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Briefkorpus

Mittwoch, am 4. Juni 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Geliebter mein!! Du!!

Herzlieb! Ein wunderbarer Sommertag ist heute. Die liebe Sonne scheint so warm, zu warm! Und der Himmel ist so tiefblau! Ich glaube, ebenso blau wie bei meinem Herzlieb!! Ich bin mit Kleinchen gleich zu Mittag, es war ½ 2 Uhr, in den Wald gefahren. Warm war es und ich suchte ein schattiges Plätzel. Aber das Kleinchen wollte nichts davon wissen, von wegen stille liegen und nicht gefahren sein!! Sie fing an zu weinen und hörte nicht auf, bis ich mit ihr weiterfuhr. 2 mal fast quer durch den Busch fuhr ich, bis sie endlich eingeschlafen war. Und nun sitze ich am Ententeich, wo die weißstämmigen Birken stehen und ihr zartes Grün in den Himmel recken. Die Frösche quaken – in der Ferne hört man Kinderjubel, sie spielen Soldaten – o beneidenswerte Unwissenheit und Unschuld; Kinder, sie wissen nicht um den bitteren Ernst dieser Zeit. Und es ist so gut, daß es so ist. – Geliebter! Wenn ich so mitten in dieser friedvollen Natur sitze und hineinlausche, da kann ich mir garnicht vorstellen, daß an einem anderen Ende der Erde Krieg und Verderben wüten. Es ist so schrecklich, könnte denn nicht bald ein Ende gemacht werden mit diesem Elend?

Es liegt nicht in unsrer Macht, diese Stunde zu bestimmen. Und wir wollen nur den Glauben nicht verlieren, daß Gott alles wohl geschehen läßt mit uns. Geliebter!! Hoffen und Glauben wollen wir, ganz fest, Du!! An ein glückliches Ende.

Mein Herzlieb!! Ich wäre ja sooo glücklich, wenn Du in dieser Stunde an meiner Seite gehen könntest, wenn Du neben mir sitzen könntest. So tief nehme ich das Wunder des Sommertages in mich auf, es ist so wunderbar schön, einen Sonnentag voll Frieden und innerem Glück im heimatlichen Walde zu erleben! Ach Du!! Du!! Die Vögel zwitschern so hell, alles ist so schön heute, Du!!, so einzig schön! So dankbar begrüßen wir jeden Sonnentag, nach dem schier endlosen Winter. Du glaubst es kaum!

Neben mir mein Schützling, der kleine Purzel, schläft. Die Fäustchen wie immer geballt zu beiden Seiten des Köpfchens – wohlig langgestreckt liegt sie im Wagen. Ich war richtig stolz, Du!!, als ich mit dem Kinderwagen durch's Dorf fuhr nach dem Wald. Es ist schön, wenn man ein Menschlein so bemuttern darf und behüten. – Ich will Dir auch Kinder schenken, Geliebter! Gebe es Gott!! Heute früh, war es eine Freude, beim Bade! Ganz allein war ich mit ihr und ich bin so fein ins Geschick gekommen mit allem. Während sie schlief, schön satt getrunken, habe ich die Windeln gewaschen, meine Wirtschaft versorgt und das Essen angesetzt. Auch meinen Herzallerliebsten habe ich eingelassen heute früh!! Ja Du!!!

Ich mußte zwar tüchtig aufdrehen, damit ich mit der Zeit auskam; denn wenn ‚Madame‘ Hunger schreit, da gilt es zu springen, sonst wird sie bitterböse!! Aber das handelt sich nur um den ersten Tag, man gewöhnt sich so schnell an eine neue Einteilung des Tages. Und ich glaube, wenn wir einmal Kinderchen haben, brauchst Du deshalb nicht zu verhungern!! Ich kann die Zeit schon ganz fein einteilen! Du!!! Und wenn's die eigenen sind, dann ist man auch nicht mehr so ängstlich besorgt, dann geschieht alles ganz selbstverständlich.

