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Briefkorpus

Sonntag, am 8. Mai! Juni 1941. [sic]

Herzlieb!! Herzlieb!!! Ja nicht zurück!! Du!!

So muß ich doch gleich beginnen. Da rücken wir dem Wiedersehen ja immer ferner! Du!! Du!!!

Es ist jetzt gleich 5 Uhr am Nachmittag, ich habe den Sonntag einmal richtig verbummelt heute, Herzlieb, mit den Eltern. Morgens schlief ich bis 9 Uhr! Weil ich gestern abend so müde ins Bett sank. Und dann verrichtete ich mit Mutsch die Hausarbeit und besorgte das Essen. Darnach nahm Vater den Liege[s]tuhl, um sein Schläfchen zu halten unten in der Sonne. Wir Frauen beseitigen derweil die Spuren des Mittagstisches. Und nachher setzten wir uns auch mit runter. Vater machte mir Platz und ich ließ mir‘s so recht wohl sein, im bequemen Stuhle. Mutsch saß neben mir, wie immer eine Arbeit in den Fingern. Ich hatte Deinen lieben, lieben Pfingstbrief mit mir genommen, Herzlieb! Er hat mich heute früh aus den Federn geklingelt!! Und ich habe mich ganz sehr gefreut über ihn, Du!! Ich habe ihn schon [ein] paarmal gelesen. Du!! So lieb und vertraut stehst Du bei mir – ich fühle Dich ganz nahe bei mir, Herzlieb! Ich muß Dich sooo sehr liebhaben, mein [Roland]! Ach, wenn Du nur erst wieder mal bei mir sein könntest!! Wieviel Glück und Freude!!!

Eben jetzt tobt sich ein Gewitter aus draußen. Wir mußten in‘s Zimmer flüchten, wenn wir nicht versaufen wollten! Aber ich mein', daß es bald vorüber ist. Die Ilse Sch. war gleich da, schon einmal, vorigen Sonnabend[,] war sie da, um mit mir ins Puppentheater zu gehen. Weißt[,] „Ritschers Puppenbühne[“], die immer im Rautenkranz gastiert, Du hast schon einmal mit zugesehen, als wir von der Kantorei aus ein Vergnügen hatten im Rautenkranz.Weißt Du noch, Herzlieb? Da habe ich Dich zum ersten Male so warm und herzlich lachen hören, daß ich Dich ganz freudig betroffen anschauen mußte auf der Stelle. Du sast [sic] hinter mir – und hinterdrein tat es mir gleich so leid; denn Du schautest mir ebenfalls in die Augen und verstummtest sofort – ach, wie habe ich mich geschämt damals, daß ich so dreist Dir ins Gesicht blickte. Aber es war mir wie [ei]ne ganz große, freudige Überraschung, daß du so herzlich und warm lachen konntest – das hatte ich noch nie an Dir gesehen, immer nur ein höfliches, kleines Lächeln; ich hielt Dich für so kalt und ernst einst. Und es war mir an diesem Abend ein richtiges Glück, daß ich Dich so gesehen.

Wie töricht ich war, wirst Du denken, aber ich kann‘s doch nicht leugnen, ich mußte dich ja schon damals so innig liebhaben! Ach, Du weißt ja garnicht wie das ist, wenn das ganze Tun und Treiben in der Welt nur erst einen Sinn erhält durch ein[en] ganz bestimmten Menschen, wenn sich das ganze Sein nur um eine bestimmte Person dreht.

O ja, Herzlieb, Du weißt das auch. Du wußtest das auch schon damals – ich ahnte es nur nicht, jetzt weiß ich es Geliebter.

Und ich weiß um die Menschenkinder, die Dich erfüllten und die Deine Sehnsucht waren. Ich trage Dir nicht das kleinste nach, Geliebter! Du weißt es! Gott fügte es so mit uns, Du!! Und sind wir nicht zutiefst beglückt und froh darum? Du!! Konnte das Leben eigentlich anders zu ertragen sein, als so wie es jetzt ist?

O Herzlieb? Ist unsre Liebe nicht ein ganz kostbares Himmelsgeschenk? Ein Gottesgeschenk? Du!! Ja!!! Und als solches wollen wir sie immer betrachten und hoch und heilig halten, unsre Liebe, ja Du?!! Ich bin so glücklich, daß ich mit Dir leben darf! Mit Dir! In Freud und Leid! In Sorgen und Pflichten! In allen Zeiten eines Lebens – Du!!! Wie ich es herbeisehne, dieses gemeinsame Leben!! Du!! Mit Dir alles teilen, alles – alles. Wie unsagbar schön und beglückend, mein [Roland]!!

