Bitte warten...

[OBF-410407-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 7. April 1941.

Mein geliebtes Herz! Du mein lieber, liebster [Roland]! Herzallerliebster!!

Es ist morgens genau 9 Uhr. Ich sitze jetzt in der Stube am Tische, der Maler regiert in der Küche, und ich will mich warm schreiben, Du!! Es ist so kalt wieder hier, seit gestern – Feuer kann ich hier drin nicht auch noch anmachen, da reichen wir nicht mit den Kohlen aus. Es ist ausgeschlossen, daß die gemalten Wände heute lufttrocknen, draußen regnet es herzlich mit Schnee vermischt und wir können das Feuer nicht ausgehen lassen in der Küche. Bin gespannt, ob er heute fertig wird mit allem.

Der Vater hat diese Woche Nachtdienst, jetzt eben ist er für die NSV sammeln. Die Mutsch arbeitet. Und ich bin im Moment noch frei von Arbeit – es ist noch nicht so weit mein Stündchen schlägt später! Meine Hausarbeit am Morgen habe ich beendet und was täte ich denn lieber, Du!! als mit Dir plaudern! Herzlieb!! Wo wirst Du wohl jetzt um diese Stunde sein? Eben habe ich auf die Wiederholung der 7 Uhr Frühnachrichten gehorcht. In Belgrad ist der Kampf im vollsten Gange – Bahnhofsgelände schwer zerstört – 24 feindliche Flugzeuge im Luftkampf abgeschossen – weit über 40 am Boden zerstört.

Ich bin richtig froh, daß wir das Radio haben, ich hielt es ja garnicht so lange aus bis die Zeitungen schreiben was geschah, nun – wo ich Dich mit dabei weiß, mein Herzlieb! Gestern abend, es war zwischen 10 und 11 Uhr, da hat es mich eine ganze Weile so heftig geschluckt – ich dachte sofort an Dich. Ob Du wohl wieder mit in Marsch gesetzt worden bist? Ach ja, das wird nun noch eine Zeit die ewig unruhige Frage sein, die mich beschäftigt. Es werden noch eine ganze Reihe solch kritischer Tage kommen, bis alles eine bestimmte Wendung in der Kampfhandlung genommen hat. Geliebter!

Laß uns ganz stark sein miteinander. Gott steht über uns – auch über unse]m kleinen (Geschick) Leben, er schickt uns, was seine Güte und Gnade gegenüber uns ihn tun heißt. Ich weiß, Du vertraust Dich so ganz ihm an, unser[e]n Herrn – wie ich auch mein Leben, unsern Bund ganz in seine Vaterhände lege. Geliebter! Vertraue mit mir! Hoffe mit mir! Du!!! Möge Dir Gott beistehen in allen Stunden der Not und Gefahr. Meine Gebete sind mit Dir, Herzlieb!

Die Gewißheit, daß Dir in der Heimat ein Herz schlägt, so heiß, so treu, in großer inniger Liebe, Du!! Möge sie Dir Kraft spenden hindurchzukommen durch alle Zeit; möge sie Dich glücklich und froh stimmen im Herzen, daß Du das alles nicht vergeblich durchlebst, mein [Roland]! Für die Heimat, für Dein Weib bringst Du Dein Opfer! Du und mit Dir unzählige! Meine Liebe aber, die so übermächtig stark in mir ist, sie möge Deine Seele ausfüllen mit Freude und Jubel! Ich bin Dein, mein Geliebter!! Mit all meiner Sehnsucht und Liebe warte ich Dein! Möge dies Wissen Deine Schritte beflügeln, mögest Du mit diesem leuchtenden Bild in Dir stark und unbeirrt über Not und Sterben hinwegschreiten.

Ich weiß, Du wirst stark und tapfer sein – um uns[e]retwillen! Wie ich ganz stark und tapfer sein will, um Deinetwillen, um unsretwillen.

Mein [Roland]! Mein Herzlieb! So viel Liebes möchte ich Dir sagen – so viel Frohes! Du!! Wie kann ich es wohl besser als daß ich Dir von der Heimat erzähle – und von meiner großen Liebe? Gestern, am Palmsonntag hast Du von uns allen einen Gruß empfangen. Heute sind wir nun wieder allein.

Der Vater lebt richtig auf, wenn er wieder mal eine Gemütlichkeit um sich hat. Das Leben jetzt ist nichts mehr für ihn. Gründonnerstag fährt er heim, da warten wieder ein paar schöne Tage seiner. Er meint, es sei noch garnicht entschieden, daß er da in Döbeln bleibt.

