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[OBF-410425-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 25. April 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein geliebter [Roland]! Herzlieb Du!!

Badetag ist heute! 3 Weiberl wollen baden! Und kein Bademeister ist zur Stelle! So eine Not!! Der beste von allen ist eingezogen! Und der andere hat Nachtdienst – ach, wenn doch erst Frieden wäre. Ja, mein Herzlieb! ¾ 9 Uhr am Abend ist es, da ich Dein denke. Den ganzen Tag über habe ich viel Arbeit gehabt mit der Säuberung unsrer Wohnung, alle Zimmer hintereinander habe ich durchgenommen und zuletzt noch die Hausordnung. Da war ich am [E]nde ganz schön müde, aber das war nicht nur vom Schrubben – die Zeit ist bald herum, da ich mir Ruhe gönnen muß!

Du?! Wieviel Mal [sic] werde ich dann noch krank werden müssen, ehe Du wieder heim zu mir kommst?

Nur fein geduldig abwarten! Du!! Heute ist ein ulkiges Treiben in unsrer Küche! Eine spanische Wand grenzt Baderaum von Wohnraum. Hüben und drüben ist man geschäftig bei der Sache, jedes macht ein anderes Geräusch und wenn eine Madonna dem Bade entsteigt, dann schaut sie mit dem Kopf gerade noch über die Wand. Wir kommen aus dem Lachen nicht heraus! Die Decke, die aufgehängt ist, hat einige Löcher und es ist gerade wie beim Panorama: durch jedes Loch sieht man ein andres Loch!! Oh weh, daraus wird ja ein schlimmes Mißverständnis!! ein andres Bild mein ich natürlich! Ich durfte zuerst in die Wanne, weil ich (Dir kann ichs´ ja sagen, weils´ die andren nicht hören!!) am saubersten bin! Und jedes kriegt ja an [sic] frisch´s Wasser!! Also die jeweilige Schmutzmenge wird gleich kontrolliert! So. Mehr darf man ja einem Mannerli vom Baden nicht erzählen!!! Hm?

Heute nachmittag war ich in der Stadt, bin gleich um 3 Uhr losgezogen, wenn die Geschäfte geöffnet werden, damit ich in Ruhe und ohne langes Warten kaufen konnte. Du! Was Du Dir in Bulgarien leistest, das leisten wir uns heute auch: Radieschen! Ein Pfund 25 Pfg.! 4 Stück sind dazu!! Also haben wir heute Abend allein für 1 RM Radiesel gegessen! Und wenn auch, man sehnt sich soo nach etwas Grünem. Heuer kommt ja all das Grünzeug so spät, durch die Kälte. Erst jetzt fängt der Spinat an zu wachsen! Hoffentlich wird das Wetter nun endlich mal besser – ich bange schon um eine Mißernte. Noch kein Hafer draußen! Und kein Hubo da, der ihn dann mit ernten will! Wir wollen nur nicht ganz so schwarz sehen, voriges Jahr war es ja auch ziemlich so und es ging doch noch alles gut aus.

Aber man kriegt die Kälte wirklich satt, ich wäre so gerne mit Mutter an den Nachmittagen bissel spazieren gegangen, aber es ist geradezu unmöglich gewesen bis jetzt. Es schneit, regnet, ist rauh und trübe. Wir kennen bald die liebe Sonne nicht mehr. Nun haben wir uns aufs´ Schneidern verlegt. Mutter hat schon ein Kleid fertig, ein buntes, vom Siegfried. Schön!! Wie eine Junge sieht sie darin aus! Wirst staunen, wenn Du kommst!

Wir vertragen uns sehr gut miteinander! Und jetzt, in Gesellschaft, da ist ein Tag um wie nichts. Heute laden uns die Breitenborner zur Silberhochzeit ein am 10+11 Mai. Onkel E. ist jetzt bei H., er beginnt sein erstes Semester auf d. techn. Hochschule – was er nun werden will, wissen wir nicht. Vielleicht techn[ischer]. Zeichner? Wenn wir [ein]mal bei ihnen waren und uns darüber unterhalten, erzähle ich Dir etwas mehr.

Herzlieb! Heute kam auch ein lieber Brief von Dir an! Und ich hatte schon gedacht, die neue Wartezeit sei schon wieder angebrochen, mit der ich noch einmal rechne. Ich habe mich doch so sehr gefreut, mein [Roland]! Er ist vom Ostermontag, den 14. April. Ich habe den Lieben daheim ein Stück vorgelesen! Sie freuen sich immer so, wenn Du von diesem und jenem berichtest und ich bin auch froh, wenn sie so Anteil nehmen an allem und ich berichte ihnen gerne und freudig. Also seid Ihr doch von Fliegerangriffen feindlicher Mächte verschont geblieben! Ich bin recht froh darum, Du!!

