankt dafür.

Wie Du unterdes zur Kenntnis genommen haben wirst, habe ich an die Eltern einen Brief geschrieben. Wirst gestern abend in der Singstunde gewesen sein beim neuen Kantor?

Heute schrieb mir Mutter aus Kamenz. Ihr Brief enthielt weiter keine Neuigkeiten. Sie erinnert mich an Hellmuths Geburtstag. Hellmuth schreibe jetzt manchmal recht mißgestimmt und mache sich Sorgen um sein Fortkommen. Das wundert mich nicht. Er tut mir recht leid. Elfriede wird ihn zu seinen Geburtstag nicht besuchen können, da er sich auf einem Lehrgang von 4 Wochen befindet. Ich will heut abend noch ein Briefchen nach Hause ablassen. Ich werde auf Deinen Wunsch und Deine Fürsprache eines meiner Bilder (das Dunkle) beifügen, den Eltern zur Freude. Du hast recht: Was Dir das Bild sagt, kann es sonst niemandem sagen.

Hast eigentlich den Brief mit den Bildern von der Vereidigung bekommen? Ich glaube, bis jetzt ist von unsrer Post noch nichts verloren gegangen. In Bülk beklagten etliche Kameraden den Verlust gerade von Freßpaketen. Manchmal werden auch Brief zur Kontrolle geöffnet. Sie sind dann mit einen Stempel verstehen. Na weißt, wenn sie da so einen ohne jeden Zusammenhang von uns erwischen — — was werden sie da so denken?

Liebesleute! Sind wir ja auch, Du! Bleiben wir ja auch! Ja, Du? Ach Herzliebes! Wieder einen Tag unserem Wiedersehen näher. In 14 Tagen, will's Gott, bist  bei mir, meine liebe [Hilde]! Nahe, ganz nahe sind wir uns wohl auch in unseren Briefen. Wir können nicht aneinander vorbeileben. Aber es ist doch ganz anders, wenn wir einander sehen und fühlen und umschlingen, Du! Und wenn wir uns hören und miteinander erleben. Du! Die meiste Zeit bisher lebten wir getrennt! Wann wird der Tag anbrechen, da wir einander ganz gehören, und getrost in eine bessere friedliche Zukunft blicken dürfen? Gott gebe, daß er nicht mehr so ferne ist! Die Zeit, da Du Dich auch als meine tüchtige Hausfrau, und ich mich als Dein lieber, guter, häuslicher Mann erweisen kann.

Herzliebes! Mit Sehnsucht schaue ich aus nach diesemr Tag [^]Zeit; viel, viel Freude mag sie in sich bergen! Du! Herzlieb! Geliebte! Fragst Deinen [Roland], ob er auch noch am Deinen heimlichsten Herzenswunsch denkt? Du! Nie könnte ich ihn Dir versagen?, und keine größere Freude für mich, als ihn Dir zu erfüllen. Aber mehr: Du weißt, es ist doch auch mein Herzenswunsch. Besinnst Dich auf die Briefe, in denen ich davon schrieb? Ich möchte noch viel dazu sagen und schreiben; aber es ist nicht genug Andacht dazu. Ganz leis, Du, wollen wir uns davon, erzählen, wenn Du bei mir bist, und es uns dazu drängt!! Wenn Du bei mir bist!! Ach Du! Schon manchmal habe ich gedacht: wie wenig haben wir die lange Zeit unsres letzten langen Beisammenseins genützt! Wenn wir gewußt hätten, was unsrer wartete? Aber es ist wohl nicht recht, so zu denken.

Am Sonntag wird Dich mein Bote treffen. Wirst noch im Bettlein liegen? Wann stehst eigentlich auf jetzt? Mit Deinem Hubo um 7 Uhr? Ist ja noch ganz finster um diese Zeit. Am Sonntag werde [ic]h versuchen, wieder meinen Nachmittagsurlaub zu erhalten. Mein erster Gang wird zu unserem Häuschen sein. Ich werde unser Stübchen sehen. Dann will ich mich in Eckernförde mit den Kameraden treffen. Dein Gedächtnis, ich staune!: Was Du da von Hengst erzählst, ist mir sehr interessant. Ich werde es am Sonntag vorbringen. Herzliebes! Mußt Deine Sonntage auch so einsam verleben! Wirst doch vielleicht schon bißchen Reisedrasch haben und damit doch einige Freude.

Behüte Dich Gott! mein Lieb. Grüße die lieben Eltern!

Dein [Roland] ist immer bei Dir in Gedanken! Er freut sich so [a]uf Deinen Besuch! Glaubst ihm das, Du?!! Glaubst ihm, daß er seine Holde so sehr lieb hat?!! Glaubst ihm, daß ihm seine liebe, gute Frau, sein schönes junges Weib über alles geht?!! Daß es ihm alles bedeutet in dieser Welt?!! Du! Geliebte! Ob ich Dich noch küssen kann? Du? — Ob ich Dich noch drücken kann? Liebes? — Du!! Ob ich das Gärtlein noch finde? Ob das Schlüßlein auch paßt? — Du!! Dein Hubo ist noch kein Meister im Lieben. Aber er will es werden, hörst Du?!! Er will Dich ganz glücklich machen!!!

Herzallerliebste! Ich bleibe in großer Liebe und steter Treue

Dein Hubo, Dein Dickerle, Dein [Roland]!!!

Und Du bist meine Holde!!! Ganz? Ganz meine Holde!!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946