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[OBF-410726-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 26. Juli 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein herzallerliebster [Roland]!

Heute ist wieder ein heißer Sommertag – wir sind alle ganz kaputt vor Hitze. Und während ich hier sitze und an mein Herzlieb denke, halbnackend!, brütet die Nachmittagssonne in den Straßen. Der Vater ist auf Fahrt nach Eßbarem! Die Mutter näht an meinem weißen Kleid und vorhin plätteten wir das Muster auf zum Sticken – nun kann's los gehn! Muß ich aber fleißig sein!

Du hast den lieben Eltern einen so schönen Brief geschrieben! Wie freuten sie sich darüber!! Und Mutsch will Dir bald wieder antworten! Und die große offizielle Einladung schicken zum „Sommerurlaub in Deutschland – Sachsen – Oberfrohna – Schröderstraße [...]" Nun ist ja die Freude groß bei uns allen! Und die Mutter ist, scheint mir, beinahe aufgeregter als ich! Der Vater freut sich auch! Besonders, so denke ich! Weil Du ihn so fein aus der Sommerfrischenaffäre rausgehauen hast!! Na! Wer sollte sich wohl nicht freuen, wenn so ein lieber Hubo kommt!!!? Du!! Ich las nun auch im Elternbriefe eine Beherzigung zum Fleiß! Die die faule [Hilde] angeht! Oh, da will sie aber schnell sich bessern!

Und ab heute schicke ich Dir alle Tage einen ,grünen' mit! 5! 5! Tage lang – ich denke, das reicht! Und ich wollte Dich doch auch so gerne mit einer 1000 überraschen! Aber! Dein Wunsch geht vor! Und ich freue mich doch auch, wenn Du so lieb fürsorglich denkst! Wenn Du Nüsse kriegen kannst! Oh das wär' fein. Ich esse sie furchtbar gerne! Und ein gar feines Kuchenrezept kenne ich! Mit Nüssen!

Du bist ja nun schon so fein wirtschaftlich, seit Du kein Junggesellenhubo mehr bist! Und Du weißt schon, was Frauen gerne mögen! Besonders wenn Krieg ist und alles knapp. Wie ist's denn mit Kakao? Und noch bissel Seife? Du wirst schon daran denken! Mandeln und Rosinen! Da kannst Ehre einlegen! Du!! Ich mag keine besonderen Wünsche äußern! Du opferst Dich immer so auf und das dauert mich! Wenn Du mich erfreust – ach ja, ich bin Dir von gan[ze]m Herzen dankbar – aber – wenn Du mir nur heil und gesund heimkommst! Das gilt mir mehr als alle Geschenke! Ich hab Dich doch so ganz sehr lieb! Du!! Ein Kärtlein hast mir zurückgeschickt! Und sooo lieb mir darauf geantwortet! Ach – wie freute es mich! Du!!!!! Erdenglück und Himmelsschein: so soll unsre Liebe sein! Ach, Geliebter! hab Dank! Du!! Du!!!

Dein Herz und mein Herz – das sind 3 Herzen! Du!!! Ich habe mich so sehr beglückt gefühlt um Dein Zeichen! Woher ich die Kärtlein habe? Vom Löbauer Buchbinder! In Zittau ist doch der Plischke-Verlag – hier bei uns suchte ich stets vergebens nach Plischke Karten. Ich mag sie gern! Und seit ich von Dir den schönen Kalender bekam, sind sie mir erst so lieb geworden. Ich habe mir gleich mehrere mitgenommen.

Herzlieb mein! Heute morgen bist Du wieder sooo lieb, sooo lieb zu mir gekommen! Ach!! Du!!! Geliebter!!! Du bestürmst mich mit Deiner Liebe! Und in mir ist alles voll Glück darum! Ich bin sooo froh und selig, daß ich ein so liebes, liebes, süßes Mannerli habe! Ganz, ganz mein Eigen nennen darf! Ganz mein!!!

Ach, so viel lieb kommst Du jetzt täglich zu mir! Und ich kann ganz unzufrieden werden, wenn ich nicht die Zeit und Muße finde, auf jedes liebe, feine und geheime Zeichen von Dir einzugehen! Ganz unglücklich kann ich darüber werden, Du!!! Ich müßte ein paar Stunden mindestens mit Dir alleine sein, um alles, alles lieb zu beantworten, so wie ich möchte und will! Es ist mir in dieser schlimmen Zeit nicht immer möglich. Die Sorge um das leidige tägliche Brot, die erschwerten Verhältnisse, die der Krieg mit sich bringt; sie lassen mich soviel Zeit verschwenden! Ach – wie ich mich manchmal ärgere, um die schöne, kostbare, verlorene Zeit.

