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Briefkorpus

Dienstag, am 27. Mai 1941.

Mein liebes, teures Herz! Du mein geliebter, liebster [Roland]!

Ach – bin ich froh, daß ich mich mal setzen kann! Ja Du!! So sage ich mit meinen jungen Beinen! Seit 6 Uhr morgens gehe ich um; der Feiertagsdrasch macht sich doch schon bemerkbar bei mir. Obwohl wir schon groß reine gemacht haben, gibt es doch noch allerhand Arbeit. Die Mutsch ist im Moment garnicht recht auf der Höhe, sie hat sich scheinbar bei der Wäsche erkältet, einen tüchtigen Schnup[f]en hat sie erwischt. Und da will ich nicht, daß sie sich nach Arbeitsschluß noch so abrackern soll, ich nehme ihr viel Arbeit ab. Habe die ganze Wäsche gelegt gestern abend noch, und heute früh bin ich beizeiten auf den Markt, erst um 9 zurück! Man muß soo lange stehen an den Ständen, wo es noch 'was Lohnendes zu kaufen gibt. Zuhaus angekommen galt es das Mittagessen bereiten, die Hausarbeit verrichten, im Schlafzimmer die Fenster putzen, damit Mutsch nachher die frischen Gardinen anbringen kann. [Z]um Überfluß mußte ich auch noch die Soldatenwäsche, die ich gleich nachdem die Männer fort waren[,] aufbrühte und auf den Rasen legte, spülen und zum Trocknen aufhängen – es war grade mal paar Stunden schön! Ehe ich auf die Mangel gehe, will ich die Wäsche doch noch mit rollen, sonst liegt sie wieder gebraucht umher und wir waschen doch erst in 6 Wochen wieder. Dann rannte ich kurz vor 12 mittags nochmal zur Großmutter [Laube], zu ihr bringt die Kaufinger Tante dienstags immer den Spinat (für morgen!) Beim Bäcker Mann war ich, ob ich morgen einen Streußelkuchen [sic] backen kann. ja! hat er gesagt. Morgen mittag um 1 Uhr soll ich kommen. Da bin ich zuvor noch beim Schokoladenfräulein gewesen, die hatte aber nichts. Ich muß Dir morgen unbedingt ein Paket schicken, Du wartest doch sicher auf die dünnen Socken, Herzlieb! Auch paar Filme habe ich wieder für Dich. Aber das ist eine langwierige Sache bei uns mit dem Filme kaufen – im Monat 1 Film bekommt man! Ich renne überall hin und gebe dem Gerhard, meinem Vetter[,] Aufträge, für mich zu hamstern! Anstatt Pralinen lege ich Dir nun Kuchen bei, das ist Dir auch recht, ja? Ißt doch alles, was von mir kommt, Du!!! Stimmt's? Ach! Und in Limbach heute früh, habe ich auch die Filme vom Entwickeln bekommen! Du! Also, meine Hochachtung! Dickerle!!

Hast wunderbare Aufnahmen geknipst! Sogar der Optiker Georges lobte Dich!! Wirklich herrlich sind die Bilder diesmal, Du!! Ich sage Dir nur immer wieder: bewahre sie recht gut auf! Es sind unwiederbringliche Andenken! Und ich freue mich ganz sehr auf den Tag, da Du mir erzählen wirst, an Hand dieser schönen Bilder! Du!! Wie ich mich darauf freue!!

Weil es von 5 Filmen Bilder sind, also bissel reichlich in ein Kuvert zu stecken, will ich sie Dir mit ins Päckel legen. Es täte mir so leid, wenn die Bilder verloren gingen! An die Frauen sind sie auch schon bereit abzugehen, die werden sich schön freuen!!

Aber Du!! Das nächste Mal stellst Du Dich auch mal mit drauf, oder hin, ist ja nun egal! Du!!

Hauptsache aber, ich sehe Dich wieder einmal!!

Immer sehe ich nur K. und H.!

Das verdrießt mich auf die Dauer! Ich will Dich sehn!!

