Sonnabend, am 3. Mai 1941.
Herzallerliebster! Du mein lieber, guter [Roland]!
Rate mal, wo ich jetzt bin? In Glauchau, bei Tante M.. Heute früh sah es zwar draußen nicht verlockend aus, nicht nach Reisewetter. Die Sonne fehlte. Aber weil es eben diese Woche noch am besten klappt, so fuhren wir los. Um ½ 10 Uhr am Vormittag kamen wir an und nun sitze ich schon wieder bei meiner liebsten Beschäftigung! Du!! Ich könnte doch nicht ruhig schlafen, wenn ich Dir heute keinen Gruß geschrieben hätte, Herzlieb! Wir wollen über Nacht bleiben, sonst verlohnt sich die umständliche Reise garnicht. Morgen um 7 Uhr abends sind wir wieder zu Haus, Vater erwartet uns dann.
Eben ist die Mutsch mal mit ihrer Schwester in die Stadt, einholen. Die beiden freuen sich, weil sie sich nach langer Zeit wieder mal haben. Ich bin einstweilen in den Rang einer Gouvernante gerückt! 4 Kinder muß ich eben betreuen! Da kannst Dir vorstellen, wie ich angehängt bin! Aber im Moment habe ich mir Ruhe verschafft. Die Kleinste, Bärbel, schläft (es ist ½ 3oo [Uhr] nachmittags) die beiden großen, Hannelore und Christa haben Besuch; eine kleine Freundin, Ilse. Sie spielen Geburtstagsfeier und ich bin die Großmutter, die gerade Feldpostbriefe schreibt. Einen an Hubo und einen an Onkel A., im Auftrage von Tante M.! Aber das Liebste kommt zuerst dran, Du!! Jetzt bin ich schön ohne Aufsicht Erwachsener! Du!! An Onkel schreibe ich zum ersten Male, ich weiß garnicht, wie ich anfangen soll! Na – 's wird schon was werden! Mein kleines Patenkind ist niedlich. Ganz dunkle Augen und dunkles Haar und ein Stimmchen hat sie schon!
O weh, Du!! Ich dachte schon vorhin mal: wie schön hast Du es noch! Aber wenn es dann ein eigenes Kind ist, ich glaub', dann denke ich auch anders. Aber eines habe ich mir schon vorgenommen: unsre kleinen wollen wir einmal nicht verwöhnen! Soweit das möglich ist! Mein Dickerle wird schon fein mit acht geben ja? Du!! Komme nur erst mal wieder heim, Du!!! dann wird schon alles gut! Onkel A. ist auch von Hamburg weggekommen, Tante hat noch gar keine Post wieder und sie sorgt sich sehr. Es ist noch schwerer, die Ungewißheit zu ertragen, wenn man Kinder hat. Heute in der Bahn hörten wir, in Griechenland sei Waffenruhe eingetreten – in den Nachrichten war aber diese Neuigkeit nicht enthalten. Die Leute wissen halt immer etwas Neues. Aber sehr wünschenswert wäre es doch. Um 300 [Uhr] bekommt Kleinchen eine Flasche! Ich darf die Zeit nicht versäumen, Du!! Wie mir da zumute ist! Du!! Ich glaube, es würde Dir Freude machen, wenn Du mich jetzt beobachten könntest. Es ist schön, wenn man solch kleines Menschlein umhegen kann.
Du!! Wenn wir unser Heim haben, dann wird uns, so Gott will, auch dieses Glück blühen, Herzlieb.
Wo wirst Du wohl heute weilen? Wirst Du wohl den ersten Seemannssonntag am neuen Standort erleben?
Ach Herzlieb! Heute habe ich nun garnicht [sic] Deinen lieben Boten empfangen können! Und morgen früh? Du!! Am Abend, da komme ich wieder heim! Und zu Dir!!! Du!!! Mein Herzensschatz! Ich sehne mich ja so sehr nach Dir, mein [Roland]! Du!! Ich bin Dir soo gut! Ich habe dich sooo lieb! Du!! Gott behüte Dich! Mein [Roland]!
Erführe uns recht bald für immer zusammen! Auf Wiederhören! Herzliche Grüße soll ich Dir bestellen von Mutsch und Tante M.!
Ich aber bleibe in Liebe und Treue immerdar ganz Deine [Hilde].
[Unterschrift der drei Kinder:]
Christa, Hannelore, und Ilse M.
[Weiter in Hildes Handschrift:]
senden Dir recht viele Grüße aus Glauchau. Ilse geht das 1. Jahr zur Schule! Den andern mußte ich die Hand führen!
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Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946