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[OBF-410613-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 13. Juni 1941

Mein liebes, teures Herz! Herzlieb, Geliebte mein!

Kein Bote, aber ein feines Paketl ist heute zu mir gekommen. War doch mächtig gespannt auf unsre Bilder. Das Ergebnis ist teils-teils. Na, das kann nur zu neuen Taten spornen – der Hubo knipst, das liebe Frauchen zahlt – und die Kameradenfrauen mit. Es werden immer mehr Bilder hier bei mir. Ich möcht sie Dir schon gern zurückschicken – aber es wäre zu schade, wenn sie verloren gingen. Es muss doch nun bald mal herauskommen, daß wir Päckchen schicken dürfen. Aber es war doch noch mehr im Paket – alles so lieb gepackt, wie immer, Du! Den Streuselkuchen haben wir uns vorhin eben zu Gemüte geführt – hat gut geschmeckt, hat gut geschmeckt. Darum ward er auch ganz aufgeschleckt. Und die feinen Strümpel – sie sind schon recht so in unsre harten Schuhe. Ich laufe immer noch in den wollenden, trotz der Hitze. Für alles sei recht lieb bedankt, Du!!

Nun gleich mal was Geschäftliches: Nun hab ich ja fast alle Maße. Ich wiederhole sie mal zur Kontrolle: Strümpel Nr. 389, Kleidel Nr. 942, Handschuh Nr. 43, Schuhe 7½38. Du, das gäb ein putziges Weiberl! Na, ich schreib's mal richtig drüber, der gestrenge Herr Lehrer wird sich das Richtige schon raussuchen.

Ja, ich tät schon noch etliches Nützliche draufloskaufen, aber das Geld ist knapp. Nun sind ja 20 ℛℳ auf dem Marsche. Erschrick nicht, wenn sie zurückkommen. Die Erlaubnis zum Schicken wurde doch nach einigen Tagen widerrufen – und etlichen Kameraden wurden die Beträge nicht ausgezahlt, sondern zurückgeschickt. Steckst mir nun wieder in etliche Briefe ein paar Blaue. Bleibt nach wie vor das kleine Risiko und die Schwierigkeit des Umtauschs. Aber da führt schon eher mal ein Weg hin.

Nun zu Mutsch's Lieblingswunsch: Wintermantel. So ein richtiges Konfektionshaus mit vielen, vielen Kleidern gibt es hier gar nicht. Auch einen richtigen Winter gibt es nicht – und deshalb wohl auch keine richtigen Winterstoffe. Ich gestehe, daß ich mich noch nicht viel danach umgetan habe – weil das Geld fehlt; aber ich fürchte, es wird nicht so das rechte [sic] werden. Unser Spieß hatte jüngst mit der Besorgung eines Kostümstoffes ziemlich Mühe – und er gefiel mir nicht einmal. Als ich mich zum erstenmal [sic] zahlungsfähig fühlte -  kaufte ich einen Kleidstoff. Ich fragte nach einem Mantelstoff – man zeigte mir ziemlich dünne Stoffe. Und da lagen auf der Ladentafel ausgebreitet drei rote Stoffe, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen: gute, reine Wolle, also etwas für die kältere Jahreszeit. Und da packte ich zu – ich dachte an mein liebes Frosthäschen – und daß es im Winter nicht frieren soll. Ich entschloß mich für den dunkel-weinroten. Es ist also ein wollender, einfarbiger, dunkelweinroter Kleidstoff. Mein Herzlieb weiß doch, daß ich das Rot so gern an ihm sehe! Wird sich schon ein feines Kleid draus schneidern.

Unterdessen wird ja nun mein Päckchen angekommen sein. Ob Dir denn die Bluse gefällt? Sie war nicht so sehr teuer. Soll ich noch eine kaufen – mit rötlicher Stickerei? Ich schwankte damals – und diese rötliche ist noch zu haben.

Ein andres: wo ich die Handschuhe und die Kappe kaufte, gibt es auch so Überhänge, weißt, auf Blusen, wie Dein braunes, den Du im böhmischen Paradeisel umhattest, weißt, den zum braunen Rock, also solche Überhänge in Wildleder. Könnte mir gefallen. Strümpfe kann ich bekommen, sie sind hier so teuer wie zuhause.