Wenn ich jetzt schreibe, Herzlieb, da bist Du wohl schon längst an Deinem neuen Bestimmungsort! Ach, ich denke alle Stunden Dein! Soo oft am Tage! Du bist nie allein mein Lieb!

Und die täglichen Nachrichten verfolge ich mit größter Spannung! Die Zeitung Das Reich", die ich mir halte, bringt immer recht interessante Berichte und Bilder vom Geschehen in der Welt und auch Teile einer guten geographischen Übersicht – ich bewahre sie alle auf, damit Du sie auch [ein]mal sehen kannst.

Du! Dickerle! Heute bekam ich auch die Abzüge von Deinem letzten Film, wo ihr alle auf einem Sonntagsspaziergang seid! Wo bist Du denn? Fleißiger Kameramann?!

Ich lege sie Dir hier bei, die Bilder. Für die Frauen lasse ich welche nachmachen. Du! Es hapert am Material, sie können vorderhand keine Abzüge mehr in chamoix machen (es gehört eine Quecksilberlösung dazu und die fehlt jetzt und ohne sie würden die Oberflächen der Bilder ankleben) also muß es halt auch so gehn. Ich bin schon froh, wenn ich sie überhaupt noch entwickelt bekomme! Hoffentlich kommen sie alle heil an! Bewahre sie nur gut auf, ich will ein Album anlegen, Dickerle! Der Photograph lobt den Knipser! Gute Ausschnitte! Sehr gute Belichtung (vor allem bei der ersten Serie!) er freut sich selber mit an den schönen, fremdartigen Bildern!

Nächste Woche bekomme ich die, wo Deine Waschfrau mit drauf ist! Du Herzlieb! Heute bekam ich das Antwortschreiben von Frau P., die ich bat, bei R. einmal nach unseren Bildern nachzufragen. Ich lege Dir die Karte bei. Teile mir doch mal die Adresse des Photographen mit, wo Du die Filme hingebracht hast, in Eckernförde. Ich will ihn gleich selbst um die Bilder bitten. R. ist sicher auch überraschend weg[ge]kommen und somit die Verzögerung.

Na – wenn wir sie nur überhaupt bekommen! Ich will sie ja sooo furchtbar gerne mal sehen!! Du!! Wenn wir das damals geahnt hätten, daß Du soweit fort mußt, hätten wir uns noch vieiel [sic] fester umschlungen, ja? Du!!! Ich hab dich doch sooooo lieb! Mein Herzlieb! Hast Du denn die beiden Scheine bekommen von mir? Meine Schuhgröße und meine Handschuhgröße willst Du wissen! Ach Du! Wenn Du damit mir eine Freude machen könntest!!

Also für Schuhe Größe: 39. Für Handschuhe Größe 7 ½.

Ich würde Dir vor Freude um den Hals fallen! Du!!

Weißt, wenn ich dir behilflich sein soll, Dir zu diesen Dingen zu verhelfen, dann sag mir wieviel!! Ich werde Dir bei Gelegenheit mal eine Photographie mitschicken, angeklebt, guckst dann dahinter, da findest Du [et]was! Ach!! Wenn Du mir Seife schicken kannst, wäre das eine Freude!!

Mein Herzlieb Du!! Ich bin auf einmal soo müde, die Mütter sind vor ½ Stunde ins Bett – jetzt ist es 11 Uhr durch – da ist meine Zeit gekommen! Du schläfst gewiß schon, mein Lieb! Ach, ich kann doch garnicht mehr so ganz ausschließlich mich mit Dir befassen! Das fehlt mir so! Abends im Bettlein! Ja dann! Aber da habe ich kein Papier zum schreiben [sic]! Ach Du! Ich hab Dich ja viel zu sehr lieb!, ich brauche nur Dich ganz allein für mich, dann bin ich doch am allerglücklichsten!! Kannst Du mich recht verstehen Geliebter! Ich habe die Eltern auch lieb, o ja! Aber am liebsten ist mir, wenn ich nur dich allein um mich fühle und weiß. Ich bin so ganz erfüllt von Dir! Du!!!!! Ist es Unrecht, wenn ich so störend manchmal die Anwesenheit der lieben Eltern, unsrer Mütter empfinde – störend? Ach, ich weiß nicht, wie ich sagen soll eigentlich. Ich habe dich eben so sehr lieb, ich will ganz mit Dir allein sein – wenigstens ein paar Stunden am Tage, dann erst bin ich zufrieden. So aber ist mir immer, als habe ich etwas versäumt. Eben weil ich nicht so mit all meinen Sinnen zu dir finden kann, wenn ich nicht allein bin, wenn ich an Dich schreibe. Darum verreise ich auch nicht gerne, weil es auch das Deingedenken stört. Ich bin am allerliebsten ganz für mich und befasse mich nur mit dir.

