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[OBF-410722-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 22. Juli 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein lieber, allerliebster [Roland]!

Heute scheint die liebe Sonne! Und in meinem Herzen ist sie nun noch strahlender aufgegangen, weil heut' mein [Roland] zu mir gekommen ist! Ach Du!!! Wie unendlich lieb meint er es doch heute wieder mit mir! Geliebter!!! Es wird mir ja so schwer, die rechten Dankesworte zu finden! Ich liebe Dich! Du bist mir alles! [A]ch Herzensschatz! Fühlst Du denn, wie alles nach Dir mich drängt?, wie alles zu Dir will? – weil ich Dich ja über alle Maßen liebe, liebe!!!!! Herzallerliebster Du!!!

In Deinem Dienstagboten vom 15. erzählst mir, wie alle Berichte von Eltern und Schwiegermama zusammenlaufen! Ja ja! Unter gar strenger Bewachung reiste Dein Weibel, konnte kaum auskneifen — und doch konnte die strenge Bewachung nicht verhindern, daß der Buchhändler im Parterre mehr als Interesse zeigte, im Elbschlößchen noch! mit Deinem Weibel sich zu unterhalten und so fort.

[E]r hatte seine Frau mit, die war so alt wie Du – er war 36 Jahre alt. Und ich weiß noch heute nicht, weshalb sie so eifersüchtig auf mich war, sie hat das ungeschickterweise so durchblicken lassen, daß es mir unmöglich entgehen konnte. Eine rechte Frau muß hier ganz anders handeln, wenn sie spürt, ihr Mann zeigt so viel Interesse für eine fremde Frau – ich an ihrer Stelle hätte mir vor einer Fremden nicht das Geringste vergeben! Da muß man halt ein wenig diplomatisch vorgehen und das aus der Bahn geratene Mannerli zurückholen! Mir lag ja sooo herzlich wenig an diesem Herrn G.; gewiß er war ein netter Gesellschafter und war auch klug – hübsch war er auch – aber wie ein [Roland] war er nicht! O nein!!!

Ich konnte ihm unmöglich immer ausweichen, er war ja unser Hausgenosse und wenn wir im Garten saßen, oder auf der Wiese lagen, da fehlte er nie.

Die Mutsch hat wohl nichts gemerkt; denn sie äußerte sich noch nicht darüber – und ich? Ich war wachsam und im übrigen konnte er mir, wie man so sagt: den Buckel runter rutschen! Meine Gedanken gehen nur in einer ganz bestimmten Richtung – die lassen sich auch nicht durch die angenehmste Umgebung irritieren! Du weißt es ja!!! Und Du allein kennst die Richtung, nach der sie unaufhörlich drängen – Geliebter! Oh Du!!! Geliebter!!!

Sag? Ob Du auch einmal nach den jungen Weibeln sch[au]st, wenn ich so alt bin wie Du? Ich habe beobachtet, daß es fast alle Männer tun, die eine gleichaltrige Frau haben, überhaupt, die eine Frau haben, die schön älter ist.

Ach Geliebter! Ich kann mir überhaupt nichts denken, daß uns beide je auseinanderreißen könnte!

Und daß wir uns im Leben auf diese Art einmal weh tun, ob willentlich oder nicht, das kann ich nie und nimmer glauben!

Ich will nichts als Dich auf dieser Welt — Dich und Deine Liebe – Du!!!

Da klingt mir ein Lied im Ohr, aus irgend einer Oper: Hab ich nur Deine Liebe, die Treue brauch ich nicht, die Liebe ist die Wurzel nur, aus der die Treue bricht.... 

Ach Herzensschatz! Unsere Zuneigung und Liebe ist zu tief und fest verankert, daß sie je einmal von uns ginge. Das glaube ich so fest, wie ich an Dich selbst glaube! Und wenn ich Dich verlöre – dann wollte ich nicht mehr leben. Ich könnte nicht mehr leben. Du!!! [Roland]!!! Mein lieber, guter [Roland]!!!

Ach Du!! So wie Du in Deinem lieben Boten von dem Leben an meiner Seite träumst – ebenso träume ich davon! Ein Himmel auf Erden soll unser gemeinsames Leben sein! All unsere guten, die besten Kräfte wollen wir daran setzen, daß sich unser Glückträumen verwirklicht! Ich weiß es froh! Und schenkt Gott uns nur seinen Segen – dann wird alles gut! Geliebtes Herz!! Ich freu mich ja so sehr!! Du!! Von den beiden Hälften erzählst Du mir so drollig! Ich mag wohl die bessere sein? Das ist die Menschheit im großen und ganzen verschiedener Meinung.

