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[OBF-410731-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 30. Juli 1941

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

„Hab ich nur Deine Liebe, die Treue brauch ich nicht – die Liebe ist die Wurzel nur, aus der die Treue bricht“. Das ist ein wahres Wort. Die Liebe ist der lebendige Quell, der Nähr- und Mutterboden aller großen Tugenden auch der Treue. Wo ich recht treu sein will, muß ich erst lieben; und die Treue kann ein starres, müdes Festhalten nur sein, wenn nicht die Liebe darunter stark und lebendig pulst. Am besten ist die Liebe doch mit dem Brunnen, dem Quell oder dem Herzblut zu vergleichen – dort, wo sie ist, ist es immer lebendig, da drängt und treibt es immer, da durchdringt es wie das Herzblut den Körper all unser Denken und Tun. Wo die Liebe groß und tief ist, wird es auch die Treue sein.

Wie steht es nun bei uns damit, Herzlieb? Du!!! Du!!!!! Liebe ist ein Treibendes, Lebendiges, das gar nicht eigentlich eine Gestalt selber hat – das sich nur äußern kann in Mancherlei Gestalt: Treue, Zärtlichkeit, im Schenken, im Mitfreuen und Mitfühlen. Ach, und alles in uns tritt doch und drängt doch zu diesen Gestalten der Liebe – wir wollen miteinander leben und diese Liebe Gestalt gewinnen lassen. Die Treue? Es ist nicht leicht zu sagen. Ich denke an das Gudrunlied – Gudrun hält ihrem Verlobten die Treue. Ein böses Schicksal führt sie in Feindesland – viele Jahre getrennt, ohne Lebenszeichen von dem Geliebten, schlägt sie doch alle Werbungen aus und harrt gläubig und getreulich des Geliebten. In diesem Ausharren äußert sich die Liebe in der besonderen Gestalt der Treue. Die Liebe, die nun viele Jahre nur genährt wird von Erinnern und Hoffen, bewahrt treu und fest das Bild des Geliebten. Wenn Liebende umeinander sind, gehen sie sicher ihren Weg – müssen sie aber scheiden und einander ferne sein, dann ist die Treue ein sicheres Geleis [sic].

Herzlieb! Heute ist Dein lieber Bote vom Donnerstag zu mir gekommen – der vom Mittwoch steht noch aus. Nun sag mal zuerst – stehst Du mit dem Scherenschneider P. aus Zittau in Verbindung? Daß er Dir zu jedem Boten eine passende Karte schneidet? Da möcht ich doch mal genauer zusehen – aber für seinen ‚Nebenbuhler‘, der die allerliebsten Briefe bekommt, würde er doch wohl nicht arbeiten. Aber die Karten sind doch so allerliebst – so voll feiner Empfindsamkeit und Herzlichkeit, so voll Zärtlichkeit – wenn ich doch auch etwas von dieser Kunst verstünde! Und heute hat der Herr P. doch getreulich verzeichnet, wie es meinem Herzlieb ums Herzlein ist! Zum Himmel hüpfen vor Freude, übermütig der Lokomotive sich auf den Puffer setzen, den Schwalben nachjagen und mit dem Hündchen tollen – Herzlieb! Geliebte! Ich fühle es Dir nach! Oh Du mein liebes Weib, hast sooo sooooo lange warten müssen. Ob dem Hubo das Herzlein auch schon so hüpft? Im Geheimen – ja!!!!!

Aber er spannt noch – er sichert noch – oh Du, es ist ein Kampf um den Urlaub! Ein Rennen und Wetzen! Wenn ich mir werde meinen Urlaubsschein schreiben – und wenn ich unserem Bau werd den Rücken kehren – dann, dann – Du!!! oh Du!!!!! – wird es in mir so jubeln und jauchzen! Herzlieb! Ich habe gut acht! Ich verfechte Dein und mein Recht!

Jeden Tag verschiebt sich das Bild noch. Da nun das Tor offen ist, kommen Sonderanliegen – ehrliche und unehrliche. Ich habe gut acht. Mancherlei kann dazwischen kommen – und ich kann nicht so leicht vertreten werden. Aber mein Anspruch ist angemeldet und anerkannt und vor[g]emerkt. Und schlimmstenfalls kann es sich nur um ein Hinausschieben um Tage handeln.

Gott der Herr wird über unserem Wiedersehen walten! Ach Herzlieb! Deine große Freude will mich doch anstecken! Abholen willst mich? Am liebsten gleich in Saloniki, ja? Du!!! Dann müßten sie aber einen Sonderwagen anhängen – denn den frechen Redensarten und Blicken der Landser mag ich Dich so lange nicht ausgesetzt wissen – und drei Tage so brav neben Dir sitzen? Das könnt ich ja auch nicht! Eine gar lange Fahrt ist es! 2140 Uhr fährt der Zug jetzt hier ab. Ist andern Tags gegen 17 Uhr in Belgrad, und am nächsten Tag im frühen Nachmittag in Wien. Ach weißt, wenn das Zügle erst mal in Belgrad ist, dann geht es auf Wien zu. Und in Wien bin ich ja dann schon in Deutschland!

