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[OBF-410730-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 30. Juli 1941.

Mein geliebtes teures Herz! Du mein allerliebster [Roland]!

Die Uhr zeigt 4 (Uhr) am Nachmittag. Endlich bin ich mit meiner Wäsche soweit, daß die Hälfte auf der Leine hängt. Ich mußte sie des schlechten Wetters wegen auf den Boden hängen – es sieht auch nicht aus wie schön werden. Und bis zum Sonnabend muß ja alles trocken sein, da wir nach Glauchau fahren [w]ollen. Ich mag mich auch nicht die ganze Woche herumplagen, ich werde froh sein, wenn ich sie trocken habe und gerollt.

Ich habe es heute tüchtig satt, Du! Muskelkater! Es reicht gerade noch aus zum Federhalterführen!! Oh Du!! Ich könnte nicht zu den Ringern gehen! Da wäre ich schon am ersten Abend schachmatt gesetzt. Gehe nur lieber allein hin, Dickerle! Ich würde mich ja freuen, wenn Du auch so kaputt wiederkämst! Kriege ich jetzt einen Klaps? Weil ich schadenfroh bin? Nein – Du!!! Nicht! Ein Brief wäre mir lieber!

Denke nur! Auch heute kam noch kein Brief von Dir. Möchte wissen, wo es da wieder mal hängt. Vielleicht kommen morgen gleich dreie auf einmal! Morgen ist ja der 31. – Du!!! Du!!! Und übermorgen, da beginnt der August! Ich freue mich sooooo sehr! Herzensschatz! Du!!! In 28 Tagen setzt Du Dich in den Zug! In den Zug, der Dich heimwärts bringt! Ach Du!! Gebe der Herrgott seinen Segen zu allem heißen Wünschen! Zu einem guten Gelingen!

Ich wäre der glücklichste Mensch auf Erden! Geliebter!! Alles, was ich jetzt anfasse, das geschieht in der Vorfreude auf Dein Kommen! Ach, es ist schön, wenn man auf ein großes, großes Fest rüsten kann! Ich bin doch schon jetzt so sehr froh, mein [Roland]! Wie wird es dann erst sein, wenn Du da bist! Geliebtester! Du!!!

Bei der Wäsche dachte ich daran: bringe mir alle schmutzige Wäsche mit heim! Überhaupt Deine Taschentücher, daß ich sie Dir wieder mal gründlich durchkoche, ich gebe Dir derweile andre, frische wieder mit; ich habe noch welche von Dir da. Und das eine Winternachthemd bringst  auch mit! Nimmst dafür dünne mit, ja? Du! Herzlieb! Ich habe heute Nacht, als ich einmal wach wurde, daran gedacht, wie wir am besten Deinen Urlaub einteilen könnten. Nun höre mal zu, ob Du einverstanden bist? Wenn alles gut geht, bist Du Freitag bei uns. Einen Sonntag mußt Du in Oberfrohna verleben! Ich dachte nun, daß wir Mittwoch nach Kamenz reisen, bis zum Montag bleiben, damit wir dann nochmal warm werden können in Oberfrohna vor Deiner Rückreise. Das möchte ich auf jeden Fall, daß Du recht gut ausgeruht von hier wegfährst! Und daß wir uns nicht übereilen müssen.

Ich will sehr gerne, daß Du vor unsrer Abreise – unser sage ich! Vielleicht, daß ich Dich ein Stück hinbringen darf? also, daß Du vor Deiner Abreise noch ein paar Tage richtig bei mir zu Hause bist! Herzlieb! Du!!! Bitte, laß' es uns doch so einrichten, ja?

Ich will den letzten Eindruck von Dir, der sicher wieder auf lange Zeit reichen muß, recht tief und lange behalten und in mein Inneres einprägen. Du!!! Und das kann ich nur, wenn Du die letzten Tage bei mir bist, in den gleichen Räumen weilst, die ich später dann wieder einsam bewohne. Verstehst Du meine Bitte? Du!!

Ach Du!! Nur noch nicht an den Abschied denken! Und da habe ich schon wieder eine Bitte, Herzlieb! Wir wollen es doch diesmal so einzurichten versuchen, daß wir die letzten Minuten nicht in Gesellschaft Fremder verbringen müssen! Oh, darum bitte ich Dich recht sehr, Geliebter!

