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Briefkorpus

Freitag, am 30. Mai 1941.

Mein liebes, teures Herz! Du mein geliebter [Roland]!!

Du!! Gestern abend in der Singstunde war ich so froh, weiß garnicht, wie es kam. Nichts von außen her, daß mir einen Anlaß dazu gegeben hätte. Es kam von innen heraus dieses Frohsein! Und ich glaube, Du warst auch froh an diesem Abend, Geliebter!!

Ich hab richtig unser großes Glück des Einseins [sic] empfunden[,] Herzlieb, so deutlich wie selten – und Dein geliebtes Bild schwebte mir vor, oh Du, so ganz deutlich!! Vielleicht war es die liebe, alte, vertraute Musik, die mich so sehnsüchtig und verlangend Dein denken ließ, Du!! An die wundersame Zeit, da Du noch bei uns weiltest als Dirigent, Liebster! Ach Du! Wenn Du die alten, schönen Melodien uns vorspieltest, das war so ganz anders als es jetzt ist. Es berührte mich alles viel tiefer und inniger.

Ich kann es Dir garnicht beschreiben, was mir die Singstunden bedeuteten, als Du noch bei uns warst. Herr St. kann der Musik nicht so Ausdruck geben wie Du – ich weiß nicht, wie das kommt – bei Dir war die einfachste und schlichteste Melodie, das einfachste Liedchen ein kleines Geschenk, ein kleiner Kunstgenuß – und es machte so viel Freude uns von Deiner Musik mit fortreißen lassen mit unserm Gesang, es war so eigenartig; so schön.

Ich weiß nicht, ob Du mich recht verstehen kannst, ob ich (mir Dich) mich Dir verständlich machen kann hiermit, Liebster. Herr St. scheint mir nicht mit dem Herzen dabei zu sein, seine Musik ist ohne Widerhall für mich – so ist ohne Schmelz – alle, sie ist eben nicht so wie Deine Musik, Du!! Ich mache ihm auch keinen Vorwurf, aber es schmerzt mich immer, wenn ich Vergleiche ziehe zwischen ihm und Dir und feststellen muß, daß er kaum an Dich heranreicht. An unseren kirchlichen Festen, wo wir uns doch immer mühten, unser Bestes zu geben, Sänger wie Dirigent, der Gemeinde zur Freude und dem Herrn zu Lob und Preis! Jetzt – es ist eben vom Pfarrer befohlen, es wird geübt, gesungen, und damit hat es sich – Herrn St. fehlt die rechte Art, uns auf die Eigenheiten und Feinheiten eines jeden Liedes und Werkes aufmerksam zu machen. Es wird ein Stück wie das andre heruntergeleiert und geschnurrt – keiner beachtet den Atem, das eigentliche Leben, das uns aus dem betreffendem [sic] Werke entgegenklingen will. Das ärgert mich, und das verleidet einem oft die Freude an der Sache.

Manchmal möchte ich am liebsten dazwischenrufen, – daß es keiner von den übrigen merkt, oder sagen mag? Außer Herrn B. und mir hat sich selten jemand den Mund verbrannt. Ich bin nicht unhöflich, wenn ich Herrn St. irgend etwas sage! Aber, ich kann mir nicht helfen, das muß raus bei mir, wenn ich sowas höre und merke. Dabei bin ich nicht einmal besonders musikalisch – aber, wer das nicht fühlt, na, ich weiß nicht.

Unser Dirigent entschuldigt sich immer damit, daß er das zum ersten Male spielen würde. Kann ich auch verstehen – aber das hört man sich paarmal mit an, doch fortwährend dieselbe Ausrede, das ist lächerlich. Mir persönlich wäre das peinlich, wenn ich eben nicht befähigt bin zu einer Sache, dann muß ich sie niederlegen. Das ist doch gar kein Arbeiten auf die Dauer mit so einem Menschen.

Es tut mir zu sehr leid, wie man an unserm Chor herumstoppelt – aber für kirchliche Angelegenheiten hat man ja heutzutage keinen Pfifferling mehr übrig. Geht die Sache um den Ring, hat sich's – aber redet man von irgendeiner Verbesserung, Neuanschaffung, oder von irgend etwas Vorteilhaftem, da geht überhaupt kein Weg hinein – ist ganz ausgeschlossen. Und wenn ,man‘  könnte, wie man wollte, hätte ,man‘ uns sicher schon längst das Handwerk gelegt.

Ach, ich will mich nicht ärgern, der Einzelne ändert doch nichts an der Tatsache. Wir müssen nur still zusehen, wie die Dinge sich wenden werden.

