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[OBF-410420-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 20. April 1941.

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste, Geliebte mein!!

Wo soll ich nun anfangen mit dem Erzählen? Sollst doch teilnehmen an allem, was hier vorgeht und was wir hier erleben! Ein Päckchen, wieder von Dir!, kam heute an – mit Filmen. Konnte ich gleich einen verknipsen heute und brauchte nicht zu geizen. Er geht mit dieser Post ab, und ich bin gespannt, ob diese Packungen unangetastet in Deine Hände gelangen. Für Deine Besorgungen sei recht lieb bedankt – noch viel lieber für Deinen Gruß – ich freue mich, daß Du mir die sinnigen Karten schickst – sind doch sehr schön und sinnig.

Damit Du Dich in dem Film zurechtfindest, nun gleich einen Bericht vom heutigen Tage. Mit Kartoffelschälen, Putzen und Bürsten, Musterung und einem etwas bedeutungslosen Erinnern an den Geburtstag des Führers wurde er eingeleitet. Ein schöner, warmer Tag mit großen Wolkenballen zog herauf. Nach dem Essen hat sich der Hubo zu einem kleinen Schläfchen auf sein Lager gestreckt. Und dann wurde er geweckt von der Post: von Hellmuth ein Brief, ich habe mich sehr darüber gefreut – und von meinem [Hilde]lieb ein Päckchen. Nun war es mit der Ruhe vorbei. Die beiden Kameraden drängelten hinaus, und so haben wir uns zum Landgang klargemacht mit dem schußfertigen Photo. 2 hübsche Motive hatten wir noch auf dem Kieker. So sind wir wieder durch die Straßen geschlendert – sie sind uns nun schon vertraut – außer der Hauptstraße verdienen sie den Namen Straße kaum. Die Hauptstraße trägt seit Sonnabend reichen Flaggenschmuck – neben der Bulgarenflagge die Hackenkreuzfahne [sic]. Bei unserm Schlendern entdeckten wir eine zweite, recht malerische und stilvolle Moschee, die zu unseren Schnappschüssen reizte. 100 m hin waren wir an der Maritza – sie führt hohes Wasser, schmutziggelb und nimmt sich ganz stattlich aus. Im Sommer soll sie manchmal überhaupt versiegen. Auf einem holprigen, ungepflegten Uferweg sind wir nun entlang dem Flusse – grüne Weiden, Pappeln und Rasen, im Hintergrunde die Schneegipfel der Karpaten des Balkan – es gab ein schönes, österliches Bild, wir wurden an die Heimat gemahnt, zumal auch durch etliche Flußpartien, die lebhaft an einige Elbstrecken erinnerten. Nur wenige Menschen waren hier unterwegs – man ergeht sich also wenig hier. Dann gelangten wir doch an ein Lokal am Flusse mit Tanz im Freien – wenig einladend, das Publikum gemischt. Ein Lautsprecher plärrte fremde Tanzweisen. Ein anderes Bild: am Flusse, im Ufergebüsch eine Schafherde, ein Hirt – romantisch. Dann Gerüche: am Ufer 6 kleine Schlachthäuser, an der Luft zum Trocknen Blasen und Därme, Abfallhaufen, in denen Zigeunerfrauen nach Lumpen wühlten. Die Zigeuner: Auf dem Heimweg sind wir durch ihr Viertel gekommen. Wie es so liederliches, zerlumptes Volk geben kann in der schönen Gotteswelt. Jeder Blick der Mitmenschen, jeder Sonnenstrahl, sollten man meinen, müsste sie ob dieser Liederlichkeit beschämen. Die Kleider: unglaublich stinken [sic]. Warum diese Menschen ihre Mühe, das Leben zu fristen, nicht auf eine ordentliche, gewinnbringende Arbeit verwenden. Ich schrieb schon, daß auch die Bulgaren dieses Zigeunervolk von der Seite ansehen.

Kamerad H. zerriß sich seine Bluse an einem Stacheldraht – und diesen Defekt zu beseitigen, gingen wir erst einmal zu unsrer Schule zurück. Ich habe mir erstmal richtig die Hände gewaschen. Es mag 5 Uhr gewesen sein, daß wir noch einmal loszogen. Ins Kino wollte Kamerad K. – und wir andern beiden ließen uns bestimmen. Wir hatten die Wahl zwischen einem deutschen, ungarischen und italienischen Film. Der deutsche – ‚Napoleon ist an allem schuldʼ war ausverkauft. So entschlossen wir uns für den ungarischen, ein Kriminalfilm. Der beste Platz kostete 17 Lewa = 51 Pfennige. Ein ungarischer Film mit bulgarischen Hyroglyphen unterlegt – da hieß es spannen. Das war mir unterhaltsam – die Aufnahmen waren gut, die Typen und Situationen gut gewählt und gesehen – ich war recht zufrieden. Die andern beiden waren unbefriedigt. So – nun sind wir [h]eim. Die Kameraden liegen schon auf dem Stroh. Der Hubo – als unverwüstlicher Schreiber schon bekannt – er freut sich, mit seinem Herzlieb noch zu plaudern.

