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[OBF-410629-002-01]
Briefkorpus

Großdehsa – Sonntag, am 29. Juni 1941.

Mein lieber [Roland]!

Es ist Sonntagmorgen – Vater [Nordhoff] ist eben von der Post gekommen, die muß man sonntags hier selbst abholen. Für mich war nichts dabei, gestern bekam ich auch nichts in Schmilka, aber morgen kommt ganz gewiß wieder etwas von Dir – Du!! Elfriede hat vom Hellmuth eine Karte im Brief bekommen, mit nur [wen]igen Zeilen. „Ich bin mit Gottes Hilfe gut durch diese Tage gekommen, – wenig Schlaf gibt es und läßt mir so alles traumhaft scheinen..“.. [sic]

Er ist mit dabei im Osten. Ach Du!! Du!! – Gestern bekam ich vom Siegfried Post, er ist auch mit auf dem Marsch nach Osten, ist zur Zeit krank, eine Mandelentzündung und obendrein zahnt er Weisheit!, hat arge Schmerzen. Willst Du ihm [n]icht einmal schreiben, Herzlieb? Er wartet soo auf ein Zeichen von Dir, hast Du ihm denn noch nicht mal geschrieben? Er fragt in seinem Briefe nur immer nach Dir! Offz. [Nordhoff]: 37031. Heute im Laufe des Tages sollen die ersten Sondermeldungen kommen über den Verlauf des Kampfs im Osten. Herzlieb! Ob Du an Deinem Orte auch die Schrecken des neuen Krieges zu spüren bekommst?

Bist Du wohl wieder ganz wohl? Ist Dir wieder ganz gut? Du!! Ich sorge mich um Dich, Herzlieb!! Gott behüte Dich mir!

Ach – nun hab ich Dir ja soo viel zu erzählen mein Lieb! Du!! Wo soll ich denn nun gleich beginnen? Ich will zuerst von meiner größten Freude sprechen, Du! Als wir gestern abend hier in Dehsa ankamen, sagte mir Elfriede, daß die Feldpostsperre aufgehoben sei! Du!! Ich hatte 4 Briefe bei mir, die habe ich sofort in den Kasten gesteckt, damit Du bald, bald von mir hörst, Herzlieb! Und nun hätte ich ja soo g[e]rn das Päckchen an Dich abgeschickt, das Du bis zum Hochzeitstag haben sollst! Aber man darf ja nur bis zu 100 g schicken – ebenso wenig wie Du schicken darfst. So muß ich nun anders mir helfen. Wenn Du nur recht bald wieder ein Lebenszeichen von mir hast – ich glaube, darüber freust Du Dich ebenso sehr, ja?

Und nun von unsrer Fahrt nach hier: Am Sonnabendmorgen g[a]lt es in Schmilka das Quartier abzubrechen, es wollten Neue kommen. Wir hatten den ganzen Vormittag mit dem Packen zu tun. Ich bin nochmal zur Post rauf, habe umbestellt! Will doch nicht die ganze Woche ohne Nachricht von meinem Herzlieb sein! Dann sind wir schnell noch zum Essen gegangen und vor 12 Uhr rübergefahren zum Bahnhof, um die Fahrkarte rausschreiben zu lassen. 12 11 [Uhr] ging die Fahrt los. In Schandau das 1. Mal umsteigen und nach und nach erkannte ich freudig ‚unsere‘ alte Strecke! Du!! Nach Ulbersdof – Sebnitz …. Ich habe nun Mutsch strahlend berichtet, wo wir überall schon gegangen sind – ich mußte mich mit meiner Freude jemanden [sic] mitteilen – ich hätte traurig sein müssen, wäre ich ganz allein gewesen gestern! Du!!