Die niedlichen Kinder! Mit den dunklen Kulleraugen! Wie Puppen sehen die Mädelchen aus! Ach Du!! So viel Kinder kannst Du auf einmal um Dich haben! Ohne Knabberei wären sie Euch wohl nicht so nahe gekommen, hm?

Eben kam der Briefträger, ein Brief von der lieben Mutter. Du!! Vater kommt am 1. Juni zurück nach Kamenz! Das ist fein!!! Nun ist wenigstens das eine in Ordnung in der Familie [Nordhoff]! Na, und bei den Herren Söhnen wird schon auch noch alles in’s rechte Geleise rücken, Du!!! Ich glaube ganz fest daran, mein Lieb! Die Mutter schreibt weiter, daß ein Brief an Dich mit dem meinen abginge, da weißt Du sicher schon die Neuigkeit vom Vater. Es ist mir richtig leicht, wenn ich das lese. Nun haben wenigstens beide ihre gute, alte Ordnung und Häuslichkeit wieder – und wir haben auch ein Gutes daran, Herzlieb! Wenn wir heimreisen zusammen!!! Unser liebes, trautes Kinderschlafzimmer! Ich bin doch so vertraut darin und es ist mir sooo lieb geworden zusammen mit den ganzen lieben Räumen Deines Elternhauses! Es weiß so viel Heimliches und Süßes von mir und Dir! Geliebter!!! Es wird uns immer gerne wieder einlassen, daß wir unser Glück dort feiern können!! Wenn die Eltern nach Döbeln gezogen wären, hätten wir uns wieder an ein fremdes Stübchen gewöhnen müssen, Du!! Wo wir nun froh sind, endlich einmal im Elternhause wenigstens ganz ungestört glücklich sein zu können! Pfingsten wird die Mutter zu Hause sein und nach Pfingsten lädt sie mich ein zu sich.

Nun müssen wir erst mal abwarten, wie es mit unsrer geplanten Reise wird. Dann muß ich später nach Kamenz fahren. Es wird sich herausstellen.

Am Freitag soll ich meine Tante Martel aus Glauchau, die mit ihren 3 Kindern auf 4 Wochen zur Oma nach Mittelfrohna in Ferien kommen will, in Chemnitz abholen. Sie kann es nicht allein schaffen. Das Kleinste, im Wagen, 2 Mädel an der Hand, 2 große Koffer! In Glauchau bringen sie Hausleute zur Bahn und in Chemnitz soll ich sie abholen. Am Vormittag. Ich muß schon so gut sein, wer sollte außer mir? Aber der Vormittag wird mir fehlen in meinem Programm. Ich muß die Karawane vom Oberfrohner Bahnhof ja dann auch mit dem Handwagen bis Mittelfrohna begleiten – sie kann doch unmöglich allein alles befördern. Nun fehlt nur noch, daß am Sonnabend vor den Feiertagen M.s erscheinen! Wie immer, unangemeldet! Um zu übernachten bei uns! Das fehlte mir noch, Du!! Ich habe schon mit den Eltern beschlossen, daß wir am 1. Feiertag früh schon losgehen irgendwohin, zu Fuß – weil die Bahn wieder mal eingestellt ist teilweise!

Wir essen draußen Mittag und kommen erst abends zurück. Die Herrschaften mögen nicht denken, daß ich mir die Feiertage mit ihren ungezogenen Jungen verderbe! Und mit den Eltern zu Hause versitze! Kommt nicht in Frage! Es müßte denn ganz schlechtes Wetter sein. Vater muß schon am 2. Feiertag abends seinen Dienst wieder antreten, der arme Kerl hätte ja dann garnichts von seinen Feiertagen. Ich werde schon durchdrücken hier.

Wenn ich meinen Brief an Dich beendet habe, will ich endlich plätten, das mußte ich nun am Sonntag um der Soldaten willen verschieben. So viel Wäsche und Blusen, die gewaschen sind, muß ich plätten. Du!!

