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[OBF-410801-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 1. August 1941.

Mein Geliebter!! Du!!! Mein lieber[,] allerliebster [Roland]!

Du!!!!! Wo soll ich denn nun gleich anfangen? Ich will Dir erst von ganz belanglosen Dingen erzählen, Du!!!!! damit ich nicht überlaufe vor Freude und Jubel. Ach Herzlieb! Du!!! Heute fällt mir doch das Stillesitzen fürchterlich schwer! Kannst Du das begreifen? Dein Freitagbrief ist doch heute gekommen!!! Worin sooo viele Neuigkeiten stehen vom Urlaub! Ach Du!!! Wenn der abhanden gekommen wäre!!! Ich hätte mich doch zuschanden geärgert! Du!!!!! Also: Eben bin ich aus der Badewanne gestiegen und habe bei mir gedacht und gerechnet, wieviele Male mußt' denn eigentlich noch ohne Bademeister baden? Und da bin ich darauf gekommen, daß es noch zwei Male sind! Am übernächsten Badefreitag – wenn alles gut geht – fährt mein Herzlieb ab!!! Oh ganz stille! Du!!! Und nun habe ich erst den Sonntagsbraten für unsern lieben Vater angebraten, weil wir morgen früh mit dem 8 Uhr Bus losfahren werden. Da muß nun mein liebs' Schätzel morgen mal ohne Nachricht bleiben von seiner [Hilde]! [Du] Mußt nicht traurig sein! Du!!!!! Ich denke doch trotzdem sooooo lieb an Dich!!! Und ich nehme Dich gleich mit nach Glauchau! Du!! In der großen Zuckertüte? Magst das?? Die ist aber leider ganz leeeeer! Kannst Dich nicht voll Süßigkeit „fressen“ – Du Leckermäulchen!

Tja – der schlimme Krieg! [Er hat] Auch hier einen Riegel vorgeschoben! Nein – ich nehme Dich lieber in meiner Handtasche mit, ja? Und die trage ich doch immer so unter’n Arm geklemmt, weißt? Da bist Du mir ganz nahe – wenn Du gut aufmerkst, dann spürst vielleicht sogar mein Herzel – Du!!! Ist doch ein feines Plätzel, gelt?

Du!!! Gestern abend hat Dir die Mutsch geschrieben. Sie hatte einen Ärger – kam doch die Frau U. herein, setzte sich hin und: erzählte!

Du! Ich habe derweile mein ganzes Voilekleid zusammengenäht! Ich bin garnicht zur Singestunde gegangen. Ich habe ja noch soooviel frohen Drasch! Und da muß ich jede Stunde nützen! Da kann mich nichts anderes erschüttern. Oh, da habe ich Nerven – Ruhe – da gehe ich stur meinen Weg! Du!! Ich kann manchmal gewaltig störrisch sein, wenn ich mir was eingeb[ild]et hab'! Hast Du Bange nun? Du!!!!! Bloß im Guten!

Mutsch wollte Dir so gerne einen recht lieben, langen Brief schreiben – für den Deinen, worüber sie sich so gefreut hat. Es ging auf 11 Uhr, als Frau U. wieder ging. Sonderbar – bei anderen Leuten merkt sie jeden Dreck, wenn sie mal irgend etwas verkehrt machen – aber, als sie gestern abend die Mutsch vor'm Briefblock sitzen sah, und schreiben, da ging sie nicht wieder fort, so bald wie möglich, so wie es sich gehört hätte – nein, da läßt sie sich häuslich nieder und erzählt von ihrer Verwandtschaft, die wir überhaupt nicht kennen!

Sie hatte halt grade mal Lust auf ein „Schwätzchen“! Aber wenn unser einer mal ein Anliegen hat, wo man sie beansprucht, da tut sie soo geschäftig, daß man sich kaum traut 'was zu sagen, das sie zu lange aufhalten könnte. –  Komisches Frauenzimmer.

Die Mutsch ist eben nach der Arbeit immer abgespannt und da ist es viel, wenn sie bis in die Nacht hinein reden soll und dann noch schreiben. Aber ich finde, daß der Brief an Dich ganz nett ist – nur sehr kurz! Na – für unsere Begriffe – ja? Du!!!!!

