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[OBF-410416-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 16. April 1941

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste, Geliebte mein!

Es ist schon etwaw [sic] spät heute. Und die Schreibstube ist schon abgeschlossen. Mein Herzlieb aber soll trotzdem seinen Gruß haben.

Wir waren unterwegs heute, es war ein warmer, aber trüber Tag. [Schreibmaschinenschrift, siehe Abbildung]

und [sic] regnerischer Nachmittag. Und es trieb uns, unsrer tristen Umgebung zu entfliehen und die Freiheit zu schmecken. Ach Herzlieb, nicht die echte Freiheit, noch nicht, eine halbe, vorgetäuschte Freiheit, denn wie die volle Freiheit winkte, dann – dann, Herzlieb! – wäre der erste Weg zu Dir! Der Staub war gelöscht und so das beste Wetter, durch Gassen und Straßen zu schlendern. Zuerst haben wir ein paar Stücke Wäsche fortgetragen, und dann sind wir losgebummelt, ohne Plan und Ziel, dicht vorbei am Zigeunerviertel! Daß es da eines gibt ganz in unsrer Nähe, erfuhren wir heute aus einem Befehl, der das Betreten dieses Viertels verbietet.

Die Schaufenster sind ein wenig österlich dekoriert. Es sind viele Geschenkartikel ausgestellt – anscheinend ist das Osterfest hier auch ein Fest des Schenkens. Ein paar hübsche Dinge sah ich, die auch meinem Herzlieb angestanden hätten – aber, aber Kamer[a]d K. drängelte nun zu einer Tat. Er wollte ins Kino. Von den dreien, die wir hier kennen, spielte zwar eines „Golgatha", die Passionsgeschichte verfilmt, wahrscheinlich ein amerikanischer Film. Die Bilder draußen – theatralisch, etwas süßlich, wie man sie schon von anderswo kennt. Ich mag das nicht, und es scheint mir auch nicht recht. Der Wissenschaft wegen hätte ich ihn mir wohl angesehen, aber die Anfangszeiten lagen ungünstig. Die beiden anderen Kinos waren geschlossen, spielen erst wieder am Sonntag, – man hielt die Karwoche.

Nun begann es wieder zu regnen – und irgendwie mußten wir nun ein Dach über den Kopf gewinnen. Ein Lokal. Lokale gibt es eine Menge. Und man hat die Wahl. Die, in denen man Landsleute studieren könnte, sind eng und unsauber, bleibt also die Wahl unter den anderen. Viel Kaffeelokale gibt es, Stuben würden wir sagen, Plätze für 16 – 20 Personen, Speiselokale – sie spannen unseren Geldbeutel zu sehr an. Und einige gemischte Lokale, in denen man speisen und Kaffee trinken kann. In etlichen sitzen vorwiegend deut[sch]e Soldaten. Wir konnten uns lange nicht schlüssig werden. Endlich hatte ich die beiden anderen so weit – ein geräumiges, sauberes Lokal – und wir kamen alle auf unsere Kosten: es gab ein vorzügliches Gebäck – und wenn wir Ostern auch hier verleben sollten, werden wir dort unsren Kaffee einnehmen. Von gutem Kaffee habe ich noch keinen Kameraden erzählen hören – es gibt so ganz kleine Tassen, soll wohl Mokka sein, schmeckt bitter und ist viel Schlamm drin – und dem Hubo sein großer Durst ist damit schon gar nicht zu löschen. Viele Gäste sind da auch, die nur etwas essen.

Als wir vorhin eben heimkamen, hörten wir eine Sondermeldung: die 2. Serbische Armee hat kapituliert.

Herzlieb, in dem Lokal, in dem wir uns niederließen, verkehrten viele Offiziere, sie suchen meist den hinten gelegenen Speiseraum auf. Viel junge Leutnants kann man da sehen. Auch sonst alle Typen: Betonter Stolz, natürliches Wesen, Amtsmienen, betonter Schneid, natürlicher Schneid. Weißt, wenn ich da so sitze, dann regt sich etliches, nicht der Neid, sondern der Ehrgeiz. Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946