Also, sagt mir nur dreist noch mal paar Wünsche, und kundschafte dann und tue mein Möglichstes. Muss sagen: Leicht kauft es sich hier nicht. Es ist hier viel Ramschware, die Verarbeitung ist nicht besonders, die Modelle komisch, oder veraltet. Das fällt besonders an allen Taschen auf. Die Modelle gefallen mir alle nicht und die Verarbeitung ist nicht, wie wir das in Deutschland gewöhnt sind. Kinder – und wenn ich gar nichts kriege, ich will nicht eine Träne drum vergießen – wenn ich nur glücklich heimkehre!

Du, Herzlieb, fragst, ob ich Dich noch ein bissel lieb habe. Nein, ein bissel habe ich Dich nicht lieb – aber mein Herzlieb bist Du!! Mein Allerliebstes und Allerteuerstes auf dieser Welt!!!!! !!!!! !!! Und nun schaust mich doch so groß und bittend an – Geliebte – nein – darauf sollst Du nicht auch noch warten müssen – Ich will sie ja so gerne mit Dir teilen, meine Freude.

Du! Herzlieb, wenn es nun nur eine eingebildete war – wenn der Hubo nun eine Dummheit gemacht hat – aber er hat sich so lieb und heimlich gefreut für Dich – er hat es ganz lieb gemeint mit Dir!!! Und nun mußt ein bissel näher heranrücken – ach, kannst gleich auf meinem harten Männerschoß sitzen, Du! Du!!! Und nun hör zu! Also, zum Laden gingen wir. Und der Hubo entdeckte zufällig das Geschäft mit den Bulgarenblusen. Gibt dort auch noch allerliebste, gestickte Kinderkleidel und ich glaube auch schöne Kissenbezüge – Du, überhaupt, die seh' ich mir nochmal an!! – Wir gingen also hinein – und ich kaufte die Bulgarenbluse. Und hing da etwas abseits ein Kleid, das stach dem Hubo gleich in die Augen seiner geschmackvollen Stickerei wegen – und mein Herzlieb war doch mit mir mit seinem Wunsch nach so etwas Gesticktem – und da durchfuhr es mich, ach weißt, so selig froh – für mein Herzlieb dieses schöne, seltene Kleid! Ich sah ja so ein schön Gesticktes noch gar nimmer wieder, Du!! Ich glaub, es ist das schönste und einzigste hier. Ich lasse es mir zeigen – Du! Ganz lang war es auch. Weißt, der Verkäufer konnte nur Griechisch. Und nun gab ich ihm zu verstehen, daß es für eine lange Frau sein, so lang wie ich. Ach Du – und diesen glücklichen Zufall sah ich doch gleich noch als ein Zeichen an zuzupacken. Die Griechenweibel sind doch im Durchschnitt alle ein bissel kleiner, als mein großes, deutsches Weiberl! Also, ich verliebte mich in das Kleid – und fragte nach dem Preis. Ach da sank dem Hubo doch der Mut. Und die Kameraden, die schon ohnehin ein wenig ungeduldig waren und meinen Eifer nicht recht verstehen mochten, warfen die Flinte ins Korn. Der Händler sah unsre Enttäuschung und bemühte sich nun, die Kostbarkeit dieses Stückes zu verdeutlichen: Reine Seide, lavabel [waschbar], Stickerei Handarbeit – und nun nahm er Bleistift und Papier zu Hilfe – 120 Stunden Arbeit! Du, Geliebte! Kennst mich und verstehst, wie dem Hubo das Stück nun nur noch lieber wurde – und wie er mit den Kameraden mit Liebeskummer den Laden verließ. Und der Liebeskummer hat ihn nun nicht mehr losgelassen – und er hat gerechnet – und es wollte doch nicht langen – und dann hieß es, daß wir die Frontzulage bekämen. Unterdessen bin ich noch einigemale [sic] an meinem Laden vorbeigestrichen – Und dann, am Montag war's, da wandte sich der Kummer in eitel Freude – Die Rechnung ging irgendwie auf, Du!!! Da ist der Hubo gelaufen, hat ein