Bitte warten...
Briefkorpus

Montag, am 9. Juni 1941.

Mein liebes, herzliebes Mannerli! Du mein lieber, lieber [Roland]!

Herzlieb Du!!! Zuerst einen ganz, ganz lieben Kuß!!! Nicht ohne Grund – o nein!! Als Belohnung!!! Hat nichts mit mir zu tun! Nein, nein! Für Dein treues Aushalten im Dienst für’s Vaterland hast Du einen Rang erstiegen! Ich freue mich ja so sehr für Dich, Herzlieb!! Also, Dickerle!! Meinen allerherzlichsten Glückwunsch zum „Gefreiten“!! Du!!!!! Was soll ich Dir denn nun gleich vor Freude schenken? Ich habe garnichts da! Weißt? Am Sonnabend habe ich Dir ein Pralinenpackel zugeschickt, das nimm von mir als Glückwunsch in handfester Form!

Und wenn Du heimkommst zu mir, dann will ich Dich noch viel lieber beschenken, Herzlieb!!

Ja Du! Kam doch heute Dein lieber Bote an vom Donnerstag, den 5. Juni – und wie immer schon, sah ich auch heute nach Deinem Absender und: freudige Überraschung!! Ich sah Deinen neuen Dienstgrad! Du!! Herzlieb! Ich kann nicht anders denken, als daß Du Dich auch ganz sehr gefreut hast über diese Beförderung – wenn Du auch nicht mit Leib und Seele Soldat bist und nach Ruhm und Rang jagst. Aber es ist doch in mancher Hinsicht nun ein Vorteil für Dich aus dieser Beförderung erwachsen!

Kein Ton, kein einziger steht in dem Briefe, daß Du Gefreiter geworden bist. Es fehlen mir einige Briefe dazwischen, gestern kam der vom 2. Pfingstfeiertag an, darin sagst Du mir nichts davon, nur daß Deine Kameraden ‚Gefreiter‘ wurden und von der sinnigen Feier, die gemeinnützigen Zwecken dient!! Recht so! Das muß begossen werden – und zu Dir gesagt: ich wäre schon gerne mal mit dabei, beim Begießen! O ja! Ich bin immer noch Dein kleiner Süffel  – es gibt bloß in Deutschland nirgends mehr Gelegenheit, dieser schwachen Seite zu frönen! Kein Alkohol – ‚kein‘ ist ein bissel  kraß – doch ganz wenig Alkohol gibts nur hier bei uns noch. Du bekommst in den Gaststätten nicht mehr als 1 Glas Bier – ebenso ist es mit Tabakwaren. Du!! Wenn Du heimkommst, dann bringe mir nur, wenn’s Dir irgend möglich ist, eine Flasche Wein mit. Ach, ich sehne mich ganz sehr nach einem Glase guten Wein!! Dann feiern wir beide nochmal Deine Beförderung! Ja? Du? Herzlieb!!

Die Eltern haben sich ja so mit mir gefreut! Und sie sagen Dir durch mich ihren herzlichsten Glückwunsch!! Gleich heute muß ich das nach Kamenz schreiben!

Frau K. schrieb mir auch mit Freude, daß ihr Mann Gefreiter geworden ist! Sie hat mir wieder Geld überwiesen, auch Frau H! Diesmal betrug die Rechnung ziemlich 14.- RM, alle laufenden Sendungen zusammen genommen. Sind ganz ansehnliche Summen, ja?

Und es wäre Deinen Kameraden sicher schwer gefallen[,] sie von ihrem geringen Einkommen zu begleichen! Es ist schon richtig so wie ich es machte, da kommen wir wenigstens zu unserm Gelde.