Weißst? Es schmeichelt mir ja sehr, wie Du die Hälften zwischen uns verteilst! Nun kommt es bloß darauf an, [d]aß sich diese „bessere Hälfte“ im Leben immer so bewährt, daß sie ihren Rang und Titel auch mit Recht und Würde trägt!! Na, ich mein, dafür wird die „stärkere Hälfte“ schon sorgen! Stimmt's? –

Du übermütiges Mannerli Du!! Ich muß Dir doch gleich einen ordentlichen Dämpfer aufsetzen!!!

Wie klug Du die beiden Kugelhälften zusammensetzen kannst! An diesem Beispiel soll ich doch wohl ein Gleichnis haben – das sich auf uns zwei ,Kugelhälften‘ bezieht! Na warte! Du Nickel! Ich werde einmal ganz [g]enau nachmessen, an welcher Hälfte ein bissel mehr dran ist! „Zwei Hälften kann man nicht ohne Hilfe und ohne Naht zu einem Ganzen fügen, darum sind auch die beiden ,Kugelhälften‘ mit solchen Hilfen versehen....“ so schreibt mir dieser übermütige Lausbub! Und ahnt dabei nicht, welch Bild er heraufbeschwört vor meinem geistigen Auge!

Du!!! Was nützt Dir Deine Hilfe mit der Du versehen bist, Mannerli? wenn die bessere Hälfe Dir nicht Einlaß gewährt? Ätsch! Nun rate mal — was ich meine! Du!! Jetzt war ich aber dreist. Aber wenn Du das mit den Hälften in Deinem Briefe nicht klein geschrieben hättest, wie alles, was einen süßen Sinn hat, da wäre ich garnicht auf so eine unartige Idee gekommen! Du Böser!! Lieber, goldiger Lausbub! Dickerle! Heute brauche ich einen Dämpfer! Einen großen, doppelten. Kommt ein Brief vom Donnerstag den 17. an – der vom 16. fehlt. Und darin schreibt mir mein Hubo vom Urlaub!!!

Kamerad K. ist heimgefahren?!! Auf Urlaub!?

Potz Blitz! Ging das aber schnell!!!

Nun bin ich bloß auf den Mittwochbrief gespannt, worin Du mir sicher Näheres berichtest; denn, daß Du die ganze Urlaubsgeschichte, die uns alle bewegt, so einfach mit einem Satze auf die Seite stellst, das kann ich nicht glauben! Ich hätte dazu viele Fragen! Wie lange darf er bleiben? Ist die Fahrt einbezogen! Wer kommt nach ihm dran? wieviele dürfen auf einmal fahren? Weißt Du schon, wann Du fa[hre]n darfst? Ach Du!!! Ich könnte doch gleich bis hoch an Dein Fenster springen!, wo heute auf dem Bilde das Licht brennt!? Wo Du reingepiekt hast! Ich freu mich tot! Wenn ich weiß, wann Du kommst! Dickerle! Herzlieb!!! Sei tausendmal lieb bedankt für Deinen lieben, lieben Boten. Du hast Dich so sehr über das Bild gefreut? Du!! Ach Du!!! G.ens haben so gelacht, weil ich meinen Arm so krampfhaft vom Arm des Herrn G. wegziehe! Weil es Dir nur gefällt! Du!!! Ach Geliebter!!! Nun ist es wohl bald wieder soweit, daß wir , [sic] die Tage zählen können, bis zum Wiedersehen? Du! Du! Du!!!!!!!!!! Ich bin ja sooo voll heimlicher Freude – Geliebter! Geliebter!!!!!

Ich will nun nochmal zu Lore G. gehen. Ihre Koffer sind noch zu packen und einige Wege besorgen. Gestern kochte ich ihr noch Stachelbeermarmelade ein und bügelte für ,ihn‘ Hosen! Das tut er nicht selbst! Heute früh bin ich nur mal mit ihr zu W.'s Grünwaren holen, damit sie die schweren Taschen nicht trägt. Morgen mittag ½ 1 [Uhr] fährt sie dann ab. Ich soll Dich vielmals grüßen!! Ach Herzensschatz!! Ich muß es immer und immer wieder erkennen: sooo lieb wie wir uns haben, so lieb hat sich wohl niemand noch auf Erden! Und darum bin ich sooo sehr glücklich! Sei es mit mir geliebtes Herz! Gott behüte Dich mir! Du!!! Wie ich Dich liebe, liebe!!! Mein [Roland]! Ich bin in Ewigkeit

Dein!!! Ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946