Ach, ich freue mich auf unsre Kinderchen, Herzlieb!! Die Mutsch und der Papa sind dem Bärbele auch so gut! Und unseren erst recht – Du!!!

Geliebter!! Ich muß an unsere erste Begegnung denken heute, es war auch nach Pfingsten, im Jahre 1938 nach der Friedensburg gingen wir – es war so schön!! Es war ein großes, tiefes Erlebnis für uns beide! Weißt Du noch? Geliebter?

Weil ich heute dasselbe Kleid trage wie damals, darum muß ich daran denken, das gelbe Kleid, und weil es heute genauso wunderschön draußen ist wie damals! Und weil ich mich heute genau so sehr, so sehr sehnen muß nach Deiner Zärtlichkeit, wie damals – oh Geliebter! Geliebter!! Wie lieb mußte ich Dich schon damals haben.

Hier mußte ich im Walde abbrechen, Kleinchen wurde wach und wollte seine Flasche trinken. Darnach lag sie wieder naß! Und dann wollte sie gefahren sein. Ach, weißt, wenn die Kerlchen einmal munter sind, dann ist immer etwas andres los. Ich bin heimgefahren mit ihr, es war gleich ½ 6 [Uhr] abends. Nun bin ich eben mit dem Rade von Mittelfrohna heim, da holte ich ihre Milch vom B Rittergut. Die Mutsch fährt sie, noch bis um 9 Uhr aus, weil sie dann ihre letzte Mahlzeit bekommt und dann muß sie ins Bettel. Morgen gegen abend holt sie Tante M. wieder, da kommen sie heim von Chemnitz.

Herzlieb! Wundere Dich nur nicht, daß ich mit Blei weiterschreibe. Ich hatte mein Federkästchen vorn in die Klappe am Kinderwagen gesteckt und nun ist Mutsch fort gefahren und ich habe beide Federhalter da drinnen. Du wirst Dich wohl auch ohne Tinte freuen, Du?!!

Ach Geliebter!! Heute hast Du mir wieder sooo viel Freude und Glück und Sonnenschein gebracht! Du mein herzlieber [Roland]! Du!! Es kommt wieder soweit, daß wir uns streiten und eifersüchtig werden auf unsre Briefe!! Du schreibst mir einen lieben, schönen Brief nach dem andern – und ich? Ach, Du!!!!! Ich kann Dir doch lange nicht so liebe, liebe Briefe schreiben! Rede mir nur nicht dagegen Du!! Ich weiß das ganz gewiß!! Aber Du!! Ich meine es doch trotzdem so sehr gut mit Dir und ganz sehr lieb! Geliebter!! Du!! Ich liebe Dich so innig!! Du!! 5 Tage ist Dein lieber Brief vom Donnerstag den 29. gegangen! Am 30. abgestempelt und am 4. Juni war er hier!! Höchstleistung, Du!! Wenn Du selbst auch so rasch bei mir bist!! Fein!! Und auch der fehlende Montagsbrief ist nun noch mit angekommen heute! Ach Du! Sei tausendmal lieb und herzlich bedankt für alle Zeichen Deiner treuen Liebe, Du!!!

Und sooviel Heimlichkeit bringt mein Mannerli mit Du!! Machst mich doch so sehr neugierig!! Du!!! Und ich kann es nun bald nimmer erwarten, daß Du zu mir kommst – oder, daß unser Hochzeitstag heran ist! Du!! Noch reichlich 4 Wochen! Und dann sind wir schon 1 Jahr verheiratet! Schon ein ganzes Jahr!! Und nicht beieinander!! Ach, ich habe auch zweierlei vor, Dich am 13. Juli zu erfreuen damit. Und nun ist die eine Freude schon ins Wasser gefallen, ich kann es nicht bekommen, nirgends. Der betreffende Verlag nimmt keine Bestellungen mehr entgegen – Herr T. meinte, wegen Mangel an Leuten, Arbeitskräften. Das ist so schade! Ein Buch ist es, Herr G. riet es mir und ich habe schon darin geblättert, als ich in der Pfarre war und der Pfarrer es mir gab zum Lesen.

