Bitte warten...

[OBF-410727-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 27. Juli 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Mein lieber, liebster [Roland], Du!!!

Du!!! In 30 Tagen – so Gott will – bist Du auf der Fahrt zu mir! Herzensschatz! Ich kann es ja noch immer kaum fassen! Du!!! Wir wollen uns nur ganz leise daran freuen erst! Damit uns keine gar so große Enttäuschung wird, wenn es doch noch mal anders wird! Ach! Du!! Möge es der Herrgott verhüten! 30 Tage! Wie wenig Zeit das nur ist – wiederum, unserm Warten und unsrer Sehnsucht angemessen, da sind es doch noch viele Tage! Ja? Du!!!

Ach, Herzensschatz! Wie gut! Wie gut!! Daß meine Tage bis dahin ausgefüllt sind mit Arbeit! Ich müßte ja sonst vor Unruhe und Erwartung vergehn! Soo viel habe ich noch vor! Und den lieben Eltern in Kamenz habe ich es ja noch garnicht mitgeteilt, daß mein Herzlieb kommen will! Ich könnte mich gleich an manchen Tagen aufteilen mit der Schreiberei. Hellmuth und Siegfried sind wieder an der Reihe — Tante P., Tante Martha – unsre Einquartierung hat auch aus Rußland geschrieben und bittet um Antwort. Ach, sie müssen alle, alle warten!

Jetzt bist nur Du an der Reihe – und der liebe, liebe, frohe Drasch um Dein Kommen! Du!! Die Vorfreude ist doch auch schön, bei aller Hauptfreude, ja? Du!! Daß wir eine Hälfte Deines Urlaubs in Kamenz verbringen, das scheint mir unumgänglich. Deine lieben Eltern würden unser Nichterscheinen sehr übel nehmen! Wenn wir nur noch ein Schlafzimmer hätten!, da könnten sie doch gleichmal eine Woche herkommen! Dein Vater kann sich eher mal losmachen als meiner. Na – es muß auch so Rat werden. Und Du willst sicher auch gerne mal in Dein Elternhaus, ja?

Und ich bilde mir ein, Dickerle! wenn ich dabei bin, da ist es Dir ganz gleich, wo wir sind – stimmt's? Oder irre ich mich da?! Es tut mir nur leid, wenn Du nach Der [sic] anstrengenden Reise dann nochmal auf der Bahn rumrutschen sollst! Hoffentlich bekommt Dir der Klimawechsel auch gut! Darum bange ich ja eigentlich ein wenig, Du!!! Mußt ganz brav sein!!!!!!!!!! Und Dich ganz fein still verhalten! Hörst Du?!!!

Bis Du Dich eingewöhnt hast – ach - länger hielt ich's wohl nicht aus!!!!! Du!!! Wo wirst Du denn in Dresden ankommen? Wenn ich den Bahnsteig erfahre, wo Dein Urlauberzug einfährt, dann will ich hinkommen! Und sollten wir uns nicht sehen, vor lauter Menschen! Dann suche mich auf dem Balkon, Herzlieb! Ja? Da, wo ich Dich immer fand, früher! Das käme natürlich nur bei Tage in Betracht! Abends kannst mich doch da nicht sehen! Weißt, wenn Du im Dunkeln ankommst, und wir sollten uns an der Sperre nicht sehen, dann warte ich auf Dich am Treppenaufgang nach unserm Balkon, drinnen in der Halle, ja? Weißt Du, wo ich meine? Ach Du!! Du!! Wie ich mir alles schon ausmale! Wer weiß, ob's auch so wird! Vielleicht erscheinst Du wieder bei Nacht und Nebel! Um einen Tag zu früh! Ich würde mich trotzdem freuen wie nicht gescheit! Du!!! Und ich lasse Dich zu jeder Stunde ein! Klingle nur ganz lange! Du!!!

Herzlieb! Eigentlich kann ich doch bei aller fassungslosen Freude auf Dein Kommen garnicht zweifeln, daß irgend ein Mißgeschick Dich hindern könnte daran! Innerlich bin ich doch ganz fest davon überzeugt – und ich kann mir auch überhaupt nicht ausdenken wie es wäre, kämst Du nicht zu mir! Ach – Du!!! Du!!! Ich freue mich doch sooooo herzinnig auf Dich! Mein Geliebter! Das kann ja unser Herrgott nicht wollen! Daß er uns enttäuscht! Du!!! Ganz lieb wollen wir ihn bitten, daß er unserm Glück beistehe – Du!!!