Der kurze Gang am Sonnabend – Herzlieb – er galt einem besönderen [sic] Geschäft – Du siehst es nun. Wir haben noch einmal Lewa bekommen – und da gab es für den Hubo kein Zaudern. Dein Wunsch, ich wollte ihn doch so gern erfüllen – und er hat mich doch auch sehr gefreut, ich komme doch sooo gern zu Dir!!! Ach Herzlieb! Ich weiß nicht, ob Dir das Bild gefällt. Der Blick ist etwas starr – der Photograph hat so lang belichtet – aber ich habe ganz fest an mein Herzlieb gedacht dabei! Du!!! Du!!!!!

Nun hast tatsächlich auch noch einen Matrosenhubo. Wer hätte daran gedacht? – Vor einem Jahre noch? Du! Es ist kein echter Matrose. In diese Uniform gehört ein verwegeneres und verzogeneres Gesicht, ja? – Eher ein Kapitän: Den Blick gespannt und wach und geradeaus. Und in dieser Spannung doch ein Lauschen, ein Sehnen! Welch lockendes Ziel, welch großes Ziel sieht er wohl vor sich und steuert es an?? – Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!! Dich, mein Herzlieb schaut er! Unser Glück faßt er so scharf ins Auge! Geliebte!!! Ich komme zu Dir, zu Dir!!! Du! Nun gefällt es mir doch! Das, was ich fühlte und schaute, es liegt darin: Heim zu Dir!!! Ich komme zu meinem Herzlieb!!! Zu meinem Weib, dem lieben, jungen, schönen, treuen!! Du!!! Du!! Herzlieb!! Ich glaub, so hat Dich der Hubo schon manchmal angeschaut!!!!! Nun will ich sehen, ob es Dir gefällt. Ach, ich wünschte es! Darfst es nicht ganz nahe halten!

Mein liebes, teures Herz!

Wieder ist es Morgenfrühe, da ich weiterschreibe. Es verlautet, daß heute erst ½ 8 Uhr geweckt wird. Das könnte bedeuten, daß wir mit den Bulgaren Ostern feiern – wir würden uns freuen. Der Sonntag mit seiner Freiheit ist doch schöner. Weißt, es ist eigentlich ein recht faules Leben, das wir jetzt führen und wir 3 wünschen uns, daß dann etwas mehr Arbeit ist, damit die Tage besser vergehen. Gestern haben wir keine Nachrichten gehört. Kamerad Hapke erzählte, daß die Deutschen einen zweiten vernichteten Vergeltungsschlag gegen London geführt hätten. Welch furchtbares Hassen tobt sich nun aus! Ach, wenn ich Dich in Berlin wüßte, ich würde mich recht um Dich sorgen. Seid auch daheim nicht leichtsinnig und geht bei Alarm auf jeden Fall nach unten, hörst?

Heute vielleicht kommt Dein lieber Bote zu mir! Ich freue mich ganz sehr darauf. Nun wirst auch die große Bildersendung bekommen und weißt nun so gut Bescheid wie Dein Mannerli – und das möchte ich doch so gern – sollst ganz viel Beschäftigung mit mir haben!

Behüte Dich Gott! Geliebte!! So halte Dich froh und gesund! Ich blicke mit Dir voll Vertrauen in unsre Zukunft. Du!!!

Herzlieb! Ich habe Dich ganz sehr lieb! Möchtest recht viel Freude haben an Deinem Steuermann Hubo!

Du!! Du!!!!! Nach Dir schaut er aus, nach Dir ganz allein – ganz wach, und, Herzlieb!, sooo sooooo gern!!! Gott gebe, daß er bald vor Anker gehen kann an Deinem lieben Herzen! Oh Du!!! Mein liebes, liebes Herzlein!! Wie gern und lieb denke ich daran!!! Wie gern wäre ich da!!! Du!!

Ich küsse Dich ganz lieb! Du!! Ich liebe Dich über alles!!!!!

Mein Glück, mein Sonnenschein, mein Leben, Du!!!

Ich bin in Liebe und Treue immerdar

Dein [Roland]!!! Du!!! Du!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946