# Sonntag, am 25. Mai 1941.
Mein liebes, teures Herz! Mein lieber, liebster [Roland], Du!!
Du!! Weißt[,] wo ich jetzt bin, Herzlieb?
In unserm Garten sitze ich und weihe den neuen Liegestuhl ein! Mitten in der Wäsche sitzt Deine [Hilde], die lustig auf der Leine flattert. Wirst denken: nanu, am Sonntag! Ja mein Lieb, denn sonntags fliegt uns kein Ruß auf die Wäsche von den Fabrikessen ringsum – und U.s, die meist Pappen verfeuern, machen den meisten Ruß. Ich bin nur neugierig, ob das Wetter aushält. Heute früh war es ganz beständig, aber jetzt nach 2 Uhr fängt es an zu temperieren – und es türmt sich auf im Westen. Die liebe Sonne ist schon weg, hat sich verkrochen hinter die dicken Wolken. Ach, daß es nun nicht mal einen vollen Tag schön sein will! Das ist doch zum verzweifeln in diesem Jahre. Mein Dickerle! Schön ist der neue Liegestuhl, ich sitze halb zurückgelehnt darin, die Beine hochgezogen – in eine Decke gewickelt – [au]f den Knien liegt mein Schreibeblock und ich denke voll Sehnsucht und Verlangen Dein! Die Mutsch wirtschaftet noch in der Kirche rum, der Vater hält Mittagsschläfchen.
Du!! Liebster!! Bist mir doch nicht böse, daß ich Dir gestern nicht schrieb? Ich bin beim besten Willen nicht dazugekommen. Früh [um] 5 Uhr haben wir angefangen mit waschen[,] und abends nach 7 Uhr kamen wir rauf in die Wohnung. Der Vater hatte das Badewasser fertig und zuvor aßen wir gleich noch Abendbrot. Ich war dann nach dem Bad so müde und kraftlos, daß es nicht noch zum Schreiben reichte. Du wirst es verstehen, Liebster! Dein gedacht habe ich den ganzen Tag so lieb und innig! Ich muß es ja stündlich, Geliebter – ach, immer! Du!! Deine lieben Boten kommen auch täglich zu mir! Und das ist meine größte Freude, meine ganze liebe Freude am Tag! Ach Du!! Du!!!
Aber die Sehnsucht nach Dir, die große – große Sehnsucht, die kann mir niemand stillen. Auch die Freude an Deinen Boten vermag sie nicht zu stillen – ach, nur tiefer und größer steigt sie in mir auf, wenn ich Deine geliebten Zeichen lese. Ach Herzlieb! Geliebter!! Du!! Du kannst es wohl kaum ermessen, wie maßlos ich mich nach Dir sehnen muß! Wie so unendlich lieb ich Dich habe, mein Herz!!! Ich bin garnicht traurig darum, mein Lieb!! Und Du sollst es auch nicht sein!!
Ich fühle beglückend, daß ich garnicht mehr sein kann ohne Dich! Es erfüllt mich so mit inniger, heimlicher Freude, daß ich spüre, ohne Dich ist die ganze Welt leer, ohne den rechten Glanz – und froh macht es mich darum, weil ich fühle, wie sooooo lieb Du mir bist! Weil ich fühle, wie ich ganz fest und unlösbar mit Dir verbunden bin und nur mit Dir ganz wunschlos glücklich sein kann! Nur mit Dir ganz wunschlos glücklich! Du!!!
Oh! Du!! Ich liebe Dich! Liebe Dich! Heute nacht habe ich soo süß von Dir träumen müssen, Geliebter! Oh Du!! Sooo süß!! Und der Traum hat mich so sehr erregt, daß ich krank geworden bin zur selben Stunde. Nun bin ich heute so kraftlos, so selig müde, ich spüre immer noch Deine süße Nähe, wenn ich die Augen schließe, Du!! Ach, Geliebter!! Daß Du mir sooviel Seligkeit schenken kannst! Im Traume allein! Du!! Und in Wirklichkeit, Geliebter? Oh Du!! Du!!!!! Ich kann Dir doch nicht auf dem Papier ausdrücken, was Du mir bist!! Mein allerliebster [Roland]!!!
Ach Du!! Du!! Ich glaube, ich habe Dich zu sehr [lie]b! Alles in mir verzehrt sich in so heißer Sehnsucht nach Dir – Du glaubst es ja kaum. Ich habe Dir noch nicht geschrieben, wie sehr ich mich in Sehnsucht und Liebe nach Dir verzehren muß. Du!!! Du!!!!! Weil ich Dich nicht in Sorge bringen will, weil ich Dir nicht sagen wollte, wie unendlich lieb ich Dein denken muß Tag und Nacht. Du!! Du sollst ganz ruhig an mich denken in der Fremde, sollst Dir keine Gedanken machen. Ich wollte nie wieder schwach werden vor Dir im Briefe – wollte warten mit allem[,] was mich drückt, bis Du bei mir bist und mich erlösen kannst von allem, allem.