Ach, mein Lieb! Du glaubst garnicht, wieviele Matrosen schon auf Urlaub sind! In der Stadt sieht man jetzt [s]o oft welche! Und wenn ich einen von ferne sehe, dann schlägt mir mein Herz ganz schnell! Du!!! Weil ich dann gleich an Dich denken muß! Herzensschatz! Geliebter!!! Sag? Was hast Du denn für eine Uniform an eigentlich, wenn Du heimkommst? Ich muß doch auch mit nach der Farbe ausschauen!! Blau? Weiß? Du selbst wirst ja sooo braun sein, denke ich, daß ich Dich kaum erkenne. Ach Geliebter! Ich bin ja heute wieder mal ganz aus dem Häusel vor Vorfreude auf Dich!

Warum? Nun, weil ich Dich sooo lieb haben muß! Weil Du heute wieder soo lieb zu mir gekommen bist! Und weil ich mich heute wieder ganz gesund fühle! Es war ja ganz schön schlimm mit meinen Schmerzen, wenn ich heute immer noch keine Besserung verspürt hätte, wäre ich morgen zum Arzt gegangen. Gottseidank ist es nun besser! Zum Arzt – Herzlieb! Herzlieb! In einem Deiner lieben Boten redest Du darüber so lieb mit mir. Weißt? Ich habe mir schon öfter Gedanken darüber gemacht. Und ich bin zu dem Entschluß gekommen, daß ich auch einmal einen aufsuchen werde. Aber erst, wenn es an der Zeit ist. Das sollst Du so verstehen. Sieh, wenn wir uns ein Kindlein wünschen, wenn wir mit festem Willen uns eines wünschen und ich spüre an meiner Verfassung in der Zeit der Menstruation doch keinen Erfolg unsres Wunsches, dann will ich einen Arzt aufsuchen; denn dann ist etwas nicht in Ordnung bei mir. Ich bin der Meinung, daß ich jetzt noch nicht zu gehen brauche, den Rat des Arztes einzuholen, weil ich mich so ganz gesund fühle, körperlich – und wir haben doch auch noch nicht mit Willen daran gedacht, uns ein Kindlein zu wünschen, sodaß wir von einem Mißerfolg reden könnten. Ein leichter Gang wird es mir nämlich nicht, Du!! Aber ich will ihn gerne gehen, wenn es um unser Glück geht. Du!!!

Du!! Und daß ich irgendwie falsch gebaut bin innerlich, d[as] kann ich nicht mehr glauben, nach dem Du mich erlösen kannst. Du!!! Vorher, ach, da hatte ich oft Zweifel, daß es so sein könnte! Doch nun! Geliebter! Nun glaube ich das nimmermehr!

Aber sobald ich feststellen muß, daß meine Regel ausbleibt, gehe ich zum Arzt; denn eine werdende Mutter muß unter ärztlicher Kontrolle stehen, schon zu ihrer Beruhigung – und später zum Vorteil bei der Geburt; denn der Arzt kontrolliert immer die Lage des Kindes im Werden. Und er erteilt der Mutter je nach ihrer Körperbeschaffen[h]eit Ratschläge, Verhaltungsmaßregeln, die sie so aus irgend einem Buch nicht immer auch auf sich beziehen kann, jeder Mensch ist anders beschaffen. So habe ich es mir gedacht, Herzlieb und vorgenommen. Sag? Wie denkst Du darüber? Wenn Du es willst, Du! Ich werde mit Dir zu einem guten Arzt gehen, wenn Du bei mir bist – ich wäre ja froh, wenn ich Dich dabei wüßte. Aber ein guter Arzt müßte es sein und ein alter! Zu einem jungen bringen mich keine 10 Pferde! Eine richtige Ärztin ist mir nicht bekannt.