paar Leute angerannt, hat gewiß vergessen, etliche Vorgesetzte zu grüßen – zu meinem Geschäft. Ach Du!!! Es hing noch da! Das Kleidel! Deines, Du!!! Und nun zwang ich mich doch zu einer geschäftlichen Miene – tat, als käme ich zum ersten Male und ließ mir zeigen und fragte – und die Frau des Händlers hielt es sich an – und ich hielt es mir an – und erhielt doch dieselben Auskünfte – auch derselbe Preis wurde genannt. Nun legte sich der Hubo aufs Handeln, was ihm doch gar nicht liegt – ganz ruhig, ohne Leidenschaft – 5 ℳ ließ er herab. Herzlieb! Und nun triumphierte dein Mannerli: „Ich möchte das Kleid kaufen!“ Und ein kleines [L]exikon hatte ich mit. Und nun galt es, ihm begreiflich zu machen, daß ich nicht alles gleich bezahlen könne, sondern erst am 1. Juni. 20 ℳ wollte ich anzahlen. Die Anzahlung nahm er nicht an – aber er ging auf meinen Vorschlag ein. Er nahm das Kleid vom Bügel – packte es ein – der Hubo schrieb einen Zettel mit seinem Namen drauf. – und dann verschwand das Paket unterm Ladentisch. Nun war es mein!! Du!!! Wie sehr ich mich gefreut habe – für Dich! Dich zu beschenken!! [H]erzlieb! Die Menschen haben mich so groß angeschaut – ich glaub, weil ich so gestrahlt habe. Aber noch war der Triumph nicht vollkommen. Ich mußte noch ein wenig rechnen – und noch hatte ich es nicht. Du! Ich hab ihm noch die Hand gedrückt, bevor ich ging – und er sah sehr zuverlässig aus. Aber am Freitag bin ich doch nochmal hin. Er erkannte mich sofort und nickte und lachte nur und brachte das Päckchen unter dem Ladentisch hervor. „Deftéra (Montag)!“ Und am Montag wurde es nun ganz mein! Ich mußte doch nun meine Freude auch den Kameraden kundtun. Die staunten nur und meinten: [„]Wenn es Deiner Frau nur auch gefällt!“ Du! Und heimkommen – und auspacken – und das Kleidel beschauen – und anprobieren war eins!! Du! Ich hab doch Deine Figur – bis auf die beiden Herzel zu wenig – und auf das Schlüsslein zuviel! Und – ich war ganz allein in der Stube – zwei Zitronen lagen auf unserm Speiseregal, die hab ich gleich mal zu Hilfe genommen – ein Herzel ist mir dabei in die Hose gerutscht – und zu klein waren sie auch. Aber fein sah es aus, Du!!! Ich glaub, es wird Dir gefallen, Du!!!

Also: eine feine Liegeseide, cremefarben ist das Kleid – 128 cm lang – weißt, ohne den Gürtel ist es wie ein Nachthemdl. Der Verschluß ganz nach meines Herzlieb Geschmack – weite Ärmel. Weißt, das Kleid ist ganz kunstlos – läßt sich vielleicht hier und da auch noch modeln – soll nun eben mit seiner Stickerei wirken: kornblumenblaue Phantasiegebilde, Blumen ähnelnd mit Ranken auch bilden am unteren Kleidrand und den Ärmelenden ein[en] breiten Streifen – und im Brustteil füllen diese Gebilde ganz wie bei der Bulgarenbluse. Du! Herzlieb, es wird Dir gefallen! In der Länge läßt sich leicht etwas ändern, denke ich. Hab es mir doch vorhin gleich noch mal vorgenommen – war ein kleiner Fleck im Ärmel – ich krieg ihn nicht raus. Ich glaub, Du w[i]rst das Kleidel erst mal waschen müssen, eh Du es trägst. Ob das gehn wird? Ach weißt, und wenn Du es bloß als Nachthemdl nimmst, als Engelkleidel – Du!!! Bloß sag ich – ist doch ein ganz wichtiges Gewand. Dem lieben Herzel am allernächsten – ich will mich ja sooo freuen! Und nun warte ich nur auf die Stunde, da ich es auspacken darf – Du!!! Du!!!!! Geliebte!!!!! !!!!! !!!

