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Briefkorpus

Freitag, den 4. Juli 1941

Mein lieber Herzensschatz, Du! Geliebte, Holde mein!

Mein, Du bist gestern Abend auch so müde gewesen wie ich. Um 9 Uhr habe ich mich schlafen gelegt, die Augen wollten eben nimmer offen bleiben. Vorgestern eine unruhige Gewitternacht mit lebhafter Wanzentätigkeit, vergangene Nacht auf dem harten Tisch gelegen – es ist also kein Wunder. Dafür habe ich mich nun heute in der früh [sic] etwas zeitiger aufgemacht, damit mein Herzlieb seinen Boten bekommt. Wenn ich raten soll, ist es heute auch schon aufgestanden – Abschied von der Sommerfrische? Ach, der ist nicht leicht, wenn es einem recht gefallen hat – das leidige Kofferpacken. Später, Liebes, besorgen wir das zusammen, und da soll es uns nicht so schwer fallen. Ach ich denk, wenn wir werden zusammen sein, dann wird uns gar nichts mehr schwer fallen. Gern werden wir auch heimkehren in unser Heim – der Hubo gern an seine Arbeit gehn, und mein Herzlieb an sein Schaffen. Ach, und nun will ich nur gleich ein bissel um Dich sein, damit Dir es nicht schwer wird. Ich zieh mit Dir, Geliebte! Vielleicht wartet schon einer meiner Boten! So, und jetzt ruhn wir uns erst mal aus vom bösen Bückepacken [sic].– und jetzt bekommst  derst einen lieben Morgenkuß, Du!!! Hast denn gut geschlafen – die lieben Guckaugen auch keine Ringe? Beim Hubo? Auch keine. Er war ganz brav. Aber jetzt müssen wir weiter packen – neben Dir sitzen und brav sein, Du!!! Das kann er nicht!!! Nun will ich Dir erst von unseren Wanzen erzählen. Am Vormittag wurde das abgesperrte Stockwerk geöffnet – und da sahen wir die Bescherung: die Wanzen tot unter den Betten in den Bettgestellen. Bei Kamerad H. und K. mögen es ja 100 gewesen sein, bei mir knapp 50. Eine Sauschweinerei! Aber das Giftgas ist in alle Ritzen gedrungen – da ist in den Betten keine davongekommen. Morgen wird das nächste Stockwerk entwanzt. Mein freier Nachmittag ist nun fast draufgegangen damit, alles wieder in Ordnung zu bringen: kehren, wischen, Betten lüften, neu überziehen, einräumen, lauter Arbeiten, die sonst die liebe Mama macht! Nun ist’s wieder fein sauber bei uns – und das feine, wanzenfreie Bettlein war wohl mitschuld [sic] an meinem Schlafhunger. Nun kann ich auch mein Herzlieb mal zum Mittagsstündchen einladen – muß aber bald kommen – eh die nächsten Wanzen erscheinen; denn ganz traue ich dem Frieden nicht! Wir werden schon gut aufpassen und so überhandnehmen können sie wohl nicht mehr.

Kamerad K. hat gestern schon die erste Post nach der Sperre erhalten. Heute denkt nun Dein  Mannerli, daß es etwas bekommt. Hu! Wie ich mich freue, Du!!!!! [Ich] Weißt doch noch gar nicht, was drin steht? Geliebte! Ich weiß es: daß Du mich liebst, Du!!!!!, [sic] das steht darin – und das ist mir Alles, das ist all meine Freude, vor der das andere verblaßt. Und deshalb mag auch ich keine Stunde versäumen, meinen Boten zu schicken, daß er Dir sagt, wie ich Dich liebe! Meine [Hilde]! Mein Weib!!! Ich liebe Dich so sehr!!! Anders kann ich es nicht sagen. Ich muß Dein sooo  lieb denken immer. Ach, und wenn ich Deine Bilder betrachte, dann kommen mir Heimweh und Sehnsucht, dann möchte ich um Dich sein – und dann wird doch auch das Schlüsslein munter – Du! Wenn ich Dein lieb denke immer – nur, wenn ich Dein denke, sonst gar nimmer, Du!!! Dein ist es, nur Dir folgt es, Du!!! Nur Dir!!!!! Oh, Herzlieb! Ich bin ganz Dein! [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