Am Nachmittag waren wir zu Gaste bei Mutter [Laube] zur Konfirmation – es war recht schön; weißt, oben in der guten Stube haben wir gesessen! Guten Kuchen und ‚Echten' gab es, alle Raritäten, die zu einem Patenschmaus gehören – es sah nicht aus, als lebten wir im Kriege. Sie hatten aber auch schon lange vorher gesammelt! Um 1900 [Uhr] brachten wir Vatern zur Bahn und er mußte zurück in seine Verbannung, wie er meinte. So miserabel war das Wetter, er tat mir richtig leid, daß wir ihn hinausjagen mußten. Die Eltern und ich sind noch einmal runter zur Feier, erst gegen 12 Uhr gingen alle heim. Wir haben so oft von Dir gesprochen, haben Dir nicht die Ohren geklungen? Du!! Auch unsre Hochzeitsbilder gingen wieder mal reihum!

Geschlafen habe ich wenig heut nacht. Ich bin nun wieder besonders fest mit meinen Gedanken bei Dir, die Politik macht einem halt Kopfzerbrechen. Es kam heute kein Bote von Dir, Herzlieb! Aber er wird morgen kommen. Den ich heute erwarte, der muß der Reihe nach am Sonntag, den 30. März abgestempelt sein und ich vermute nun, daß sonntags keine Post weggeht. Du!! Glaubst ja garnicht, wie schnell du dich wieder an das tägliche Post bekommen gewöhnst! Ich gucke um ½ 9 [Uhr] morgens, bis der Bote zu uns hereinschwenkt – alle lange Wartezeit vorher ist so schnell vergessen nun! Wenn Du nur endlich auch belohnt worden bist für Deine Geduld mein Lieb! Ich freue mich ganz sehr über Deine Berichte! Am liebsten möchte ich sein, wo Du jetzt bist!! Allein schon wegen des Badens!! Das hat starken Eindruck gemacht auf mich! (hast Du wohl schon geahnt ja?). Wie Du mir das so erzählst! Direkt verlockend! Du!!! Und für Adams und Evas erst recht! Du! Die Seitenhallen! Wollen wir diese Art der Badeanlage nicht mal im Auge behalten, für später? Ich meine, wenn wir unser Haus bauen sollten!!?

Weil ich gerade bei der Sauberkeit bin – ich freue mich, daß Du da Frauen hast, die Deine Wäsche waschen. Es tut mir nur leid für Dich um Deine Lewas! Aber wenn Du sie heimschicken wolltest! Ich kann Dir nicht garantieren, daß Du dabei nicht die Hälfte des Sommers nackt laufen mußt!! Ich würde wohl nicht auf dem Laufenden sein mit meinen Wäschesendungen! Es kriegt doch alles ein Geschick, das sehen wir wieder mal an diesem kleinen Beispiel hier. Von einer Bulgarenbluse für mich erzählst Du?! Ach Du!! Das wird wohl mein ewiger Traum bleiben müssen – ich könnte es ja nicht fassen, wenn es Wahrheit würde. Ich freue mich aber über Dich, daß Du auch mit meinen Augen mal siehst, da in der Fremde!

Du! Gib mir mal Obacht, in B. [sic] werden wunderbare Lederarbeiten verfertigt – ich weiß es durch die Leipziger Messe! Eine Handtasche gefiele mir und Handschuhe wünschte ich mir! Ach, mein armes Mannerli!! Hast Du eine Frau!! Bist doch jetzt soo arm! Hast schon recht: wir müssen die Reise nochmal zusammen machen und alles kaufen, was uns gefällt!

Ob die lieben Sterne Deine Grüße ausrichteten? Oh Geliebter! Ist es nicht wundersam? An dem Donnerstag, den 27. da Du von 8-10 [Uhr] Wache hattest, da habe ich wie gebannt immer nach den Sternen schauen müssen – sie waren so schön zu sehen, als ich zur Singstunde ging schon und um 10 [Uhr] noch viel schöner.

Der Srgrius [wohl: Sirius] ist es wohl, der so wunderbar bläulich funkelt? Wir haben alle nach ihm hingesehen. Das sind unsre treuesten, unvergänglichsten Liebesboten!

Mein Herzlieb! Ich muß für heute schließen, die Arbeit ruft! Du!! Kannst mal an mich denken! Ich bin allezeit mit all meinen Gedanken bei Dir! Geliebter! Mit meiner unendlichen Liebe! Mit meiner Sehnsucht! Du!! Ich bin Dein!!! Dein für dieses Leben! Immer!!!

Ich warte auf Dich! Gott behüte Dich mir! Mein Glück! In unsagbarer Liebe, in unvergänglicher Treue

Deine [Hilde].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946