Du!! Am Sonnabend, als ich gegen Abend mit Mutter in Limbach war, da habe ich mir etwas Schönes gekauft. Wirst Du zanken? Eine wunderschöne Spitzendecke auf unser Rauchtischel, sieht ganz reizend aus – sie kostet viel Geld, 18 M!! Wirst Du schimpfen, Dickerle?!! Ich hab’ Angst! Aber weißt, Wenn [sic] Du dann wieder bei mir bist, da gibt es andre Ausgaben, da kommen nötigere Dinge an die Reihe. Und ich sagte mir, du kannst es schon verantworten, wenn du [eine] Wohnung hättest, müßtest auch Miete zahlen und es gäbe viele Ausgaben. Das Geld ist ja nicht nutzlos vertan, es dient ja alles zu Ausschmückung unsres Heims, Du!!

Deine Mutter meint, daß ich auch unser Meißner Service vollends sammeln soll, solange Du fort bist. Sie hat recht, denn nachher [unter]bleibt das auch, da kommen so viel andre Sachen, dringende Sachen, die wir schaffen müssen.

Auch hat die Sch. Ilse am 12. Ju[ni] Geburtstag, ihr habe ich ein kleines Spitzendeckchen gekauft, sie hatte mich zu meinem Geburtstag auch beschenkt. Und da denke ich gleich an unseren gestrigen Abend, den wir miteinander im Puppentheater verbrachten. Es war zum Schießen!! Herzlieb! Haben wir gelacht! Ich wünschte immer, Du wärest auch dabei gewesen. Die spielen zu ulkig!

„Krach in Runksendorf“ oder „alle neune[sic]“ [–] Kasper als Gurkenfabrikant Kulicke, ein leidenschaftlicher Kegler, was aber seine Frau nie erfahren darf. Sie haßt nämlich alle, die dem Kegelsport frönen, weil sie in ihrer Jugend von einem Manne, der auch dem Kegelverein angehörte, betrogen wurde. Es war eine konfliktreiche Geschichte, bis seine Frau plötzlich durch einen Zufall erfuhr, daß sie ihr Mann schon 20 Jahre lang hinterging mit seinem Kegelverein. Nun gab es eine Szene und als ‚ihre‘ Empörung den Höhepunkt erreichte, verlor sie plötzlich den Kopf!! Buchstäblich!! Alles johlte vor Lachen! War das ein böses Mißgeschick mitten auf offener Szene! Aber bald daraufkam sie repariert wieder herein! Und das Spiel nahm seinen Fortgang. Nein, es war zum Schreien, ‚sie‘ wollte eben vor Empörung auf einen Stuhl sinken, da blieb der Kopf in der Luft stehen und der Rumpf mit allem drum und dran sank bloß hin. Du hättest das sehen müssen! Köstlich!!! Haben wir gelacht!! Am Schluß des Spiels’ [sic] gab der Kasper eine Erklärung ab und er meinte: „Tja, ich habe ja in geschäftlichen Dingen schon vielmals den Kopf verloren – aber daß das meiner Frau heute passieren muß, das hätte ich nicht gedacht!“

Dann gab’s noch ein persönliches Nachspiel: [„]Wo die Liebe hinfällt“, das war auch sehr nett und unterhaltsam. Wir wollen wieder mal gehen. Ich nähme gern die Mutsch mal mit, aber die versteht das nicht, sie braucht eben Kopfhörer. Papa war auch schon mal [mit] und ihm hats’ auch so gefallen.

Herzlieb! Du schreibst mir heute, daß Du schon fast 8 Tage wieder keine neuen Nachrichten von mir hast? Woran mag es nur liegen? Denke nur! Dein Brief, der vom 5.6.41. ist am 6.6.41 abgestempelt und heute früh, am 9. 6. schon bei mir!! Schneller kann es doch überhaupt nicht gehen, nicht wahr? Aber von der Heimat ins Feld brauchen die Postsendungen immer länger. Während ich Dir diese Zeilen sende[,] hast Du gewiß schon wieder von mir gehört, Du!!!

Der Orient-Expreß fährt! Saloniki – Berlin!

Mit dem dürft Ihr aber nicht fahren – schade!