Herzlieb! Auch Deine Leinenjacke ist fein sauber!! Ich plätte sie nachher mit! Herzlieb! Sieh: Alles ist bereit zum Empfang! Brauchst bloß zu kommen und kannst gleich in Deine Zivilsachen schlüpfen, da kennt man Dich dann nimmer, als Matrosen – wenn man Dich zurückholen läßt! Ich lasse Dich nämlich nicht mehr fort, wenn Du einmal bei mir bist! Daß Du’s nur weißt!!! Du!! Ach ja – wenn – wenn es nur erst mal so weit wär'!!!

Gestern schrieben mir die „Hanseatischen“ wieder und 'ne Rechnung für April-Juni – und das vorhergehende Vierteljahr auch nochmal mit! Da habe ich mich sofort hingesetzt und einen Brief hingefunkt, der gewiß nicht ohne Nachdruck war; echt deutsch und sehr deutlich habe ich Ihnen die Meinung gegeigt – aber bei allem noch vornehm! Bin neugierig, was nun hierauf folgt. Auf mein letztes Schreiben zuckten sie sich garnicht. Deshalb bin ich auch um vieles deutlicher geworden!

H.s möchte ich auch schreiben, es ist bis heute noch [k]eine Rechnung für den Liegestuhl bei mir.

Und nun ist bald Pfingsten, da möchte man die liebe Verwandtschaft wieder mit Grüßen bedenken! Ach ja, auch wir an der inneren Front haben genug Dienst! Mein Matrosenhubo!! Ihr Schreiber, die Ihr oft nicht wißt, was Ihr machen sollt während dem Dienst, wollt Ihr mir nicht mal die fremde Schreibarbeit abnehmen? Ich schreibe am allerliebsten nur an meinen Hubo – mehr nicht und weiter niemand! Das ist doch am allerschönsten und da werde ich auch garnicht müde, da kann ich sooo lange schreiben!! Du!! Aber nur, solange kein Geistesblitz mich an meine Pflichten als stellvertr. Hausfrau gemahnt. Denn dann ist es bald vorbei mit der allzugroßen Ausdauer – wenn so vieles drängt und will erledigt sein, dann habe ich nicht viel Ruhe, still zu sitzen! Du!!

Müßtest eben bei mir sein, daß ich mit Dir reden könnte!! Da kann ich nebenbei was tun: Wäsche ausbessern, stopfen und so weiter. Aber so – muß ich halt alles zu Papier bringen. Bald, bald ist auch die Zeit wieder vorbei – dann bist Du bei mir – und die Feder wird rosten, Herzlieb! Aber unsre Schnäbelchen, die kommen dann nicht aus der Bewegung!!! Und wenn sie nicht essen, nicht sprechen, nicht singen – was tun sie dann? Rate Du, Du??

Ich weiß, was sie wohl dann tun! Du!!

Einen ganz, ganz lieben Kuß schenke ich Dir, Liebster!! Einen? Viele! Viele! Hundert, tausend! Soviel Du nur fassen kannst! Ach, ich habe sooooo viele am Lager jetzt!!!

Geliebter!! Geliebter!! Hab herzlichen Dank für Deinen so lieben, lieben Brief! Vom Dienstag, den 20. Mai! Er ist schon bei [m]ir und hat mich sooo tief beglückt! Du mein Sonnenschein!! Wie soll ich Dir all Deine treue Liebe danken?!! Du!!! Ich liebe Dich, mein Herz! Ich liebe, liebe Dich! Vieltausendmal möchte ich Dir's jubelnd zurufen!!! Du bist mein Glück! Meines Herzens Freude und eitel Sonnenschein! Wie Du mich so reich beschenkst!!! Ich bin sooooo glücklich in Deiner Liebe!! Du! [Roland]!! Mein lieber, guter [Roland]! Mein!! Du!! Oh – mein!!!

Nimm mich ganz, Geliebter! Ich will Dein bleiben!!

Ich liebe Dich so sehr! Herzlieb mein!!

Gott behüte Dich auf allen Wegen!

Deine Holde. Du!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946