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[OBF-410723-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 23. Juli 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein allerliebster [Roland]! 

Herzlieb mein!! Ich habe auf den Briefträger gewartet heute – er ist vorbeigegangen – auch vorhin, am Nachmittag ist er vorbeigegangen. Und ich erwarte doch sooo sehnsüchtig ein näheres Wort über den Urlaub! So muß ich mich denn bis morgen gedulden! Ach Du!! Gedulden – gedulden! Wann werde ich mich endlich einmal nicht mehr gedulden müssen! Geliebter!! Du!!! Wenn es nicht um unsrer Liebe willen geschähe – so hätte ich wohl das Gedulden verlernt! Ich bin doch nicht wie ein sanfter, lieber Engel, dem nie die Geduld ausgeht! Du kennst mich doch? Du!!! Oh – ich bin ja so unruhig! Meine Mutter ist ein Musterbeispiel an Geduld – ich muß noch viel von ihr lernen! Ach Du!!! Es ist ja auch kein Wunder, Du und ich – sooooo viel Liebe! – und sooo lange müssen wir warten, ehe wir zusammen sein dürfen! Ach Herzlieb! Wie sehne ich die Stunde herbei, da wir nicht mehr zur Feder greifen müssen, da wir nicht mehr mit den Bildern uns begnügen müssen! Ach, Du!! Du!!! Da wir zueinander sprechen von Mund zu Mund, von Herz zu Herz! Da wir einander schauen von Angesicht zu Angesicht! Gott führe uns diese Stunde recht bald herbei und lasse sie uns froh und glücklich erleben! Schätzel, liebes!! Und doch bin ich überglücklich, daß Du mir Deine lieben, schönen Bildnisse geschenkt hast!! Wärest Du am Hochzeitstag selbst gekommen, so hätte ich sie jetzt nicht! Du!!! Sind schon wieder 10 Tage darüber hingegangen! Eigentlich vergeht doch die Zeit auch schnell – noch viel schneller soll sie vergehen bis zu dem Tag, da Du heimfahren darfst!

Du!!! Weißt? Die Post geht jetzt 5 Tage, manchmal auch länger. Da mußt Du mir aber ziemlich zeitig mitteilen, wann Du zu mir kommst! Sonst bist Du womöglich eher da als der Brief, worin Du Deine Ankunft mitteilst! Und – Herzlieb! Diesmal darfst Du nicht wieder großzügig sein und nur ein Teil Deines Urlaubs nehmen! Hörst Du??? Was Du weg hast, hast Du sicher weg – Nachher wird auch wieder Rat [sic]! Du!! Paß´ mir fein auf, daß keiner aus der Reihe tanzt und Du dann immer weiter zurückrutschst! Wer weiß, was in paar Wochen wieder los ist mit unsrer politischen Lage! Damit Du wen[igs]tens mal daheim warst, ehe es nach der Insel rübergeht! Ein Schulkamerad von mir kam am gleichen Tage, da ich von Breitenborn kam, von Kreta zurück; er war da als Fallschirmjäger eingesetzt. Nun hat er vier Wochen Urlaub – dann sollen sie „drüben" eingesetzt werden. Ja, es scheint so, als haben „sie" dies Jahr noch viel vor! Wir werden es erleben – nur abwarten.

Und sollte der schöne Urlaubsplan vereitelt werden, dann können wir auch nicht verzweifeln – das Leben muß trotzdem weitergehn! Wenn Du mir nur gesund wiederkehrst – wann? Oh, danach will ich heute noch garnicht fragen. Geliebter mein! Daß Du mir wiederkehrst! Das liegt mir doch mehr am Herzen, als alles andre! Ich tröste mich dann mit den vielen anderen Frauen, die ihre Lieben fast ein ganzes Jahr nicht wiedersahen. Bei uns ist es ja kaum ein halbes Jahr her!

Freilich! Du!! Sehr lange ist das auch schon! Du!! Gestern nachmittag schrieb uns auch die liebe Mutter wieder mal – ich freute mich über ihre Zeilen und die guten Nachrichten Deiner lieben Brüder! Ich will Dir den Brief gleich einmal mit beilegen. Gebe Gott, daß die beiden alles gut überstehen! –

Herzlieb mein! Heute regnet es alle paar Minuten, gewittrig ist die Stimmung. Und ich fühle mich ja heute so matt; es muß an der Witterung liegen. Den Eltern geht es auch so. Dabei kühlt sich die Luft nicht ein bissel ab, daß man sich erquicken könnte. Was habt ihr wohl für Wetter? Jetzt möchte ich gleich mal mit dem Boot hinausrudern aufs Meer! Mein Lieb mit dabei! Und – Du!! Noch einen unerfüllten Wunsch habe ich, eine große Traube Wein könnte ich jetzt gleich aufessen – oder frische Beeren, oder Obst – ach, ich habe einen großen Appetit eben darauf. Bei uns ist ja nichts zu haben. Ob das heuer nochmal besser wird? Ich muß dann noch nach Kartoffeln laufen, da werden die Menschen wieder anstehen. Gestern besorgte ich auf dem Rathaus einen Bezugschein dafür! Anders ist es auch kaum zu regeln, sonst bekommt der Zehnte überhaupt nichts ab! Gut, daß ich lange stehen kann; für Leute, die Beschwerden haben irgendwie, ist das jetzt eine Qual. Ich bin gottseidank ganz [g]esund (auch wieder ganz gesund seit gestern, Du!!!) Hoffentlich ist das alles besser, wenn Du bei uns bist! Geliebter! Sonst müssen wir ja soo viel Zeit von unsrer kostbaren an die leidige Einholerei verschwenden! Ich denke immer, daß es nur vorübergehend so schlimm ist, weil wir durch das schlechte Wetter so weit in der Ernte zurück geblieben sind. Wenn dann alles auch bei uns hier wächst, dann wird es schon besser sein.

Du!! Herzlieb! Heute will ich nun endlich mal mit Mutsch das Kleid zuschneiden, damit ich's sticken kann und nähen. Wenn Du kommst, muß es fertig sein!

Heute mittag, ½ 2°° [Uhr] habe ich Lore G. zur Bahn gebracht. Ihr Mann erwartet sie in Chemnitz, er ist schon heute früh vorausgefahren, weil er nochmal zum Arzt ist. Beide lassen Dich nochmal herzlich grüßen! Beim Abschied hatte sie mir, ehe ich mich versah, einen Kuß auf die Wange gedrückt: „auf frohes Wiedersehen mein liebes Schwesterchen!" so sagte sie dabei.

So dankbar ist sie mir, daß ich ihr beistand. Sie meint, es sei ihr gerade, als habe sie eine Schwester bekommen. Weißt Du wie sie mich nennt? [Hildele] –

Da muß ich eben an den Film denken, den ich mir früher ansah einmal: [Hildeles] H. –

Du!! Du!!! Wer außer uns hat sich wohl noch sooo lieb? So muß ich mich doch immer auf´s neue [sic] fragen.

Ach, Geliebter! Du und ich! Eine ganze Welt voll Seligkeit umschließt dieser Gedanke! Geliebter!! Möchte der Herrgott unser Glück gnädig beschirmen! Lasse er Dich gesund mir wiederkehren!

Ich liebe Dich! Du mein Leben! Mein Glück! Geliebter! Geliebter! Halte mich ganz fest!

Ich kann nicht ohne Dich sein! Ich bin und bleibe in Ewigkeit Deine [Hilde], Dein!!!

Deine Hilde, Deine Holde! Und Du bist mein Herzallerliebster! Mein!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946