Wenn man zuhaus sollte 2-3 Stunden dasitzen, oder rumstehen untätig – das wäre unmöglich – aber so ist man ja gezwungen, die viele Zeit zu opfern, wenn man etwas zu Essen haben will. Glaubst, es ist oft kaum noch etwas am Tage dran. Mit der Kocherei muß ich auch so viel Liebe und Zeit verbringen, soll es gut schmecken, weil es so wenig gibt – und an allem fehlt. Da ist dann noch Zeit, alles sauber und in Ordnung zu halten – und das Liebste am Tage: Dir zu schreiben! Du!! Von Extraarbeiten wie: handarbeiten, schneidern u.s.w. ist garnicht die Rede mehr. Ich kann mich nicht genug wundern, wie berufstätige Frauen immer so auskommen. Na – hoffen wir, daß es sich bald einmal bessert! Morgen früh will ich mit den Eltern den Keller vom Winterschmutz befreien, die Kartoffelkisten scheuern, das Regal zerhacken und neu umbauen, alles scheuern und fein einräumen, wenn die Winterfeuerung kommt, daß alles in Ordnung ist. Und am Montag weichen wir große Wäsche ein. Das wird ja diesmal auch ein Fest! Unser Waschkessel ist noch immer kaputt und wir müssen das heiße Wasser bei U.s aus dem Speicher holen.

Kochen können wir sie nicht, nur brühen. Hoffentlich ist schönes Wetter, die liebe Sonne muß diesmal tüchtig dazu beitragen, daß sie weiß wird. Am Sonnabend wollen Mutsch und ich nach Glauchau. Wir haben allerlei mit rauf zu nehmen. Die Bowle, das Kinderstühlchen und zurückgelassene Kleider von Tante's Aufenthalt her. Die Hannelore kommt zur Schule, Mutsch will nochmal hin, weil es später nicht klappt. Ach ja, nun geht der liebe Drasch wieder los! Ach! Ich freue mich ja sooo sehr! Und Du hast mich heute in Deinem lieben Boten soo angesteckt mit dem lieben Vorbereitungsdrasch! Du!!! Du!!!!! Ach – heute Nacht habe ich aber unruhig geschlafen! Du!!! Gestern abend hatte ich Dir noch geschrieben und den Brief in Limbach am „Stadt Dresden" in den Kasten gesteckt, weil da ½ 9 [Uhr] nochmal geleert wird am Kasten. Dann bin ich zu Bett, weil ich Leibweh hatte. Aller Stunden erwachte ich, die Uhr schlug – ich lag wach. In der Ferne heulten Alarmsirenen – ich wurde unruhig – heute morgen ¼ 3 Uhr heulten unsre Sirenen los! Fliegeralarm!! Geschossen hat die Flak! Aber ich sah keine Flieger – nach ½ Stunde war's vorbei. Ach Du!! Wie lieb habe ich Dein denken müssen! Soooviel Sehnsucht hatte ich nach Dir, Geliebter! - Heute ist mir recht miserabel zumute: Magendrücken, Leibweh, Durchfall – ich bin ganz schlapp, weil alles leer ist in mir! Der Mutter geh[t's] ebenso – wir haben aber nichts Unrechtes zu uns genommen! Vielen Leuten geht es so wie uns; sie meinen, daß es entweder am Brot liegt, das wieder geringer ist – oder eine Infektion, die in der Luft liegt. Weil so viele über dieselben Schmerzen klagen. Wenn es nur erst besser wäre. Ich trinke fleißig Tee und esse Haferschleim. Ich habe ja noch soviel zu tun! Ich darf um keinen Preis krank werden!! Du!!! Geliebter!!! Ich will mich ganz brav halten und schonen – dann wird's schon besser werden! Sorg' Dich nur nicht! Und nachher gehe ich zeitig ins Bettlein, damit ich all den versäumten Schlaf nachhole! Und morgen! Du!!! Da will ich Dir wieder mit ganz blanken Augen gegenüber sitzen und mit Dir plaudern! So lieb! Geliebter!! Behüte Dich Gott! Er segne unser Glück! Ich bin Dein!!!

Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen! In Ewigkeit Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946