Gestern las  ich doch ein schönes Wort: „Liebende tragen lieber ein Unglück gemeinsam als ein Glück allein.“ Du, so empfinden auch wir, weil wir uns sooo lieb haben. Ein Glück allein? Ich könnte mich seiner doch nur freuen um Deinetwillen, daß ich dächte, ich könnte Dir davon abgeben, oder daß ich Dich bei mir fühlte. Und ganz von Herzen freuen kann ich mich nur noch mit Dir, Geliebte. Der Hubo ist doch ohne Dich gar kein ganzer Kerl mehr: das Ringlein sucht sein[e] Geschwister, Herz und Sinn sind immer ganz wo anders, bei meinem Herzlieb!, und das Schlüsslein gehört mir ja auch nimmer[,] aber das ist ja auch bloß ein nebensächliches – Anhängsel! Du!!! [siehe Abbildung] Ach mein, Geliebte! Du weißt und spürst es an Dir selbst, wie sehr wir uns schon aneinander verloren haben, wie alles sich schon zusammen getan hat – zu einem Menschenpaar, zu einem neuen Ganzen – wundersam ist es – weil die Liebe über uns gekommen ist. Sie bindet zwei Menschen so fest zu einem Paar, zwei Herzen, zwei Sinne, zwei Kräfte zu einem (einer) – und die Krönung dieser Liebe? – und das Symbol, das Sichtbare, dieser Ganzheit – ist das Kindlein! Du!!! Im Kindlein sind wir uns am allernächsten – im Kindlein wird unsre Ganzheit sichtbar, unsre Liebe! – Im Kindlein, denke ich, wird auch vieles offenbar: die Gaben und Kräfte der Liebenden; vor allem aber ob die Herzen auch schön und lauter zusammenstimmen, harmonisch, ob sie sich beide fanden in den Wunsch und Willen zum Kindlein – wo zwei in  heißer Liebe sich verbanden, in guter, tiefer, mein ich, muß das dem Kindlein auf seinem Weg ein schönes, harmonisches Wesen mitgeben, und das ist gar ein kostbares Geschenk. Herzlieb! Freust Du Dich mit mir? Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!!

Vom gestrigen freien Nachmittag blieb also nicht viel übrig. Mit Kamerad H. bin ich zur Stadt gegangen – ich habe ihm helfen einkaufen [sic], ein Kleid für seine Frau. Wir haben etwas Schönes gefunden. Aber teuer kauft man, und täglich wird es teurer. Habe natürlich auch für mein Herzlieb gleich bissel Umschau gehalten noch. Weißt, wenn man die Preise hört und dann sein bissel Geld daneben sieht, verliert man gleich die Lust zum kaufen. Und ich gräme mich darum auch nicht. Ich werde bei meinen Käufen nur noch daran denken, ob Du  etwas ganz gern und nötig brauchst, zunächst also an den Plisseerock. Weißt, was der kosten soll – in reiner Wolle? 30 RM. Ich weiß nicht, aber das scheint mir sehr teuer. Dann habe ich gedacht, Dir noch ein paar schöne, einfache Schuhe zu kaufen. Wolle kostet das Pfund 30 RM.

Weißt, wenn der böse Krieg vorbei ist, dann freu ich mich ganz sehr darauf, mit Dir einzukaufen – im besten Geschäft, in der besten Auswahl, vom Allerbesten – es wird dann wieder alles zu haben sein und wir werden nicht betrogen.

Nimmst Dein Mannerli denn gern mit zum Einkaufen? – steht ganz still und bescheiden zur Seite – ist nur im Stillen wohl Freude, Dir eine Freude bereiten zu können, mit Dir sich zu freuen, und sein Liebstes zu schmücken. Oh ja, das will ich auch – es schmücken auch äußerlich, – und mein Weiberl will mir gefallen, ja? – Du!!! Du!!!!! Liebe, Holde mein!!! Manches muß mein liebes Weiberl ja ganz allein einkaufen – da bleib ich draußen steh[e]n – Du!! Ob ich mit reingehe, wenn wir das Wäglein für[‘]s Kindlein kaufen? Muß ich mir vielleicht erst einen Mut antrinken! Ach Du! Wenn erst der böse Krieg vorbei ist und ich bei Dir sein kann, dann wird alles gut sein!!! Alles gut!!!!! Gebe Gott, daß es nicht mehr so ferne liegt!

Geliebte! Mit Dir leben! Mit Dir leben!!! Das ist mein größter, liebster Wunsch! Und ist auch der Deine. Herzlieb! Auf ein paar Stunden nur lasse ich Deine lieben Hände! Mein Herz und alle meine liebsten heimlichsten Herzgedanken sind ja immer bei Dir!

Gott behüte Dich mir!

Ich küsse Dich! Ich habe dich sooooooooooooo lieb!!!

Du, mein liebes, treues Weib!

Ich bin in Ewigkeit Dein [Roland] –

Du!!! Du!!!!!

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Ba-OBF K02.Pf1_.410704-001-02b.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946