Du!! Wir wollen noch darüber sprechen miteinander! Herzlieb! Mein lieber, guter [Roland]! Heute kann ich Dir nun auch paar Bilder beilegen, die von unserm Hochzeitstag! Ich bin so traurig, weil 3 Stück nicht geraten sind, ich kann's mir nicht anders erklären, als daß Mutsch Licht in den Apparat kommen ließ; denn dieselben 3 Negative haben einen dunkleren Schein als die anderen. Gerade die sind es, die doch recht für Dich bestimmt waren, einmal Dein Weiberl auf dem Liegestuhl, vielleicht ist's auch gut, daß es mißlang; sonst bekäme mein Hubo nur noch vielmehr Sehnsucht, weil ich so nackt bin und ganz lang ausgestreckt da liege!!! Du! Einmal sitze ich neben Hubo's Bild und den herrlichen Rosen! Und einmal stehe ich neben dem uniformierten Papa! Schade!

Na, ein bissel wirst noch erkennen, von unser[e]m guten Willen! Und 2 Filme habe ich noch da, die hebe ich auf bis Du kommst, ja? Du!!! Bringe nur bitte Deinen Foto mit! Meiner, das alte Ding – es ist ja schade um jeden Film, den ich einziehe! So unscharf geraten die Aufnahmen. Die Mutsch liest schon in Deinem Hochzeitstaggeschenkbuch! Papsch ist dicker geworden, findest Du nicht auch? Und von Mutsch garnicht zu reden!!! Und von mir? Ich bin jetzt zufrieden mit meiner ,Dicke' – bis auf die Oberweite! In Wirklichkeit läßt sie schon noch ein bissel zu wünschen übrig! Du!!! Du hast in ,S. [sic]' jetzt lauter so große Herzel gesehen, wer weiß, ob Du da meines für voll ansiehst!!! Deine schöne Bluse hab' ich an! Gefalle ich Dir? Und die weiße Strandhose habe ich noch von meiner Jugend her! Deine feine Kappe trage ich! Siehst Du? Du! Die kommt mir jetzt fein zu Passe! Die trage ich oft und gerne! Kannst noch eine dunkle erwischen? In braun — oder irgendwie, blau? Gelb schmutzt sehr. Kann ich die waschen? Mit Benzin höchstens. Ich hoffe, daß Du ein wenig Freude an den Bildern hast. Aber! Du!!! Zeige sie nur niemanden! Ich schäme mich da! Ich bin so nackt!!!

Mein herzliebes Mannerli! Heute hat sich bei uns Besuch angemeldet für nachmittags. Familie N. Ich habe Dir darum gleich nach dem Mittagbrot geschrieben. Ich muß trotz des Besuches arbeiten, sticken, sonst werde ich nicht fertig mit allem. Du! Dein schönes Kleid habe ich mal mit zu meiner Schneiderin genommen, daß sie mir einen guten Rat gibt zur Änderung.

Es hat ihr ganz sehr gefallen! Und sie will sich unterdessen etwas Passendes überlegen, ich soll in 4 Tagen noch mal hinkommen. Sie hat mehr Gelegenheit, etwas S[chö]nes zu finden, da sie alle Modezeitungen bekommt. Es muß ja auch was Besondres sein!

Ich freue mich ja so sehr auf das Kleid! Du!!! Nun müßte ich noch ein paar schöne Schuhe dazu haben. Ich werde mal versuchen, einen Bezugschein II zu bekommen. Herzallerliebster! Ich bin heute so froh innerlich! Du mußt es auch sein dann – Du!!! Du!!!!! Was wirst Du denn heute angeben? Wo werdet Ihr beiden Sachsenmänner rumstromern? - Ob ich dem K. danke für die Übersendung des Paketes? Aber die Frau I. hat mir noch nicht mal geantwortet auf die letzte Bildersendung. Ich habe auch so wenig Zeit.

Wenn ich wieder mal Bilder schicke bedanke ich mich mit. Du und Dein Kamerad H. werden warten, bis sich Euch das Tor zur Freiheit öffnet, ja? Oh, ich kann's Euch nachfühlen! Bleib nur schön gesund, Herzlieb! Und rege Dich nicht so sehr auf vor der Abreise, damit Du alles gut überstehst! Ach!! Dein Kommen! Darauf sind all meine Sinne gerichtet!!!!! Geliebter! Der Herrgott behüte Dich mir! Er lasse Dich bald heimkehren! Du!!! Ich freue mich sooo sehr! Ich liebe Dich sooo herzinnig! Ich küsse Dich! Du!! Ganz lieb und lange!!!!! Mein geliebter, allerliebster [Roland]! Ich bin immer Deine [Hilde].

Ganz, ganz Dein – Dein!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946