Ach Geliebter!! Geliebter Du!! Du!!!!!
Ich kann nun nicht mehr!
Du schreibst mir jetzt täglich so liebe Briefe, so voll Sehnsucht sind sie, so voll Verlangen, und voll Heimlichkeit und Süße. Oh Du!! Nun kann ich nicht mehr schweigen von dem, was mein Herz zum Überquellen voll macht: Ich liebe Dich!! Ich sehne mich sooo nach Dir!!!
Ach Du, Herzlieb! Herzlieb!! Ich fürchte mich immer vor der Nacht, da liege ich im Bett und finde keinen Schlaf – vor Sehnsucht! Vor Sehnsucht[!] Das geht nun schon soo lange, ach, ich weiß nicht mehr, wann die Zeit begann, da ich auch nachts keine Ruhe vor der Sehnsucht nach Dir finde. Du mußt sie spüren, gespürt haben – es erweist sich in Deinen Boten, Geliebter! Ach, die Sehnsucht kennt keinen Raum – kennt keine Grenzen, sie fliegt weit, weit – bis an ihr Ziel. Du!!!
Niemand weiß um meine Sehnsucht und um meine unendliche Liebe. Nur Dir habe ich heute zum ersten Male rückhaltlos gesagt, wie es um mich steht, Herzlieb Du!! Niemand weiß darum, und ich sage auch keinem Menschen außer Dir davon, Du! Nur meine Augen verraten vielleicht etwas von dem, was immer in mir brennt. Sie suchen und fragen und glänzen manchmal ganz fiebrig – morgens sind dunkle Schatten darunter. Und ich sehe es im Spiegel, daß mein Schlaf nicht erquickend ist, weil ich blaß bin[,] wenn ich erwache. Ich denke und grüble zu viel des Nachts – ich kann es nicht wenden. Ich lege mich mit allen guten Vorsätzen zu Bett und wenn ich endlich eingeschlafen bin — nach ein paar Stunden liege ich wieder wach und Du stehst vor mir im Geiste.
Ach Herzlieb! Ich bin glücklich, wenn Du mir so nahe bist, bin sooo sehr glücklich!! Und es soll auch so bleiben, daß Du mir stets gegenwärtig bist. So kann Dich mir niemand, niemand entreißen – auch die böse Ferne nicht. Ich ertrage es, so wie es ist, Geliebter! Oh, froh und selig ertrage ich all meine Sehnsucht und Liebe. Es ist für Dich, Geliebter! Um Dich kann ich alles leicht ertragen.
Der Gedanke an Dich und Deine treue Liebe, die mir genau so hell und beständig entgegenleuchtet, läßt mich so voll heimlicher, süßer Freude und Seligkeit erzittern. Ach – Du!! Du kannst es vielleicht gar nicht wissen, wie [e]ine Frau liebt.
Sie liebt so unendlich tief und heiß – sie sehnt sich so sehr nach Erfüllung – und ist doch auch tief beglückt, wenn sie um dieser Liebe willen leidet.
Wundersam ist die Liebe eines Weibes – mir oft selbst unbegreiflich – geheimnisvoll. Und doch, wenn ich mir Dich vergegenwärtige so klar, so eindeutig. So muß meine Liebe zu Dir sein – so mächtig, so alles [ü]berstrahlend und verklärend – selbst meine Ruhe muß ich ihr opfern, denn so ist sie echt, von Herzen, Du!!
Und nur so, in aller strahlenden Größe und Tiefe und Reinheit will ich sie Dir bringen. Ich will Dir alles, alles bringen, alles was ich habe, Du!!! Geliebter! Geliebter! Du allein bist solche Liebe wert! Du allein! Weil Du sie in gleichem Maße vergelten kannst. Eine Liebe ohne Widerhall in gleichem Maße kann nie Erfüllung sein! Kann niemals höchste Wonne, höchste Seligkeit sein! Ihr wärmender Strahl würde sich verlieren und kraftlos werden, wenn er keinen Gegenpol finden könnte. Aber ich weiß, weiß es selig froh, Geliebter, daß Du und ich sich ergänzen, erfüllen! Daß wir eins sein können! Und diese glückliche Gewißheit ist es, mein Herz, die mich Dich lieben, lieben läßt – wenn auch mit Schmerzen – ich bin glücklich in Deiner, in unsrer Liebe! Glaub mir! Überglücklich! Froh, ganz froh!! Und ich erwarte mit Dir getreulich den Tag, der uns einander wieder schenkt, für ganz, für immer! Du!! Du!! Mein Sonnenschein! Mein Glück! Nun habe ich Dir von meiner großen Liebe Glück und Leid gesprochen, mein [Roland]! Leid, ist es Leid, daß mich quält? Nein, Geliebter!! Nein!! Es ist nur ungestillte Sehnsucht! Nur Sehnsucht nach Dir, nach Deiner Liebe, Deiner beglückenden Nähe. Ach, Du kennst sie auch, die große Sehnsucht, Du sprichst mir in all Deinen geliebten Boten von ihr, sie bedrängt Dich ja ebenso mächtig wie mich! Geliebter!!!
