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Briefkorpus

Donnerstag, am 29. Mai 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein lieber, guter [Roland]!

Es ist schon nach 4 Uhr, da ich Dir schreibe. Ich habe eben meine Portion Arbeit, die ich mir für heute vorgenommen hatte, beendet. Unsre beiden Küchen habe ich gründlich gesäubert – für die Feiertage. Fensterwäsche frisch aufgesteckt. Nun ist alles blitzblank, kann der liebe Hubo kommen!!!!! Und mir gefällt es nun erst wieder mal richtig bei uns. Ich hab's [z]u gerne, wenn um mich her peinliche Sauberkeit herrscht, dann erst fühle ich mich zuhaus.

Aber nun war es auch Zeit, daß ich mich vom Schmutz befreite, mich persönlich!! Kann doch nicht beschmutzt und im ,Scheuerstaat‘ mit meinem Herzlieb plaudern! So nahm ich mir einen großen Asch [sic] voll Wasser und seifte mich fein ab – von Kopf bis zu Fuß – ganz im Evakostüm, Du!! (Die Türen und Fenster waren fest zu!!) Ich mußte an die schöne Seife denken, die meiner wartet, während ich mich über die Rif-Seife ärgerte, vorhin! Das ist ein Zeug!

Kaum hatte ich mich frisch angezogen, klingelte es … Onkel Herbert kam, um uns für die Feiertage nach Chemnitz einzuladen. Sie wollen erst nach Pfingsten mal heraus kommen. Wie sollte ich's nun machen? Ich sagte für einen Feiertag zu, denn abschlagen mochte ich nicht. An welchem wir fahren, das sollen die Eltern bestimmen. Er fragte großartig, was wir zu Essen wünschten, mittags! Wer weiß, was der wieder angeschleppt bringt. Mir ist es gleich, an welchem Feiertag wir hinfahren. Jedenfalls gehe ich am 1. früh in die Kirche singen.

Ach Liebster! Dieweil [sic] ich Dein denke, hat der Himmel alle seine Schleusen aufgetan, schlimm! Ein tolles Regenwetter! Die schöne, zarte Blütenpracht, sie tut mir soo leid; es waren seit 2 Tagen auch die prächtigen Tulpenbäume voll erblüht in den Gärten. Und solch böser Sturm weht obendrein, der wird alles erbarmungslos zerzausen. Zu schade!

Sollen wir denn auch schon in der Natur draußen zweifeln und keine Freude mehr haben? Ich glaube, wenn das so weiter geht, ist unsre Ernte hin. [S]o kalt ist es gleich wieder, ich kann mich im Zimmer nicht ohne Feuer erwärmen. Meine schön geputzten Fenster! Alles umsonst. –

Geliebter! Heute kam Dein lieber, lieber Bote vom Donnerstag, den 22. Mai. Du! Laß Dir von Herzen danken für Dein so liebes Gedenken! Du hast mich so erfreut, Herzlieb, mit Deiner lieben Schilderung über Euren freien Nachmittag. Und mit all dem Lieben, Heimlichen, was noch zu lesen ist! Du![!!!]! Bist doch mein allerliebstes, allerbestes Mannerli! Du!! Ach Du!! Wenn Du mir so viel Liebes und Süßes sagst, dann muß ich mich soo sehr sehnen nach Dir – daß ich am liebsten gleich einmal bei Dir wäre, Geliebter!! Du!! Du!!!

Am Himmelfahrtstage schriebst Du mir Deinen Brief. Und Du fragst mich, ob ich noch weiß, wo wir vergangenes Jahr zur Himmelfahrt gewesen sind. Vergangenes Jahr war der 1. Mai Mittwoch; 2. Mai, Donnerstag Himmelfahrt. Ich denke nach, überlege – aber ich kann mich nicht entsinnen, wo wir da gewesen sind. Im Geheimbüchlein schlug ich auch nach, doch da steht nur: „zu Besuch in Oberfrohna.“

Es liegt halt zu viel Neues zwischen diesem und dem vergangenem [sic] Jahr, daß man garnicht mehr alles auseinanderhalten kann. Na, vielleicht fällt's mir doch nochmal ein.