Von Friedrich Käßler „Ich schwöre mir ewige Jugend“ Soll wunderschön geschrieben sein, meinten G's. Na, wenn Frieden ist vielleicht! Ach – alles wird bis zum Frieden verschoben! Hoffentlich vergessen wir dann nicht eins mit dem andern, Du!!

Nun habe ich nur noch eine Freude, die ich Dir bis zum Hochzeitstag machen kann, hoffentlich trübt ‚man‘ mir die nicht auch noch aus solchen Gründen. Dann komme ich gleich persönlich und sage Dir mündlich, was ich Dir sagen will und muß, Herzlieb. Ach Du! Du!! Ich habe nun diesmal gar kein schönes Geheimnis, so wie Du!! Du?! Sag? Bist Du mir noch ganz sehr gut? Dickerle? Hm? Du?!! Wenn ja – dann kannst Du mir doch ein ganz ganz klein wenig von Deinem schönen Geheimnis verraten, ja Du? Willst Du? Du hast Dich so sehr gefreut! Ich sehe es zwischen den Zeilen durch leuchten, Geliebter! Ich möchte mich auch so gerne mit Dir freuen, schon jetzt! Du!!

Ach ich weiß: ich hab ein strenges Mannerli! aber Du! Soll ich denn in allem, allem warten – warten, bist Du endlich zu mir kommst – oder bis Frieden ist! Ach Herzlieb! Manchmal kann ich aber bald nicht mehr warten!!

Sag mir doch von Deiner großen Freude! Du!!! Ich möchte mich sooo gerne mitfreuen!! Aber betteln will ich nicht. Nein! Ich will keine Eva sein, die den Adam verleitet. Du sollst selber machen wie Du es für richtig hältst.

Herzlieb Du!! Mein liebes herzliebes, Mannerli! Ich hab jetzt einen Menschen, dem ich all meine Zärtlichkeit schenken kann, bei dem meine Liebe überströmen will, wenn [i]ch ihn so nahe bei mir fühle – einen ganz kleinen Menschen nur, mein kleines Schutzbefohlenes! Es tut so wohl, wenn ich meine Wange an die kleine samtene von meinem Kleinchen schmiegen kann. Ach, und ich denke dabei doch nur an mein Herzlieb, an meinen lieben, guten [Roland]! Ach Du!! Ich sehne mich so ganz sehr Dich zu küssen, Dich lieb zu haben, ganz sehr lieb! Ach Geliebter!! Wenn Du mir so liebe, liebe Briefe schreibst, dann steht meine Sehnsucht immer mächtiger auf! Du! Du!! Mittwoch ist heute, hast Du wohl Deinen freien Tag, Herz[li]eb? Ach Geliebter!! Könnte ich doch bei Dir sein!! Bei Dir!!!!! Mit dem kleinen Mädelchen ist soviel Sehnsucht und Verlangen in mich gekommen, ich sehne mich ganz sehr nach Dir, seit sie da ist. Du solltest nur bei mir sein Du!! Dann hätte ich alles um mich, was ich ersehne, Du!! Ach, bald, bald, Du, dann wirst Du wieder einmal zu mir kommen! Gebe der Herrgott seinen Segen dazu! Lasse er Dich gesund und froh heimkehren, Geliebter!! Ich warte Dein voll Sehnsucht! Voll Liebe! Und voll Heimverlangen – wie Du, mein Lieb!

Gott behüte Dich! Ich liebe liebe Dich! Mein Sonnenschein! Ich bin und bleibe allezeit ganz, ganz Deine Holde, Du!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946