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[OBF-410618-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 18. Juni 1941.

Mein Herzlieb! Du mein lieber, guter [Roland]!

Heute habe ich nun wieder ausgeschlafen, um 6 [Uhr] früh bin ich aufgestanden. Nachbars Hund (T.!) das olle Biest hat mich schon 3 Nächte hintereinander munter gemacht. Er jault ganz jämmerlich und beißt aus Leibeskräften in den Holzzaun, er will durchbrennen – was denkst Du, wie schaurig das Splittern klingt wenn alles still ist nachts. Ich wollte schon einen Topf Wasser rüber schwippen, doch bis dahin kann ich nicht zielen. Er ist noch jung und ungeschickt, der Hund, deshalb war er jetzt paar Wochen in der Hundeschule, hat lernen müssen. Nun, seit er wieder daheim ist hält er die Einsamkeit nicht aus – er jault die ganze Nacht durch. Zum Verrücktwerden! Heute Nacht hörte ich die alte Frau K. zum Fenster heraus schimpfen, die kann auch nicht schlafen. Ich mußte so lachen für mich – obgleich es nicht zum Lachen ist, wenn einem [s]on [sic] Stück Vieh dauernd auf die Nerven fällt. Aber das war zu drollig anzuhören durch mein geöffnetes Fenster, wie sich die Alte mit dem Hund auseinandersetzte!! Sie muß irgend etwas über ihn geworfen haben, denn er bellte plötzlich laut auf und es polterte – dann war Ruhe. Wenn das so weiter geht will ich T.s fragen, was mit dem Hund los ist.

Herzlieb! Heute ist ein Sonnentag, ganz blauer Himmel! Und ich hatte mich soo sehr auf Deinen Brief gefreut – er ist noch nicht gekommen, nun geht es mir wie Dir, muß auch wieder mal warten. Ich will mich garnicht sorgen um Dich, mein Herzlieb! Es wird nur an der Postbeförderung liegen.

Du bist mir doch nicht krank, mein Lieb? Von einer Bekannten, deren Mann auch in Griechenland ist, hörte ich, daß Malaria ausgebrochen sei. Oh Herzlieb mein! Möchte Dich unser Herrgott davor behüten! Möchte er mir Dich gesund erhalten! Du! Mein liebes, herzliebes Mannerli! Mein!!!

Mein [Roland]! Ich habe nun an diesen wenigen Tagen bis zu unsrer Abreise noch viel Arbeit. Du bist mir doch nicht böse, wenn ich jetzt einmal nicht so l[a]nge und lieb Dein denken kann im Briefe? Du!!! Ach nein – Herzlieb! Ich weiß es ja, daß Du es verstehen kannst, weil durch Mutters Abwesenheit tagsüber der größte Teil der ganzen Vorbereitungen auf mir liegt. Und ich hole ja alles nach, wenn ich erst dort in Schmilka bin! Du weißt es, Geliebter!!!

Und Du weißt auch, daß ich Dich so ganz lieb und fest in mein Herz geschlossen habe, auch wenn ich es Dir einmal nicht schwarz auf weiß versichere, ja? Du weißt, wie ich immer Dein denke, wie Du mich [so] ausschließlich erfüllst, mein Herz! Du!! Ich liebe Dich! Ach Du!! Wir verstehen einander ja so ganz, Du!!!

Denke nur Herzlieb! Schreibt mir Frau Sch., die alte Fitzchristel, daß sie sich um 8 Tage in der Zeit verrechnet hat, wir könnten nur eine Woche bei ihr wohnen! Ich soll ihr ja nicht böse sein, sie will uns die zweite Woche bei B.s oder wo unterbringen. Da bin ich nur gespannt. Kannst es gleich wieder miterleben: sie ist die ‚alte‘ geblieben, nicht wahr? Na, ich schreibe ihr, wenn das mit meinem Logi[s] nicht klappt in der 2. Woche, dann kündige ich ihr die Freundschaft.