Du glaubst garnicht, wie schwer mir das manchmal fällt, – mich den ganzen Tag von Dingen zu unterhalten, die mich eigentlich weniger interessieren – wie es z. B. jetzt der Fall ist[,] wo Mutter um mich ist. Sonst war ich immer allein, ich habe dieselben häuslichen Pflichten verrichtet – doch mit meinem ganzen Denken war ich immer nur bei Dir! Bei Dir! Du weißt ja nicht, wie schön das ist, wenn man nicht gestört wird in seinen Gedanken!! Und ich mag sie aber auch nicht preisgeben – könnte ja Mutter mal erzählen, was ich so denke – aber nein! Nimmermehr! Das ist doch alles viel zu heimlich und süß und – ach es ist eben das, was nur dich und mich angeht, Geliebter!!

Ich glaube, ich habe Dich zu sehr lieb! Du!!

Es hat nichts soviel Raum in mir, als Du! Nur Du!! Das muß ja wohl auch so sein, wenn zwei sich ganz liebhaben. Aber, ich glaube, ich habe Dich zu lieb Du!!

Ich will es aber nicht wenden! Ich will weiter soo lieb Dich haben. Ach Geliebter! Glaubst Du, das [sic] es die anderen sehen, wie so lieb ich Dich habe? Ich tät mich doch ein bissel schämen, Du!! Verheiratete sind doch eigentlich ganz anders – es ist dann alles abgeklärter, ruhiger zwischen ihnen.

Bei mir und Dir wird es wohl nie ganz ruhig und still sein, das Sehnen und Drängen zueinander – ich brauche Dich zum Leben, wenn ich richtig froh und glücklich sein will! Und ich weiß, Dir geht es auch so, Du!! Manche junge Frauen reden so gleichgültig von ihrem Manne. Ich kann das nicht begreifen!

Du bist doch mein ganzer Lebensinhalt! Meine Seele! Ich gehe einher wie im Traum, es ist ein ewiges Suchen und Sehnen in mir – nach Deinem Wesen, Geliebter!

Erst wenn Du mir nahe bist, dann bin ich ganz erfüllt! Und ich warte auf die Zeichen von Deiner Hand, wie auf eine köstliche Erfüllung. Ich bin so ganz durchglüht von unsrer schönen Liebe, Du mein [Roland]! Ich bin immer, oh immer bei Dir! Und wir fühlen auch trotz aller Ferne die Nähe uns[e]rer verwandten Seelen! Das ist wundersam, so wundersam schön!! Ich gehe immer an Deiner Seite, ich fühle mich nie allein. Du!! Gestern habe ich zufällig hören müssen, wie eine Dame nur anderen sagte (ohne, daß sie mich bemerkt hatten): „die junge Frau [N.] [sic] scheint aber glücklich verheiratet zu sein, ihr leuchtet das Glück richtig aus den Augen; sie [sic] müssen nur mal Obacht geben."

Du! Wie mir da zumute war! Ich habe gezittert vor Scham, oder doch vor dieser Tatsache, dieser Wahrheit? Ach, es war mir furchtbar das zu hören; ich floh diese Stimmen so eilig – und doch – sie klingen mir heute noch Wort für Wort in den Ohren nach. Ob alle mein großes Glück, unser großes Glück sehen? Du!! Du sollst es doch nur sehen! Du allein!! Es ist doch mein schönstes Geheimnis, das ich Dir allein bewahren will! Geliebter!!! Wenn auch Fremde mein Glück sehen – Du siehst es doch noch viel, viel süßer und köstlicher in unseren heimlichsten, schönsten Stunden des Einsseins! Du!! Du!! Ja? Mein Lieb!

Mein süßes Lieb!! Ich bin nur ganz Dein!! Oh Du!!

Niemand weiß, wie ganz ich Dein bin! Mein [Roland]!

Gott behüte Dich mir! All mein Glück! Du!!!!!!!!!!!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich! Du!!!

Jetzt gehe ich noch Deinen schönen Tulpen Gutenacht sagen! Du!!

Deine [Hilde]

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946