Du!!! Warum ich solange um den Brief von Mutsch herumrede? Ich habe ein schlechtes Gewissen! Ja! Wegen der gewünschten Strümpfe. Als ich den fertigen Brief von Mutsch durch las [sic], bemerkte ich, ob sie nicht auch Strümpfe haben wolle. „Nein.“ Ach, bestelle Dir nur trotzdem welche, dann nehme ich sie halt! So sagte ich! Du!!! Bist Du mir noch gut? Du?!!! Ich hab's nicht bös gemeint – ich habe eben so gerne viel Strümpfe.

Mein Herzlieb! Du!! Jetzt bin ich wieder da von meinen Gängen. Nun ist es mittlerweile um 7 [Uhr] abends [g]eworden und ich bin nur noch für Dich da jetzt! Bin ganz fertig mit meiner Arbeit.

In Limbach war ich, wir hatten für Tante und die Kinder Wäsche nähen lassen, die holte ich ab, damit wir sie morgen mitnehmen können. Und dann gab ich einen ,Einschreiber‘ auf, Bestimmungsort: Dresden – 19, G.bergstraße 37 (K.)!! Mit 150 M Inhalt in Scheinen! Wie es gewünscht wurde. Du!!!!!

Ach Geliebter!! Geliebter!! Als heute früh Deine zwei Briefe kamen, da klopfte mir ja das Herz so sehr! Einer war wieder geöffnet! Und gerade der Freitagsbrief, der so lange ausblieb (Sonnabend und Sonntag hatte ich doch schon!) auf den ich sooo wartete! Und nun las ich und las! Und wurde doch soooo froh! Ach! Du!!!!! Ganz überglücklich wurde ich dabei!!! Vom Urlaub! Das war mir doch das Allerwichtigste! Nun hat sich meine anfängliche Freude noch sooo sehr vergrößert!!! Geliebter! 21 Urlaubstage!!! Und die Tage für die Fahrt obendrein! Das ist ja einfach herrlich! Herzallerliebster! Dem, der auf diesen famosen Einfall (besser, zu dieser höchst vernünftigen Einsicht) kam, Du!! gebührt mein Lob! Meinetwegen kannst ihm gleich mal in meinem Namen um den Hals fallen! Ich bin ja nicht dabei! Vielleicht bekommst noch 3 Wochen länger. Ach nein! Herzlieb!! Ich will ja garnicht unverschämt werden! Ich bin ja so ganz dankbar, daß Du wirklich und wahrhaftig volle 21 Tage bei mir sein darfst! Bei mir!! Soo lange immer bei mir! Du!! Das ist ja garnicht auszudenken! Sooo schön!!! Ach mein [Roland]! Helfe uns Gott!! Führe er uns glücklich zueinander! Wie wollen wir ihm danken dafür! Du!!! Sag? Wie soll ich es denn fertig bringen, mich leise erst zu freuen? Du!!!

Ich kann es nicht! Ich kann es nicht!

Der Großmutter erzählte ich's, der Oma auch! Im Hause wissen sie es auch! Ach! Sie lassen Dir alle, alle viel liebe Grüße sagen! Und eine frohe Heimkehr wünschen! Sie wollen Dich alle gern mal wiedersehen! Die Großmutter [Laube] freut sich ganz besonders auf Dich! Aber ich doch am allermeisten, Du!!! Ach Du! Vorhin habe ich in Limbach wieder einen Matrosen gesehen! Ich muß doch gleich immer an Dich denken, Du!! So ein großer, schlanker und soo braun! Eine feine, dunkelblaue Uniform hatte er an und seine Bändermütze hatte einen weißen Bezug, das sah aber schneidig aus!

Wenn Du auch so fein ankommst! Du!!! Da kann ich doch garnicht mehr neben Dir bestehen! Du!!!

Da gucken Dir alle Mädels nach und ich werde ganz[,] ganz fuchsteufelswild!!! Mein Hubo ists! Meiner! Ganz meiner!

Du! Ich mache doch auch gerne Staat mit Dir!