Nun hielt er in Neukirch – umsteigen in den Zittauer Zug – in Wilthen – umsteigen in [de]n Bautzner Zug – Großpostwitz!!! Halt!!! [Roland]! Mein [Roland]! Wie froh war ich! Hier hatten wir 1 ½ Stunden Aufenthalt. Obwohl wir Hunger verspürten, habe ich doch die Mutsch überredet, daß sie mit in den Ort geht. Ja natürlich, meinte sie – essen können wir überall! Aber ob wir jemals wieder hier austeigen [sic], daß [sic] ist fraglich. Nach der Schule bin ich. Zuerst hat mich das Ortsbild [u]ngemein gefesselt. Wie wunderhübsch es liegt, das Großpostwitz! Ach – da möchte ich sein!

Wie muß Dir’s da gefallen haben! So reizvoll die Umgebung! Schön!! Lessingschule, ich wußte nicht ob die es war, wo mein Mannerli einst wirkte. Bin ich zum Hausmeister fragen, wann die Schule erbaut wurde: 1929 – also war es möglich, daß Du hier gewesen bist. Der Hausmeister war erst seit 5 Jahren da, konnte sich nicht auf Deinen Namen besinnen. Gut. Ich wollte ja nur mal das Gebäude sehen. Es ist die Lessingschule nur für Knaben da. Nun sind wir doch nochmal zur Schule R[unklar] gelaufen – vielleicht war mein Dickerle doch eher da? Ein älterer Bau – bewachsen. Unten wohnte eine Frau T. (scheinbar Frau Lehrer) sie sah uns kommen, lud uns überfreundlich ein zu sich – ich stellte mich vor und sagte halt, daß wir auf der Durchreise wären und gern mal den früheren Wirkungsort von Dir kennen gelernt hätten. Und sie führte uns durch die ganze Schule! Und s[ie] behauptete Dich noch zu kennen! Du seist bei einer Familie Sch. in Logi [sic] gewesen. Nun war es ja dumm, daß ich nicht den Namen kannte von Deinen Wirtsleuten – erst hinterher, bald in Dehsa fiel mir endlich ein, daß sie F. hießen, nicht Sch. – Sonst hätte sich sofort geklärt, daß die Dame, die Frau T., hier einen Irrtum hat. Na kurzum: sie hat mir alles gezeigt – ich habe mich sehr gefreut! Und nun läßt sie Dich allerbestens grüßen. Schade, meinte sie, daß mein Mann nicht da ist! Hinterher, als ich mit Deinem Vater das Erlebnis besprach, haben wir ja noch so gelacht. Du bist doch in der Lessingschule gewesen. Also: wenn man vom Bahnhof kommt, rechts gehen nach der Kirche zu, dann die Kirche liegen lassen und links weiter die Straße gehen. Es sind so hübsche Anlagen vor der Schule. Rot gedeckt ist das Dach. Sehr sauber und hübsch alles. Jetzt sind etliche Räume mit Düsseldorfer Kindern belegt.

An der Straße dahin standen auch so schöne Häuser[,] haben die F.s auch da gewohnt?

Weißt – mir könnte es in Großpostwitz gleich gefallen. Überhaupt finde ich die Lausitz wunderschön!

Ich habe so sehr bedauert Herzlieb, daß unsre Zeit so knapp bemessen war – gern wäre ich mit Mutsch noch länger rumgestiefelt. Und Herr K., den hätte ich bestimmt mit aufgesucht! Vielleicht, daß ich nochmal mit Vatern hinfahre in diesen Tagen? Du!! Da ist nun Deine Frau all die Wege gegangen, die das Mannerli vor langer Zeit schon ging! Ach – da dachte es ja noch garnicht an Oberfrohna und garnicht [sic] an eine [Hilde].

Du!! Du!! Es war mir so ganz eigen zumute, als ich durch [d]en Ort ging. Ich sah vor meinem geistigen Auge all die Stunden, da Du Dich mit mir von Großpostwitz unterhieltest, da Du mir auch viel mehr noch erzähltest, als nur Berufliches. Und ich sah die beschriebenen Blätter – in Deinem Geheimbüchlein – ich sah ‚sie‘ vor mir, wie ich sie auf dem Bilde einmal gesehn; die Kirche, sie erinnerte mich an ‚sie‘. Ich möchte mit Dir Hand in Hand noch einmal durch diese Gegend schreiten. Ja – ich möchte das – Herzlieb!