Und – höchstes Glück! Ich muß nicht mehr wie anfangs die Angst vor meinem Erwachen fürchten, das mir all mein Glück zerschlägt – ich muß mich nicht mehr wie ausgesperrt, verloren fühlen, Dir und Deiner Welt gegenüber – die Zeit ist vorbeigegangen, da wir noch suchend und tastend vorwärtsgingen und unsre Herzen voreinander aufschlossen und unsre Wesen einander näher brachten. Mir fiel es so unsäglich schwer, Dir gegenüber immer die rechten Worte zu finden für das, was auch mein Inneres bewegte – Du glaubtest erst kaum an die Möglichkeit, daß ich Dir jemals der Kamerad, die Frau sein könnte, die Du wirklich brauchst, wie Dein tägliches Brot. Ich weiß und wußte es ja schon damals, daß Du nicht nur einen Gefährten brauchst, um alle die vielen angenehmen und schönen Seiten des Lebens an seiner Seite zu erleben – viel mehr mußte er Dir sein können! Viel mehr! Und vielleicht war es nun doch diese Erkenntnis, die mich zu so einer gründlichen Auseinandersetzung mit mir selbst zwang, daß ich Dir in meinen Briefen vieles sagte, was meine Lippen nie hätten sprechen können. Ich kann mir heute noch nicht klar sagen, warum ich es nicht konnte. Wenn ich so vor d Dir stand und in Deine Augen sah, dann war mir alles wie zugeschnürt bis obenhin – vor Erregung und vor Glück, daß ich allein schon bei Dir war.

Ach Du! Wir Frauen sind so eigenartig oft, so ganz anders, wie ihr Männer es Euch vielleicht denkt und vorstellt. Und ich war ja noch so jung, so jung. Und das war es wohl auch, was Dich, Lieber, oft zweifeln ließ an einem gemeinsamen Glück zwischen uns.

Hinter mir lag ja nichts, was Dir den Glauben geben konnte, eine mitsorgende, mittragende, Gefährtin zu sein. Mein Leben lag so einfach und eben, ohne Sorgen und große Nöte hinter mir.

Aber ich glaube, daß eine Frau, ein Mädchen, ein Wissen haben kann um Dinge, die sie nicht in Wirklichkeit erlebt hat – das mit ihr geboren ist. Man braucht nicht [zu] lernen, fraulich zu sein. Mitsorgende, liebende Kameradin? Liebster, die Rolle übernimmt man nicht, zu diesem Schicksal ist ein Frau vorbestimmt.

Du kannst Dich vielleicht nicht in meine Welt hineinvers[et]zen, aber ich kann mich in die Deine hineindenken und sie begreifen. Frauen sind anders. Wir bleiben uns treu und können uns doch aufgeben.

Ich glaube, daß wir uns vielleicht erst selbst finden, wenn wir uns aufgegeben haben.

Ach Liebster! Wohin habe ich mich denn heute verloren!! Die Vergangenheit? Ein guter Stern war mit uns! Du!! Wie es sich fügte, so herrlich schön fügte zwischen uns beiden! Bist Du nicht ebenso glücklich wie ich? Aber bei allem Glück – es war gut, daß eine  ernste Zeit der Prüfung unserm jetzigen Glück voraus ging. Wäre uns unsere Liebe sonst so kostbar, so wert, ein so ‚heilixger‘ Besitz? Wie dankbar, wie kindlich froh dürfen wir uns unsres Glückes freuen!! Du und ich! Gott war uns gnädig – er wird nie von uns gehen mit seiner Gnade und Güte.

Unser Glaube ist unser bester Tröster und Quell der Kraft – unsere Liebe aber – Gott segne sie – Leit [sic] und Ziel unsres Erdenweges. Geliebter mein!! Du sagst es mir in Deinem so lieben Brief[,] der heute zu mir kam, und das macht mich so froh und glücklich, es gibt mir Antwort auf mein Fragen in meinem gestrigen Brief; denn Du schreibst: „Unsre Liebe, sie ist der Ruf zur Heimkehr, sie ist die Brücke zur Heimkehr, die Brücke zur Heimat! Sie ist mein Ein und Alles!“ So schreibst Du mir!! Du!!! Und das ist unermeßlich viel Freude und Glück für mich, Geliebter!! Du bist mein! Und Du willst mein bleiben! Du trägst die gleiche große Sehnsucht in Dir wie Deine [Hilde] – oh Du!! Du verstehst mich so ganz! Unsre Liebe, sie erfüllt dieses Leben so groß und reich – so ganz! Sie macht es so lebenswert und kostbar! Gott segne Dich und unseren Bund! Du!!

Ich liebe Dich! Mein Herzensschatz!

Ich bin Dir sooooo gut! Du!!

Herzlieb! Hab Dank für Deinen lieben Brief vom Pfingstmontag!

Du!! Vom Puppentheater hatte ich begonnen zu erzählen. Einmal hatte ich die Ilse Sch. abgewiesen mitzugehen. Heute mochte ich es nicht wieder [tun]und nahm ihre Einladung an. Sie will um 7 Uhr bei mir sein, um 8 [Uhr] beginnt es. Ich bin ja neugierig, ob mir‘s gefällt!

Was gespielt wird[,] habe ich wieder vergessen. Ich erzähle Dir morgen, ja?

Und nun ist es gleich soweit, daß ich mich umziehen muß für den Gang in die Holzoper!!

Ich sag´ Dir Ade für heute, Herzlieb!

Ich nehme Dich mit! Ganz tief im Herzen! Du!!! Du weißt, wie ich Dich liebe!

Ich bin Dein für dieses Leben – ganz Dein, Geliebter!! Behalte auch Du mich lieb, wie ich Dich ewig lieb behalte, mein Herzlieb!

Gott behüte Dich mir! Er führe Dich bald, bal[d] heim zu mir! Mein Sonnenschein! Mein Leben! Ich liebe Dich! Du!!! Ich liebe Dich!!!

Deine [Hilde].

Viel tausend liebe Grüße von den Eltern!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946