Und der Urlauberzug fährt abends 11 Uhr bei Euch ab. Und Du könntest schon am 3. Nachmittag bei mir sein!! Oh Du! Geliebter!! Mein Herzlieb!! Wie ich mich doch freue, wenn es soweit ist!!

Du!! Wenn Du noch nicht für ganz heimdarfst – und so sieht es momentan grade aus – Urlaub mußt dann ganz bestimmt einmal bekommen! Gebe Gott, daß alles gut wird, nach unserm Wunsche. Es sei denn, die Lage verschlechtert sich so sehr, daß wieder Urlaubssperre eintritt – dann glaube ich in diesem Jahre nicht mehr an Deine Heimreise – höchstens zu Weihnachten! Ach Herzlieb! Wir wollen nur fein geduldig ausharren, es wird alles sich zum Guten wenden! Denk’ immer an die reiche Gnade, die wir bis auf den heutigen Tag durch unsern lieben Herrgott erfuhren – er wird, er kann uns nicht verlassen! Du!! Herzlieb! Von der Hitze schreibst mir, die bei Euch herrscht. Ich denke immer, Du schickst Eure Hitze her zu uns, damit Dein Weibel sich auch bissel erwärmen kann, Du?! Und ich bin recht froh, daß Du an Dir bisher keinerlei Beschwerden spürtest, die mit dem Luftwechsel in Verbindung zu bringen seien. Frau H. schrieb mir, daß sie von ihrem Mann weiß, 2 Kameraden, die das Klima nicht vertragen, durften ins Reich zurückkehren – sie kommen nach Kiel. Weißt[,] Herzlieb, nach Kiel möchte ich in dieser Zeit meinen ärgsten Feind nicht schicken – es geht furchtbar zu da. Wohl in allen Küstenstädten. Ich bin in Hinsicht auf die Gefahren aus der Luft richtig froh, daß ich Dich an einem ruhigen Zipfel weiß. Du!! Bei uns hier blieb gottseidank [sic] bis heute alles still von feindlichen Angriffen.

Und da denke ich auch gleich an andre feindliche Angriffe! Jetzt sind alle Frauen, die auf dem Rathaus Unterstützung holen, da ihre Männer eingezogen sind, hinbestellt worden, um Arbeit zu bekommen. Es müssen auch welche in die Rüstung. Eine Frau, deren Mann sonst Büroangestellter ist, soll auch arbeiten, die fragte mich, ob man mich auch vorgeladen hätte. Ich mußte verneinen – sie war verwundert darum. Nun bin ich bloß gespannt, wie lange man mich noch laufen läßt!

Was meinst Du, daß ich sage, wenn man mich irgendwohin verfrachten will? Drücken kann ich mich nicht, das glaube ich nicht. Ich versuche aber meinen bestimmten Willen durchzusetzen – und zwar: daß ich mich der N.S.V. zur Verfügung stellen will, nicht aber einer Fabrik – ich will nicht zurück in eine Fabrik. Ja, der N.S.V. zur Verfügung stellen, eventuell als Helferin bei Wöchnerinnen, daß ich 9 Tage den Haushalt führe oder so – vielleicht auch im Volksdeutschen Lager Kinder oder Kranke betreuen – das sage ich den Leuten auf dem Arbeitsamt mit der Begründung, daß ich ja zu Hause bin, um mich im Haushalt fortzubilden zugunsten meines künftigen eignen Hausstandes, daß ich nicht und keinesfalls zurück in eine Fabrik gehe, sondern nur eine Arbeit annehme, d[ie] mir für meine Zukunft von Nutzen sein kann. Und für mich ist von Nutzen, wenn ich als Wirtschafterin direkt, oder als Pflegerin, oder als Kinderbetreuerin gehe – eine Frau und Mutter muß auf all diesen Gebieten vorwärtskönnen.

Ich glaube doch nicht, daß man mir hier Schwierigkeiten machen wird.

Wie denkst Du zu dieser Frage, mein [Roland]? Wärest Du einverstanden mit meinen Plänen, wenn es eines Tages soweit ist, daß ich wieder arbeiten muß? Sag mir das bitte, Du!