Du!! Ich glaube, Du hast richtig Heimweh gehabt, als Du von P. fort mußtest. Ich könnte es so gut verstehen! Du!!

Ach, Herzlieb! Wenn ich nun an all den lieben Orten bin – allein – dann sehne ich mir Dich soo heiß herbei! Ach, wenn doch erst Frieden wäre! Du!! Und Du könntest wieder bei mir sein!

Herzlieb! Sie wollen Mittag essen! Ich muß erst mal aufhören! Die Mädels haben ja nur am Sonntag mal Zeit gemächlich beisammen zu sein – wochentags hat jede ihren Dienst – ich aber habe diese Woche noch Ferien! Und da will ich Dir noch viel schreiben – all das, was Du nun noch nicht weißt! Alles der Reihe nach! Wenn Du bei mir wärst! Ach – da hätte ich Dir in 1 Stunde viel erzählt – dann möchte ich garnicht [sic] mehr reden – reden mit dem Munde! Du!! Du!! Da möchte ich nur von Herz zu Herz mit Dir reden – ach Du[!!] Mein liebes, liebes, herzliches Mannerli! Du! Mein!! Ich denke immer – immner [sic] Dein!

Ich hab Dich sooo lieb! Sooo lieb!

Ich bin Deine [Hilde], ganz Dein!!!

Ich küsse Dich! Du! Ich liebe Dich!

Ich bleibe Dein!

Ewig Deine [Hilde].

Viele herzliche Grüße von allen, allen, allen!

Herzlieb! Schnell will ich nochmal die Gelegenheit beim Schopfe fassen. Wir haben eben die letzten Spuren vom Mittagstisch beseitigt. Die 4 weiblichen Wesen halten Mittagsruhe. Vater [Nordhoff] auch – Deine [Hilde] kann nicht schlafen – nein! Nein!! Sie muß soo, sooo lieb Dein denken – ach soo lieb! Mir brennen heiß die Wangen, Du! So muß ich mich sehnen nach meinem [Roland]! Ob Du wohl auch an mich denkst Herzlieb? Du?!!

[D]er Rundfunkapparat geht schon seit heute früh, ich höre alle Sondermeldungen ab – ich bin so ganz voll Spannung dabei. Eben meldet man wieder eine Meldung an. Ist ja phantastisch, was die Wehrmacht schon geleistet hat! Und wir können bestimmt ganz zuversichtlich der weiteren Entwicklung zusehen in diesem Kampf mit den Sowjets. Vor Kowno ist eine große Panzerschlacht entschieden worden zugunsten der Deutschen, [m]eldete der Rundfunk eben. Ich möchte am liebsten heute immer am Apparat sitzen – die Mädels wollen gerne nach Löbau in’s Kino fahren, nachher mit dem ½ 3 [Uhr] Zug. Ich fahre mit, wie kann ich auch anders! Ich rede morgen weiter mit Dir, Du!! Mein Lieb! Mein Herzlieb!! „Die schwedische Nachtigall“ spielen sie in Löbau. Es singt die Berliner Sängerin Erna Berger. Soll sehr schön sein. Mal sehen. Heute ist ein tolles Wetter hier. Es regnet in Strömen[.] Wir müssen uns halt gut anziehen, damit wir trocken hinkommen. Wir können ja fahren, das ist gut. Eben kommen die Damens [sic] herunter aus dem Schlafgemach, es ist Zeit – wir wollen noch ein Po Tässchen Kaffee trinken, ehe wir gehen.

Nun mein Herzlieb! Muß ich endgültig Auf Wiedersehn sagen. Bis Morgen! Du!! Du!! Liebes! Süßes! Mein Herzlieb! Du!! Ich muß Dich sooo liebhaben! Ich denke allezeit nur Dein!! Geliebter!!

Sei froh und glücklich mit mir unsrer Liebe!

Der Herrgott segne sie! Er schütze Dich!

Ich küsse Dich!

Ich bleibe Deine [Hilde].

Du!! Mein Sonnenschein.

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946