Bitte warten...

[OBF-410421-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 21. April 1941

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde], Du!!

Bulgarischer Ostermontag heute! Von 3 Uhr an durften wir ausgehen und mitfeiern – ein herrlicher Tag wieder wie der gestrige. Am Vormittag sind wir zum Sportplatz gezogen und haben Fußball gespielt, zu Mittag ein wenig geruht – und dann wieder ausgeflogen. Jetzt sitzen wir in einem Lokal, ein Kännchen Wein (keine Bange) vor uns – und hier, bei guter Beleuchtung an weißen Tischen, schließt sich der Hubo ab und ein, um mit seinem Herzlieb zu plaudern. Schon wieder! Könnte jemand meinen, hat doch erst heut morgen mit ihm geplauscht. Du!!! Nichts Lieberes weiß ich! Ein langer, langer lieber Bote kam heute zu mir mit soviel Sonnenschein und Freude! Ach Herzlieb, daß wir unsrer Liebe uns so freuen dürfen über alle Ferne hinweg. Herzlieb! Du wirst es noch hören, vielleicht eben wie ich heute erfahren haben, wie froh und glücklich Dein [Roland] war an demselben Tage – an diesem 13. April.

Herzlieb, Du!!! Ob sie mir Freude bringen, die lieben Zeilen von Deiner Hand? Ob ich sie spüre und fühle, Deine Liebe? Du!!! Dein Glück!!! Du!!! Und daß ich es Dir bringen kann, daß ich Dich beglücken darf – das ist doch all mein Sinnen, mein ganzes Liebesglück – und daß es mir nun gelingt – daß ich Dich glücklich machen kann, daß ich Dir Erfüllung sein kann, Du!!! Herzlieb! Ich sehe sie wieder und wieder – und sehe Deine Augen glänzen, und in diesem Glänzen und Leuchten liegt all mein Glück, liegt alle Erfüllung – diese Worte: „Es ist soo süß, von Dir geliebt zu werden!“ Du!! Laß Dich küssen, laß Dich herzen!! Geliebte!!! Du bist mein!!! Ich weiß es, Du!!! Du liebst mich!!! Ach Herzlieb!!! Ich habe tausend Pfande Deiner Liebe – und aus jedem Boten spricht sie mir beredt und beglückend. Ach Herzlieb!! Ich habe Dich ja selber [sic], Du!!! Und Du weißt es, wie glücklich Dein [Roland] darum ist! Für Deinen lieben Boten vom Ostersonntag aber sei ganz herzlich und lieb bedankt. Möchte die Ostersonne noch lange Dir leuchten, Du!!! Dein [Roland], der sie Dir anzünden durfte, er bleibt der gleiche in seiner Liebe, in seiner Treue, er gehört zu Dir für dieses sein ganzes Leben – er ist Dein, ganz Dein! Geliebte!!!!!

Nun will ich auf einiges aus Deinem Briefe eingehen. Mit Post bin ich richtig bombardiert worden diese Tage, wie Mutter [Nordhoff] es schon ankündigte – heute von 4 Frauen. Nun bist wohl neugierig? Mutter [Laube], Mutter [Nordhoff], Elfriede [Nordhoff] – die vierte verrate ich Dir nicht; ist meine heimliche Liebe! Du!!!!! Sag der lieben Mutsch erst mal vielen, herzlichen Dank. Sie kriegt gelegentlich was Besonderes geschrieben. Aus K. liegt schon der Bericht vom 1. u. 2. Ostertag vor. Von meinem Herzlieb fehlt noch der Karfreitagsbrief.; er wird noch kommen.

Ach, ich empfinde mit Dir den Grimm über den unangemeldeten Besuch. Es ist wirklich rücksichtslos. Ist schon überhaupt eine Zumutung, in Eure kleine Wohnung zu viert sich einzuladen.

Zu Ostern Waschfest? Bei [Roland Nordhoff]s gibt es das mal nicht!! Aber ich sehe den Notstand ein – und nun muß ich ein paar Tage mein liebes Frauchen am Waschfaß suchen – mit hochgestreiften Ärmeln und geschürzten Röcken, in Klapperpantoffeln. Es muß eben auch sein – und Herzlieb, denn bei uns zu Haus soll nach dem harten Waschtag ein desto schönerer und behaglicher Feierabend winken, ja! Du!!! Und mein Herzlieb soll dann mit einem lieben Kuß in den Armen seines Mannerli süß hinüberschlummern in die verdiente Ruhe.

Herzlieb!! Du!!! Freust Dich so wie ich mich darauf, daß wir miteinander Ostern feiern. Oh Herzlieb!! Alle Sehnsucht will mächtig aufsteigen, wenn ich das mir ausmalen sollte! Gott schenke nur recht bald Frieden und ein glückliches Wiedersehen in der Heimat!!

Hast die Geschäfte von Deinem Mannerli wieder fein versorgt. In Sachen Fotos Eckernförde habe ich gestern mich in einem Briefe an das Fotogeschäft gewandt mit der Bitte, die Bilder Dir gegen Rechnung Dir [sic] zuzusenden, falls sie noch dortliegen, was ich vermute. Wahrscheinlich ist Rosenkranz auch plötzlich abkommandiert worden.