Du!!! Ich hab es ja so gut gemeint! Wie es mein Liebes kleiden wird? Gut, sehr gut denke ich. Sommerlich – ländlich – vielleicht ein wenig altfränkisch, wie so Stickerei immer macht.

Du! Sag! Hast mir so lieb zugehört, ist es nicht wieder ein richtiges Hubogeschenk? Mit seiner langen Geschichte?

Du!! Und – es ist doch bald Hochzeitstag! Du!!! Ist doch wie Geburtstag! Ja? Du?!!! Noch schöner vielleicht? Du!!!!! Später dann? Du!!!!! !!!!! !!! Haben doch gleich zwei Geburtstag und Freudentag – und später vielleicht noch mehr! Du!!! Die diesen Tag als ihren Geburtstag ansehen können!!! Und nun weiß ich doch für diesen Tag gar kein lieberes Geschenk als dieses Kleidel – weil ich sooo lieb Dein denken mußte darum! Magst es wohl annehmen? Du!!!! !!!!!! !!! Ich weiß es ja schon! Du!!! Und wenn es uns nicht gefällt, dann – dann mußt eben gleich den Hubo selber nehmen als Geschenk – wenn Du den nur magst, den Bruder Eigensinn. Aber er kann ganz närrisch sein vor Liebe zu seiner [Hilde], Du!!!!! !!!!! !!! Mußt ihn dann eben gleich selber nehmen; denn das Geschenk ist ihm nun so kostbar. Daß er es gar niemandem anvertrauen mag, daß er es selber bringen möchte. Freilich – – Liebes! Zum Hochzeitstag genau kommt es da nicht zurecht – mußt eben doch noch ein bissel warten – es müßt' dann ganz sonderbar zugehen.

Du! Herzlieb! Ich sehe – meine Geschichte wird immer länger, nimmt gar kein Ende. In meinem Eifer – und in meiner Freude – schaust Du sie? – merk ich doch gar nicht, daß es nun Zeit wird – die Kameraden schnieben schon, ein wenig unruhig, weil das Licht noch brennt.

Mein liebe, liebste [Hilde]!!! Nun nehme ich schon soviel Freude vorweg – und nun wecke ich in Dir vielleicht ganz falsche und zu hohe Erwartungen. Aber – ich möchte Dich auch nicht länger warten lassen! Und auch sonst, mein ich, kann ich gar keinen Schaden anrichten – ich hab Dir eben eine Geschichte erzählt – und mein Herzlieb ist die Hauptperson darin – und dann ist da dein Mannerli, – das Dich sooo soooo sehr lieb hat, dass Dich sooooo reich beschenken und beglücken möchte – ach, das Kleidel ist doch nur ein Zeichen dafür – und ich weiß schon, womit ich mein Herzlieb noch viel viel reicher beschenken kann, besser, womit ich zu unserem Glück viel mehr beitragen kann – Geliebte! Du weißt es! Und in diesem Geschenk treffen wir uns alle beide mit diesem hohen, heißen, lieben Willen! Unser Kindlein!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Das allerbeste und allerliebste möchte ich Dir schenken – und Du mir das allerbeste und allerliebste!!!

Mein liebes, teures Herz! Nun muß ich Deine liebe Hand lassen für heute! Gott behüte Dich mir! Er segne unseren Bund! Er führe uns recht, recht bald froh und gesund zusammen! Du!!! Ich küsse Dich ganz lieb! Ich habe Dich sooo sehr lieb!!! Und habe keinen andren Gedanken, als [zu] Dir heimzukehren – weil ich Dein bin, weil Du meine Heimat bist.

Ich bleibe in Liebe und Treue

ganz Dein [Roland]

Viel liebe Grüße den Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946