Und nur, daß es Dich gewiß machen soll, wie unendlich ich Dich liebe, schreibe ich Dir von meiner heimlic[he]n Qual, Geliebter – nicht aber, daß Du traurig sein, Dich sorgen sollst!! Du!! Bitte, versprich mir das, Liebster! Ich will nicht wieder davon schreiben, ich will alles tief, fest in mein Herz einschließen, da soll sich alle Sehnsucht und Liebe stauen bis der Tag kommt, da wie eine Flut sich alles zu Dir drängt!! Zu Dir, mein Geliebter, liebster Mann!! Du!!! Mein lieber, liebster [Roland]! Du mein Glück! Du meine Sonne!! Du meines Lebens ganzer Inhalt! Meine Freude bist Du! Und alle Seligkeit kannst Du, nur Du mir sein!!!
Geliebter! Ich glaube, es ist bald 6 Uhr am abend. Das Wetter hat bis jetzt gehalten, doch für den Abend befürchte ich doch noch ein Gewitter. Schwül ist es jetzt, und es drängt richtig nach einer Entladung. Wir werden es auch begrüßen, ein Gewitter – manchmal schafft auch ein Umschwung in der Witterung dem Menschen Erleichterung im Gemüt – so wie die anhaltenden Schwüle bedrückend auf uns wirken kann. Es war ein recht schöner Nachmittag noch für mich, und auch für die Eltern. Wir saßen [al]le 3 im Garten gemütlich beisammen und warteten auf das Trocknen der Wäsche; nun macht Mutter die letzte Arbeit, sie wickelt die Wäscheleine wieder auf: Glück gehabt! Und treue Männer! So können wir als Ergebnis zu uns[e]rer Wäsche sagen. Brauche ich mich wenigstens morgen nicht allein zu plagen, es ist mir bei meinem Zustande auch lieber so, kann ich mich recht halten.
Vater räumt die Kaffeetassen zusammen, wir tranken im Garten Kaffee, das war fein! [Nu]n will ich mich auch mit aufmachen, will noch ein wenig plätten oben.
Mai ist, alles steht nun in Blüte endlich. Und vor mir steht ein zierlicher, schlanker Kirschbaum, er blüht herrlich. Ich lege Dir ein paar Blüten bei, Herzlieb. Ein Gruß vom deutschen Frühling! Er möchte Dich heimrufen, nein! Besser heimbringen!! Du!! Du!! Ach, wenn es nach Dir ginge, Du!! Da kämst Du lieber heute als morgen. Das weiß ich ganz genau, Herzlieb!!!
Mai ist. Im Mai wollte ich Dich in Barkelsby wieder besuchen ........... Ach, wer hätte damals an diese große, große Weite gedacht, die man zwischen uns beide nun legte?
Aber wir werden sie überwinden[,] Geliebter! Mit Gottes Hilfe ganz stark und gewiß! Wir wollen unsre ganzen Kräfte daran setzen[,] einander ganz lieb, ganz treu zu warten. Und ich fühle so viel Kraft in mir, Du! Soo viel guten Willen, alles zu ertragen. Gott wird mit mir sein – ich weiß es froh und zuversichtlich! Er wird mir in Stunden, da ich nachlassen will[,] an ein glückliches Ende dieser bösen Zeit zu glauben, Mut schenken, doch wieder zu glauben und zu vertrauen. Ich weiß Dich ja ebenso harren und weiß Dich ebenso voll Liebe und Sehnsucht warten, auf die Stunde der Erfüllung, Geliebter! Wir wollen einander helfen auszuhal[te]n!
Ich liebe Dich – Du liebst mich!
Ich halte Dich – Du hältst mich!
Fest, sooo fest, sooo lieb, sooo treu!
Und das ist sooo schön, sooo gut!
Wir wissen es beide froh und glücklich! Mein Geliebter! Du!!! Für heute Lebwohl! Auf Wiederhören!
Gott behüte Dich auf allen Wegen!
Ich liebe Dich in alle Ewigkeit und bleibe ganz Deine [Hilde], Dein!!!!!
Vieltausend Grüße von den Eltern!
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Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946