Elfriede hält auch wieder Schule in Dehsa, weil sie befürchtet, daß man sie in irgend eine andre Arbeit hineinzwingt.

Ich will mir nicht allzuviel Gedanken machen um diese Angelegenheit, die Zeit wird alles entscheiden. Ich werde schon das Rechte finden und zum Sklaven lasse ich mich nicht machen.

Was sagst Du zum Beruf einer Nachrichtenhelferin? Ich mußte eben jetzt daran denken – doch da müßte ich ja mit in der Welt umherreisen, da hätte mein Herzlieb viel zu viel Sorge – das ist nichts für mich. Na – wir wollen abwarten – freiwillig stelle ich mich jedenfalls nicht zur Verfügung. Sie mögen nur kommen. Und die erste Antwort ist: meine Eltern arbeiten, ich führe den Haushalt. Dann sollen sie ruhig entscheiden.

Herzlieb mein! Vorhin kamen wieder 2 Filme an von Dir! Fein verpackt hast sie!!! Ohne Donnerwetter kamen sie an! Mußt sie immer am besten gleich in der Schachtel schicken, oder wie heute im Stanniolpapier, da schaben die Metallscheiben außen nicht den Umschlag durch.

[I]ch will sie heute gleich noch fortbringen, Du!! Ich bin ja ganz sehr neugierig! Mein Herzlieb hat mir ja versprochen, auf jedem Film mindestens 1X drauf zu sein!! Du!! Hast Du Schlingel wohl Wort gehalten? Ich bin neugierig!!

Es ist 5 Uhr, die Mutsch kommt heim, ich will nun meine Wege besorgen und das Abendbrot bereiten. Es ist so schön draußen, vielleicht gehen die Eltern noch ein Stück mit spazieren.

Ich habe von der Frau B. gestern einen Arm voll Flieder geschenkt bekommen, sie haben doch so viel drüben im Garten. Alles duftet süß um mich her. Man bekommt richtig Sehnsucht nach etwas – Sehnsucht, ich weiß nicht, Du!! Sehnsucht nach Dir Herzlieb! Weil es so nach Frühling duftet.

Ach, mein Lieb! Als ich gestern spät mit Ilse heimging, es ging schon auf Mitternacht, da wurde mir auch so weh um[‘]s Herz. Eine richtige Frühlingsnacht war gestern, so lau, so mondhell, ganz rund war der Mond schon und die Luft war voller Blütenduft, so schwer! Ach, da stieg die Sehnsucht in mir auf – übermächtig! Geliebter!!

Wie inbrünstig sehnte ich Dich herbei in dieser Stunde. Hast Du nicht mein ungestümes Sehnen gespürt? Du!!! In meinem Kämmerlein habe ich noch lange im Nachthemd auf dem Sofa kniend zum Fenster hinausgesehen, an den Himmel. Hab zum Mond geschaut, zu den Sternen! Du!! Und hab ihnen all meine heiße Sehnsucht mit auf den Weg gegeben, daß sie Dich grüßen von mir! Daß sie Dir meine große[,] große Liebe bringen. Ach – alles märchenhaft – unmöglich – und doch, Geliebter! Wenn wir diese unvergänglichen Himmelszeichen schauen, ich hier – Du in der Fremde – uns bewegen die gleichen süßen Gedanken bei ihrem Anblick. Und ist es da nicht, als könnten sie doch Mittler sein unsrer Sehnsucht und Liebe? So wundersam, so unergründlich alles, Du!!! Wie meine Liebe zu Dir!! Unvergänglich, ewig! Du!!!

Ich liebe Dich! Mein Herzensschatz! Mein [Roland]! Ich küsse Dich! Geliebter mein!!! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!!

Gott behüte Dich mir! Er segne unsre Liebe!

In aller Liebe und Treue ganz Deine [Hilde], Deine Holde

Du!!! Herzlieb!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946