Und nun muß ich noch vom Kleidl reden! Weißt, ich bin ja froh, daß es Dir gefällt und daß Du gleich siehst, wie noch was Richtiges draus werden kann. Du, mein liebes, patentes Weibl! Nun freu ich mich doch richtig mit Dir und freue mich darauf, was ihr Schönes draus machen werdet. Und wenn es ganz fein gerät, kannst es doch als Engelkeidl gar nicht anziehen. Ach Du Liebes, Liebstes, Herzallerliebste! Welchen Wunsch würdest Du mir wohl nicht erfüllen?!!! Ach, Herzlieb! Wenn ich erst bei Dir bin, dann habe ich doch gar keinen Wunsch mehr, dann wird ein Schenken sein – und so wundersam und lieb wird das sein, daß wir gar nicht mehr wissen, wer Schenkender und Beschenkter ist! Nun leuchtet mir soviel Liebe und Freude und Sonnenschein zurück – oh Geliebte, welch reicher Lohn! Wie will ich ihn in mich hineintrinken, all den warmen, hellen Sonnenschein von meinem Herzlieb! Du!! Du!!!!! Soooooviel Liebe drängt zu mir?!!!!! Oh Geliebte! Daß ich nur nicht ertrinke in dem Meere, ich kann doch gar nicht gut schwimmen! – vielleicht kann ichs dann gerade – und sonst hilfst Du mir, Du Liebe! Oh Du!!! Soooviel Liebe! Und Deine Liebe!!!!! Das ist doch eine ganz besondere – so wie es mein Herzlieb nicht noch e[in]mal gibt auf dieser Welt, so gibt es diese Liebe nur einmal!!! Was das Besondere ist? Ich kann es doch nicht sagen, ich fühl es nur, ganz glücklich – selig! Du!!! Du!!!!! Oh Herzlieb! Wie will auch ich Dich liebhaben, liebhaben!!!!! Ich darf gar nicht so lang und deutlich darandenken! Du! Das Mannerli muß jetzt arg geizen! Und jetzt, das leuchtende Ziel vor Augen, wird es ihm auch gelingen! Du!!! Du!!!!!

Oh Herzlieb! Wenn Du mich so drücken und küssen willst – Du!!! – da halt ich ja nicht still – Du, da drück ich Dich wieder! – Herzlieb! Mein!!!!! und küß Dich! Du lieber, wilder, herzlieber Bub!!! Ich bin in großer Liebe und Treue ganz ganz Dein [Roland]!

Du! Herzlieb! Jetzt ist Frühmorgenstunde. Da kann ich doch gleich noch ein bissel mit Dir plaudern.

Nach Deinen Personalien hat man gefragt. Das hat nichts weiter auf sich. Nach Schöna – weißt Du das? – gehöre ich personell. Deshalbr auch die Anfrage von dort. Er wollt die Frau Lehrer nur mit in seiner Kantorei haben.

Schreib mir doch bitte in dem Antwortboten Deine Oberfrohnaer und meine Schandauer Kontonummer mit auf. Ich habe sie leider vergessen.

Wird mein Weibel sich schon rüsten zur großen Rechnungslegung! Ach Du! Die Kasse stimmt doch, ohne daß ich prüfe – Du!!! Was mein ist, ist auch Dein. Und wenn gar nichts mehr da wäre? Nun, mein Weibel sollt mir dann nur zeigen, was es geschafft hätte mit den Gickerlingen [sic] – und dann tät ich's so liebhaben wie sonst. Ach Du! Für das Geld hab ich in meinem Herzen gar kein Plätzel. Man braucht es – aber es gibt tausend wichtigere und wertvollere Dinge als das Geld – und ein Ding gibt es, das können mir alle Schätze der Welt nicht aufwiegen und ersetzen: Dich! Du!! Mein [H]erzlieb!!!

Ach Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, daß Du die Geschichte mit meinem Kleidel gleich so tapfer und herzhaft ansiehst und gleich sinnst, woran es fehlt, und wie etwas ganz Feines noch draus werden kann! Das ist sooo gut und lieb und dankbar von Dir!!! Fachsimpler! Du Schelm! Fachsimpeln, wenn es sich um mein Weiberl dreht, das tu ich doch gerne!! Was meinst denn, was ich nicht verstehe, das Steppen oder die halbe Hüfthöhe? Du! Von der halben Hüfthöhe mag ich mal gar nicht reden, das scheint mir wirklich Fachsimpelei: Aber Hüfte? Das ist dort, wo die großen, harten Knochen sitzen in der Nähe des Allerwertesten. Und steppen – das ist gewiß eine besondere Art zu nähen.

Da fällt mir eben die Fachsimpelei mit den Kugelhälften noch einmal ein, die mir den Titel Lausbub eingetragen hat, und dem ich doch nun auch Ehre machen muß. Es ist gar nicht nur eine Hilfe – Du liebs Weiberl! Du wirst's ja spüren, Du!!!!! Und wenn Du Dich gegen die eine schon sperren wolltest, der anderen widerstehst Du nicht – und die zieht alles andre nach sich!

Aber eine Frage hätt' ich: Wie willst dem Mannerli einen Dämpfer aufsetzen? Und den Kopf zerbrech ich mir, wie ich meinem Weiberl einen doppelten Dämpfer aufsetzen soll. Siehst, nun ist der Lausbub wieder einmal ratlos – er weiß aber, wo er sich Rat holen könnte – bei einem anderen Lausbub! Weißt, jetzt wird mir zuviel der Lauserei. Lausen und Wänze, das wird zu viel. Gestern und heute mußte ich einige Exemplare dieser üblen Gattung austilgen. Hoffentlich nehmen sie nicht überhand.

Mein liebes, teures Weib!

Ich habe Dich sooooo lieb! Ich freue mich sooo sehr darauf, Dir wieder einmal heim zukehren. Heimkehren! Zu Dir!!! Zu Dir!!!!! Kein andrer Gedanke, kein andrer Wunsch, der so mich beseelt. Gott erfülle ihn uns in Gnaden. Er behüte Dich mir auf allen Wegen und erhalte Dich froh und gesund.

Ich bleibe in Liebe u. Treue Dein [Roland].

Bitte grüße die lieben Eltern!

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.410730-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946