Nur innerlich dürfen wir ganz ehrlich sein und ganz die Alten bleiben in unsrer Ansicht. Und ich bin ja so froh, daß Du und ich auch hierin übereinstimmen. Und all unsre Lieben! Wenigstens ein kleiner Kreis, bei dem man Verständnis findet, mit dem man sich auch einmal rückhaltlos austauschen kann hierüber. Und diese frohe Gewißheit war es wohl auch gestern abend bei mir, die mich so innig und lieb Dein denken ließ, Geliebter!! Ich spüre es hier und dort im täglichen Leben: nirgends finde ich das, wie bei Dir! Du bist mir wahre Erfüllung in allem, Du!! Bei Dir finde ich alles, alles! Du bist mir doch der allerliebste, allerbeste [Roland]! Du allein kannst mich ganz verstehen – ganz erfüllen! Du!!!

Wo Du bist ist das Glück!! Mein Glück!!! Du!!! Alles andre sind für mich nur Halbheiten.

Ich trachte immer nur darnach, mit Dir eins zu sein[,] mein [Roland]! Du!!! Du!!!

Und so muß es wohl auch sein, wenn zwei sich von ganzem Herzen liebhaben! Ja? Du!!!

Sie müssen einander immer suchen, herbeisehnen, dann erst ist alles gut – dann erst sind sie ganz froh, ganz zufrieden und ganz glücklich! Du!!! Ich kann nur noch an Deiner Seite alle Schönheiten und alles, was das Leben noch gibt, in all seiner Tiefe und Erhabenheit erleben und erfassen, Du!!! Weil meine Seele, mein Herz mit Deinem verbunden ist, so eng, so unlösbar, daß ich nur mit Dir zusammen glücklich sein kann! Ach, ich kann ja nicht mehr leben ohne Dich!! Ohne den Inhalt meines Daseins! Ohne meinen Sonnenschein! Ohne meinen [Roland]! Geliebter!! Geliebter!! Mein ganzes Leben ist ein Verl[a]ngen nach Dir, nach Dir!! Und ich bin erfüllt davon, bis in den äußersten Winkel meines Herzens! Du!! Nur Du kannst mir alles Glück bringen! Nur Du!! Du bist meine Erfüllung! Mein höchster Schatz auf dieser Erde! Du! Du!! Mein lieber, liebster [Roland]!! Wenn Du mir erst zurückgekehrt bist, oh Du!! Du!!! Wie glückvoll und reich an Freude wird unser beider Leben dann sein! Wie glückvoll mit Dir!! Gebe der Herrgott seinen Segen zu unserem innigen Wunsche, möge er mir Dich behüten! Mein Lieb!!!

Freitag ist heute. Badetag! Dickerle?!! Gleich wird die Löcherdecke [sic] in Funktion treten. Aber das ist nun heute ohne Reiz, es schaut ja keiner zu beim Baden, der auf irgend etwas spannen will!! Bist beleidigt! I wo!, [sic] sei mir nicht!!

Ich bin heute sooo gnädig gestimmt, daß ich diesem gewissen „[N].[N].“ Feldpostn[umme]r. 43460, eine ganz große Portion von dieser Gnade zukommen ließe. Ja!! Er bräuchte sich garnicht die Gucker zu verdrehen, um durch die Löcher was zu erspähen – ich würde ihn gleich mit hinter den Vorhang nehmen!! Hoffentlich gehen ihm aber da nicht die Augen über! Und er sieht vor Schreck und Aufregung garnichts!! Da hinter dem Vorhang ist nämlich was ganz Besonderes zu sehn, Du!! Du hast ja keine Ahnung, Du kleiner Matrosenhubo!! Wart' nur, bis Du groß bist!! Dann darfst Du sowas auch mal sehn!!!

Herzlieb! Du!! Ich muß mich sooo sehnen nach Dir!!! Heute ist noch gar kein Brief gekommen! Aber das liegt [s]icher nur an der Pfingstüberlastung auf allen Postämtern. Morgen kommt bestimmt ein lieber Bote von Dir! Der Streußelkuchen mit den Filmen und Socken ist unterwegs! Auch 20 RM auf Postanweisung! Hoffentlich bekommst Du auch alles zugestellt! Mein Herzlieb[,] Du!! Nun muß ich erst mal Deine liebe Patschhand loslassen! Morgen fass' ich sie wieder, mein Schatz! Bleib wohlauf! Und bleib gesund und froh! Der Herrgott schütze Dich! Ich bleibe in aller Liebe und Treue und Zärtlichkeit immerdar Deine [Hilde], Deine Holde, Dein Herzlieb! Und Du bist mein [Roland]!! Ganz mein!!!!!!!!!!!!!

Wie glücklich bin ich darum und froh!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946