Wie ein Stich ging es durch meinen Körper, als Du mir in einem Deiner letzten Boten in kurzen Worten schilderst, was Dich in Leipzig in der Wartehalle bewegte, als wir die letzte Stunde zusammensaßen. Du!! Ach Du!!!!! Das hat mir so weh getan.

Wie konntest Du denken, irgend etwas interessiere mich an den Fliegern, die mit ihren Angehörigen hinter uns saßen!!! Hast Du denn nicht gespürt, wie mir die Minuten zur Qual wurden in meinem Abschiedsschmerz, soo vielen fremden Gesichtern ausgesetzt? Ach Du!! Am liebsten hätte ich Dich mit fortgezogen, hinaus auf den einsamen, menschenleeren Bahnsteig – allein allein [sic] wollte ich mit Dir sein, Geliebter!

Ich konnte kein armseliges Wörtlein reden, weil ich mich so beobachtet fühlte – ach, so zuwider waren mir alle Leute! Und ich habe sehr wohl gespürt, wie sich diese Umgebung wie ein Frosthauch auf unsre Seelen legte, weil wir eben plötzlich keine erlösenden Worte mehr fanden[.] Jedes hing seinen eigenen Gedanken nach – wenn doch nur eines von uns den Mut aufgebracht hätte, sie laut werden zu lassen! Dann wäre Abhilfe geschaffen worden. Denn dann wären wir aufgestanden und hinweg gegangen aus diesem Raum. Ach Herzlieb! Ich will nicht wieder so sitzen die letzten Stunden, wo viele fremde Blicke uns treffen — ich will auch durch kein andres Gesicht von Dir abgelenkt werden! Ich will nicht, Du!!!

Nun wirst Du meinen: „da wäre es am besten, Du bliebest daheim in Deinem Stübchen und ich ginge so von Dir. Ach Herzlieb! Das hielt ich doch nicht aus!“ Ich muß Dich sehen, bis Du in den Zug steigst – bis Du abfährst! Ich muß! Du!!! Du!!! Aber eines wollen wir verhüten:, [sic] daß wir wieder unter Fremden sitzen müssen! Ja? Bitte, Du!!! —

Mein Geliebter! Heute muß ich aber nun den Eltern schreiben, daß Du heimkommst! Länger kann ich nicht mehr warten. Sie sollen ja auch nicht um die Vorfreude kommen! Du!!! Anfang nächster Woche muß ich Kleider waschen und plätten! Muß ja alles fein neuwaschen sein, wenn mein Mannerli kommt. Und wenn wir dann nach Kamenz fahren, will ich nicht erst anfangen zu arbeiten. Diesmal will ich nur mit Dir zusammensein in Deinem Urlaub! Ich fasse keinen Lappen an, kein Scheuertuch!!! Dazu ist nachher noch Zeit! Ja? Ich bin nur für meinen Hubo da!! Und zum Essenbereiten auch! Denke nur, lieber [Roland]! Ich war mit Deinem schönen Kleide bei der Schneiderin, daß sie mir einen Rat gäbe, zur Änderung. Es kann nicht abgeändert werden wegen der Stickerei, es verliert sonst das ganze Ansehen. Ist es nicht schade? Nun muß ich's so anziehen wie [es] ist. Als Engelkleidel eben, ja? Aber schade ist's sehr.

Du!! Ich soll Dir sagen: Ilse Sch. hat von Dir geträumt! Du seist Da auf Urlaub! Vielleicht warst Du gar zuerst bei ihr diesmal? Was? Du Schlingel! Weil ich noch garnichts weiß, daß Du da bist!! Na! Wenn ich das erfahren würde!!! Da wäre unsre Haustür für Dich für immer geschlossen! Du!! Du!! Ich muß Dich ja sooo sehr, sooo innig lieb haben! Du bist mein ganzes Glück! Bist Erfüllung meines Lebens! Bist mein Allerliebstes! Allerbestes! Allerkostbarstes! Du!!! Ich liebe Dich! Oh – Ich liebe Dich! Du!!!!!!!!!!!! Gott behüte Dich mir, er lasse Dich gesund heimkehren!

Ich bin in großer Liebe, in steter Treue ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946