So, nun noch etwas von unseren Erlebnissen heute. Einiges wurde wieder im Bilde festgehalten, aber der Film ist noch nicht voll. Wirst schon selbst daran gedacht haben, die vielen Bilder ein wenig der Reihe nach zu ordnen. Du!!! Durch die Stadt sind wir auf den Stadtberg Nr. 3 gepilgert, das ist der mit dem Leuchtturm. Unterwegs kamen wir über einen Rummelplatz mit buntem Leben. Auf dem Berge entzückte uns von neuem das grandiose Bild der umfassenden, vielfältigen Aussicht. Auf dem Wege zum Berge hatten wir Gelegenheit, zwei originelle Typen aus dem Bilde dieser Stadt zu knipsen. „Laki, Laki“, so rufen halb verwilderte, zerlumpte Zigeunerbuben im Alter zwischen 6 bis 14 Jahren; eine Art Hötsche auf dem Rücken, stellen sie sich uns in den Weg am Bahnhof, vor dem Bad, auf den Straßen, in uns[e]rer Schule; sie sind wie die Fliegen um einen Haufen – um 2 Lewa putzen sie flink und gewandt die Schuhe – blitzblank; mit den Fingern tragen sie die Schmiere auf.

Und das andre Original: mit blinkender Messingkanne, in einer Art Mieder einen Satz Gläser der Verkäufer eines Getränkes, mit lauter Stimme sich vernehmbar machend. Wir haben heute mal gekostet. es [sic] schmeckt nach Apfelmus und Hefe – komisch – viel wagten wir nicht zu trinken, man weiß nicht, wie der Magen darauf reagiert. Nun – es war 6 Uhr geworden – knurrte uns der Magen. Wir ließen uns wieder herab vom Berge. Durch schöne Anlagen führte der Weg. Üppig grün ist alles wie bei uns (Euch) im Mai: Schlehdorn und Kastanien blühen. Ganz Plovdiv aber scheint sich in dem Stadtpark ein Stelldichein gegeben zu haben – wie in den Wandelhallen des Theaters wallte ein Strom von Menschen auf und ab. Also gerade fleißig zu Fuß sind diese Großstädter hier nicht – und mein Herzlieb schicke ich zu ihnen nicht in die Schule. Wir ließen uns einmal auf und ab von dem Strome treiben – waren mit unsrer Aufmerksamkeit mehr bei unseren Gesprächen – Ha. war wieder mit – als bei der bunten Menge. Nun sind die drei Bären – He. hat heute Posten – nach dem Süßen gegangen: 3 Stück feine Tortenschnitte. Als wir bezahlen wollten, tritt ein freundlicher Herr zu uns und sagt: „Sie sind meine Gäste, ich bezahle Ihnen.“ Das hat uns drei mächtig gefreut und gerührt. Wir haben kein Wort vorher gewechselt mit dem Manne, haben uns in keiner Weise angebiedert. Wir setzten unsre Mützen auf, traten an den Tisch, grüßend die Hand an die Mütze legend. Er stand auf und gab uns die Hand. „Ich bin Kroate und lebe schon lange in Bulgarien. Ich habe mich gefreut und wünsche Ihnen guten Erfolg. Meine Frau Mutter ist eine Deutsche“, so erzählte er noch. Das war fein! Dein Hubo hätte mit den letzten Lewa zahlen müssen. Und nun konnten wir gleich noch einmal einkneipen zum Schreiben. Das Schreibzeug hatten wir nämlich mitgenommen.

So, nun weiß mein Herzlieb gut Bescheid – und braucht nicht erst selbst zu kommen, nach dem Rechten zu sehen – auf diese lange Reise lasse ich es nämlich nicht allein!

Montagfrüh ist es, da ich nun fertigschreibe [sic].

Gestern abend hieß es, daß heute 40 Mann abreisen sollen – mal sehen, ob es stimmt und ob wir dabei sind. Ich sehe mit Ruhe dem allen entgegen.

Meine liebe, liebste [Hilde], Du!!!

Einen Schluß muß ich nun machen. Ich nehme ihn gleich aus Deinem lieben Boten. Den Mond soll ich ausfragen nach Dir? Du!!! Was gibst Du mir da für einen Wink! Ach Herzlieb! Keinen beneide ich mehr, die liebe Sterne nicht, nicht den Mond. Keiner steht so hoch in Deiner Gunst als Dein liebes Mannerli, Du!!!

Aber was gäbe ich darum, einmal dahin zu schauen, wo mein Herzlieb sich bewegt, wo es ruht, oder gar es zu schauen in seiner blühenden Schönheit! Oh Herzlieb!!! Wie reich, sooo reich ist Dein [Roland]!!! Welch unschätzbaren Reichtum ließ er zurück in der Heimat!! Und mein Herzlieb muß nun alles heimlich und treu bewahren und verschließen – ach, all die süßen Röslein, die umsonst blühen – und all die reiche Schönheit, die sich spiegeln möchte im Auge der Geliebten!!!! Du, mein liebes, süßes Weib!!!

Gott behüte Dich! Er schenke uns Kraft und Geduld, getreulich auszuharren und uns in seinen Willen zu fügen. Du aber, mein Herzlieb, sei vieltausendmal lieb bedankt für alle Liebe und Treue, für Deine lieben Zeilen. Ach, so glücklich wie ich Deiner reichen Liebe bin, wie sie als mein bester Kamerad mir zur Seite geht im fremden Lande, so sei auch Du froh und gewiß meiner Liebe – Dein Glücklichsein, das Glänzen und Leuchten Deiner Augen – Du weißt es, wie ich danach ausschaue – sie sind mein Glück, sind all mein Trachten, sind der Dienst meiner Liebe!

Ich bin Dein, ganz Dein!!! – Und Du bist mein!!! Geliebte!!!

Ich küsse Dich ganz lieb, Du!! Ich bleibe in unendlicher Liebe und Treue

Dein [Roland].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946