Das Pfingstfest verlebten wir auch hier bei uns. Weißt? Am 1. Feiertag fuhren wir bis zur Waldecke, durch den Grünfelder Park liefen wir, S.'s, unser jetziger Kantor, saß unweit von uns im Bus und auch im Parkrestaurant! Heimzu hatten wir den Anschluß verpaßt und mußten laufen! Oh Du! Das weiß ich noch ganz genau! Über Rußdorf, an Deiner Schule vorbei, liefen wir heim. Und waren soo müde!! Kaum konnten wir Abendbrot essen! Aber schön! Schön war's doch! Ja? Du??!!

Am 2. Feiertag besuchten wir die Mittelfrohnaer Oma. Und am 3. Feiertag fuhren wir nach Breitenborn zum Onkel, da fuhren gerade D.s aus Hohenbocka mit nach Chemnitz, weißt Du noch? Und wir brachten soviel Rhabarber mit nach Hause, den mußte die Mutsch dann allein einkochen, weil die faule [Hilde] mit ihrem Hubo nach Schmilka fuhr! Da besuchte uns dann Deine liebe Mutter und da kauften wir in Bodenbach so ein! Schaffel!!! Und Töpfe u. was weiß ich noch!

Wie hieß der Mann doch gleich? Na!? Ich hab's!! Zimmerhackel! Ich könnte lachen, wenn ich daran denke, Herzlieb Du!! Ach, es waren doch wunderschöne Zeiten, die schon hinter uns liegen!! Will's Gott dürfen wir bald wieder so von ganzem Herzen glücklich sein! Mein Herzlieb!! Du!!

Beim Onkel in Breitenborn. Da muß ich immer an meine Dummheit denken, die ich während dem Tischgebet beging. Ach Du, das war mir so peinlich! Weißt Du noch? Ich konnte es ja nicht ahnen, wie das beim Onkel gehalten wird – und so eine Art Tischgebet war mir überhaupt ganz fremd. Sie werden mir es nachgesehen haben, meinst? Du!! Hast halt ein dummes, junges, ungeschicktes Weiberl! So viel erlebten wir schon gemeinsam, Herzlieb! U[n]d wieviel Liebes, Schönes darunter, ach – nur Schönes und Liebes! Du!! Geliebter! Wir sind doch zwei rechte Glückskinder, Du!! Die sooo viel Liebe in sich tragen, die alle sich verschwenden will und verschenken, am geliebten Gefährten! Du!! Du!! Eine frohe Glücksinsel ist unser gemeinsames Leben, sie soll es immer bleiben, Geliebter! Unser schönster, liebster Hort, wohin wir alle Heimlichkeit und Kostbarkeit und Süße tragen, nur uns beiden erkennbar, nur Dir un[d] mir. Ach Du!! Du!!! Wie ich mich freue auf Dich!! Wie ich mich sooo freue auf Deine Heimkehr, Geliebter!!

Möchte Dich unser Herrgott schützen und behüten, mein Glück. Möchte er immer um Dich sein mit seiner Liebe und Gnade. Daß wir glücklich und froh unser gemeinsames Leben beginnen dürfen. Ich habe Dich so unsagbar lieb, mein [Roland]! So von ganzem Herzen lieb!!! Oh Du!! Du!!!!!!!!!! Ich kann ohne Dich nicht sein! Ich brauche Dich, mein Lieb. Du!! Miteinander erst können wir von Herzen glücklich sein! Mein Glück – Dein Glück! Unsre Seligkeit! Unsre Freude! Ich bin Dein – Du bist mein!!!!! In Ewigkeit Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946