Mein lieber [Roland]! Es ist Abend da ich weiterschreibe. Heute Nachmittag gegen 3 Uhr kam Tante Marthel mit dem Bärbele zu mir: ob ich sie nicht mal behalten wolle, weil sie gerne mal zum Frisör gehen wollte. Na, ich mußte, wohl oder übel. Zur rechten Zeit kam mir's zwar nicht. Ich habe gewaschen und nun wartet ein Korb voll Strümpfe und Socken, daß ich sie stopfe; darüber wollte ich mich hermachen, nachdem ich Deinen Brief beendet hätte. So bin ich mit dem Kind in den Garten hinter, den Liegestuhl habe ich auch mitgenommen, und habe gestopft. Gegen 8 Uhr abends kam Tante Marthel erst wieder und jetzt, da ich Dir schreibe ist es schon 9 Uhr vorbei. Es ist aber nichts mehr dran am Tage! Heute früh hatte ich bloß mit der Esserei zu tun. Den Rhabarber einkochen, zu Mittag gab es: Suppe, Brathähnchen mit Spinat, Kartoffeln Rhabarberkompott. Reine gemacht habe ich auch schon ein Teil. Und nun muß ich nur noch die Küchen, das Elternschlafzimmer und das Treppenhaus. Eine Menge Plättwäsche will erledigt sein! Baden müssen wir noch und etliche Wege besorgen. Packen. Am Sonntag früh soll es abgehn. Denke nur Herzlieb! Vorhin als ich beim Papa vorbeifuhr sagte er mir, daß ihm der Chef eben gesagt habe, Ab [sic] Montag habe er Urlaub!!! Ich freue mich nun wie nicht gescheit, daß das so fein klappt und rede nun mit Begeisterung davon, daß ich gleich an Frau Sch. schreiben will, damit sie noch eine Schlafstelle versorgt. Und da sagt mir der Vater, daß er nicht mit fahren will!! So ein Kerl! Ich bin ganz entgeistert heim mit Bärbel – ich hab sie noch ein Ringel [sic] gefahren vorhin – um es Mutsch zu erzählen. Nun hat sie auch keine Lust mitzufahren, wenn sie weiß, Vater sitzt A alleine zuhause. Das ist ein Dickschädel! Was könnte ich bloß machen, um ihn dazu zu bewegen? Er meint: jetzt komme ich mit und habe nicht mal ein Bett und wenn diese Frau Sch. Euch erst 14 Tage verspricht, jetzt sind's nur noch 8 – na, wer weiß, was sie dann noch auf Lager hat. Es käme ihm viel zu überraschend, wenn er das eher gewußt hätte. Und außerdem würde zu Haus alles ersaufen derweile (weil's bei uns immer so reingeregnet hatte letzthin!) Mit lauter solchen dummen Reden kommt er und dem wäre allem abzuhelfen, was er hier anführt. Ich müßte eben gleich telegrafieren und er könnte ja auch mit Mutter am Montag nachkommen, ich fahre immer am Sonntag, damit die Frau Sch. nicht derweile ihre Zimmer leer stehen hat; denn da liegt ihr nichts daran! Ach, ich würde mich doch soo sehr freuen, wenn unser Vater Vernunft annähme und mitkäme!

Er meint, daß er Wald haben will wenn er verreist – hat er ja!! – ihm wäre es lieb gewesen, wenn wir im Gebirge Erzgebirge [sic] bei solch 'nem Landwirt gewohnt hätten, da hätte er mal einen Griff mit machen können. Ich begreife Vater hier einfach nicht! Ich glaube beinahe der fürchtet sich vor 14 Tagen ohne Arbeit!!!

Ach, so sind die [Laubes], was sie sich einmal in den Dickschädel gesetzt haben, das wollen sie durchführen. Unser Vater ist in der Beziehung der ganze Ferdinand, der Großvater. Macht mich schwach, sowas! Morgen rücke ich ihm noch mal auf die Nähte! Ich will sehen wer hier Sieger bleibt, ich lasse nichts unversucht! Nur nicht mal aus seiner Häuslichkeit heraus!

Ach, ich kenne ihn ja! Lieber läßt sich der dumme Kerl wieder in den Betrieb holen, wenn er eben mal gebraucht wird. Ist er aber verreist, kann er nicht kommen. Glaubst, ich könnte mich so aufregen. Daß er nicht Mutsch zuliebe mitfährt, für sie ist das ja dann auch keine Erholung, wenn sie Vater zuhause weiß die 14 Tage mutterseelenallein, nicht mal seine Beschäftigung hat er täglich. Versorgt ist er ja bei Großmutter gut! Aber so alleine soll er seine Ferien nun nicht verleben.

Wenn man ein bockiges Kind vor sich hat, dann haut man ihm 'rum und 'num paar rein! Was macht man aber mit so'nem Mann?! Du! Ich könnte mich ja so ärgern! Wenn Du nur da wärst, Herzlieb! Vielleicht könntest Du etwas ausrichten bei ihm!

Das kann ich sagen, wenn er seinen Dickkopf aufsetzt und daheim bleibt – von mir bekommt er keine Zeile in diesem Urlaub. Wenn es ihn auch schmerzt. Aber ich kann dann verdammt hart sein. Sag doch selbst! Verdirbt er uns so nicht die ganz Freude? Schluß jetzt – ich hab es satt. –

Mein lieber [Roland]! Du!! Hast denn schon mal im Kalender nachgesehen? Du!! In 25 Tagen! Da ist ein Jahr um! 1 Jahr sind wir Mann und Frau. Ich kann's manchmal garnicht recht fassen, daß ich Deine Frau bin! Ich komme mir immer noch vor wie Deine [Hilde] nur! Frau, das ist so würdig! Und zur Frau gehört ja als Gegenstück der Mann! Und der ist ja sooo weit fort!!

Ach – er ist mir doch wiederum auch sooo nahe! Du!!! Im Herzen ist er mir ja sooooo nahe! Und ich bin sooo von ganzem Herzen glücklich darum! Du!! Du!!! Diese übermächtige, große, innere Freude, die in mir lebt, Geliebter, darüber, daß Du und ich ein Ganzes sind – ach, die läßt mich doch auch die vorübergehende Trennung ertragen! Du!!! Ich bin so überglücklich in Deiner Liebe! Mein [Roland]! Du bist mein – ich bin Dein!

Jubelnd und sooo froh klingt diese Gewißheit in uns! Sie ist unsres Lebens, Ziel, sie läßt uns Unmögliches möglich werden – Unerträgliches erträglich werden. Um unsre große Liebe können wir alles aushalten, was das Schicksal fordert. Du!!!

Sei ganz froh und glücklich mit mir, mein [Roland]! Du!!!!! Ich liebe Dich! So sehr! So sehr!!! Mein Herzlieb! Gott behüte Dich mir

Ich bleibe in Liebe und Treue immer

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946