Weißt, woran ich gedacht habe? Nun, wo Du soo lange bei mir bist, da fahren wir einmal zusammen ins Konzert und einmal ins Theater. Freust Du Dich da? Und mein Hubo im feinen Matrosenstaat – und ich im Polterabendkleid! Ach, ich zöge es ja zu gerne wieder einmal an! Du!! Habe es erst einmal angehabt – am Polterabend. Ich habe aber keine Schuhe dazu. Kannst Du nicht ein Paar mitbringen für mich?? Mit Riemchen, blau – dunkelblau, weiß, oder silbern käme in Frage; auch schwarz. Braun nicht!

Und einen Absatz müßten sie haben, weil's ein Gesellschaftsschuh sein soll. Keine flachen Absätze! Ach, da wäre ich aber froh!

Ach Herzlieb! Ich bin doch sooo aufgeregt!!! So sehr!!! Denke nur, der Brief war geöffnet und nichts, rein garnichts durchgestrichen!! Dabei steht doch wieder Saloniki da! Sind es doch nicht immer dieselben Personen, die da öffnen! Einer nimmt es strenger als der andre. Aber ärgern tut's mich trotzdem, daß Deinen lieben Boten schon vorher jemand las! Wo er doch ganz allein für mich bestimmt ist, ja? Du!!!

Dem Herrn K. nebst seiner Frau – nein, umgekehrt!! – den beiden habe ich also auch ein Briefchen beigelegt, damit das alles nicht gar so geschäftlich aussieht!

Ja, Dickerle! Du wirst nun unterdessen aus meinen Briefen ersehen, daß ich schon lange zuvor so einen schlauen Bauch wie Du hatte [sic]! Und beim Kamerad K. anfragte, ob er mir für Dich 100 M mitnähme. Siehste! Zwei Seelen – ein Gedanke! Zwei Herzen und ein Schlag!

Na, ich bin nur neugierig, ob alles klappen wird. Du!!! K. kommt am 13. heim und Du fährst am 15. oder 16. schon ab! Da wird Dir wenig Zeit bleiben, Deine 150 M umzusetzen! So viele Einkäufe auf einmal, da reicht ja Deine Zeit garnicht. Kannst Du es denn nicht irgendwie verbürgen, festmachen, das Gewünschte, daß Du nachher bloß noch hingehen brauchst um zu zahlen!? Aber – ich glaub's schon – wer macht denn so einen Handel mit, noch dazu mit solch fremden Landser! Müßtest höchstens etwas Wertvolles als Pfand dortlassen: Deinen Photo[apparat], Deine Uhr, oder so.

Wenn K. Dir das Geld nicht mitbringt, dann kannst Deine Sachen allemal wieder abholen. Wie denkst Du denn? Na, Du wirst das am besten beurteilen können.

Ach Herzlieb! Herzlieb! Die Mutsch ruft mich, sie hat sich den Kopf gewaschen und ich soll ihr Wasserwellen legen. Dann will sie noch alles zusammenpacken, die Wohnung aufräumen, Badewasser wegbringen. Denke nur: Vater hat am Sonntag von früh bis abends Dienst. Weil der Betrieb Ferien hat, Ablösung fehlt. Nun muß er auch noch Rot-Kreuz sammeln! Da ist er nun heute abend nach dem Bad noch fort. Der Arme hat auch nie Feierabend. Ich will ihm nur gleich noch was gutes für morgen zu Mittag kochen, daß er es nur wärmen braucht. Für den Sonntag ist er versorgt. Ach - [Hilde] hinten, [Hilde] vorne. Überall ist man unentbehrlich. Frau G. hat mich schon gebeten, daß ich sie am Ende ihrer Ferien in Neudorf abhole, weil sie das Bahnfahren so schlecht verträgt. Sie weiß nur noch nicht genau, wann sie heimkommt, voraussichtlich am 7. August. Sie will mir alles vergüten. Du!!! Wenn mein Mannerli da ist, dann bin ich für niemanden mehr zu sprechen. Du mußt mich gleich ganz festhalten, daß mich keiner wegholen kann! Geliebter! O Herzensschatz! Wenn Du doch sehen könntest, wie ich mich freue auf Dich! Du!!! Ein Strahlen und Leuchten ist in mir! Oh Du!!!!! Das ist die Sehnsucht! Die unerlöste! Geliebter mein!!! Der Kalendermann strahlt mit uns um die Wette! Du!!!

Ich liebe Dich! Oh – ich liebe Dich! Du!!! Gott schütze und behüte Dich allezeit Deiner [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946