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[OBF-410815-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 15. August 1941.

Geliebter Du!!! Mein lieber, liebster [Roland]!

Herzlieb! Heute kam nun auch noch Dein Bote vom Freitag an, grade ein Woche brauchte er! Du!! Ach, habe Du herzinnigen Dank für alle Zeichen Deiner treuen Liebe! Geliebtester!!! Du!! Hast mich ja sooo tief beglückt! Du!!!!! Ach Schätzelein! Was bedeuten mir doch Deine Boten!!! Wie ich sie lieb und wert halte, davon kannst Dich ja nun sogar selbst überzeugen, wenn Du bei mir bist! Ach – um keinen Preis in der Welt möchte ich sie hergeben!!! Und ich bin ja ebenso rührend närrisch wie Du! Abends, wenn der letzte Sonnenstrahl eben versinken will und ich kann nur irgend abkommen, dann husche ich in mein Bettlein und nehme einen Packen Briefe von Dir mit – und dann lese ich – lese ich – bis mir die Augen zufallen wollen! Ach, das ist zu schön! Du!!! Wir hängen so sehr aneinander, Du!!! Es kann doch überhaupt nichts geben, was uns je trennen könnte! Herzallerliebster mein!

Freitag heute! Badetag? Falsch geraten! Heute geht das Einwecken vor – und außerdem kann ich ja nicht mit baden! Du!!! Dickerle! Liebes!! Nun wird noch einmal Freitag und das zweite Mal bist Du doch schon auf großer Fahrt!!! Gebe Gott, daß alles gut geht! Du!! Am nächsten Freitag will ich Dir nun den letzten Boten schicken – dann kommt erst eine lange Pause – und dann? Du? Ob wir uns nach Deinem Urlaub wohl auch nochmal über 300 Briefe schreiben müssen, ehe Du heimkommen kannst, Du!? Heim zu mir? Ach – es soll uns ja keine schwere Aufgabe werden nochmal soo viele Boten zu schreiben! Aber, ich denke an die lange, lange Zeit, die das ist! Oh Du!! Der Herrgott möge uns gnädig sein! Mein liebster [Roland]!

Nun will ich Dir erst mal erzählen von gestern: Bin ich kurz nach ½ 12°° [Uhr] los, um zur Bahn zu gehen – als ich eben um die Ecke biege fährt mir doch der Zug vor der Nase weg! Sone [sic] Gemeinheit! Um Sekunden handelte sich`s nur! Ich bin zum Auskunftbeamten und ließ mir eine neue Verbindung aufstellen. Um ½ 3°° [Uhr] konnte ich fahren, jedoch in Narsdorf bekam ich keinen Anschluß mehr. Na, ich faßte mir ein Herze und probierte es nochmal, mit dem Entschluß, bis Breitenborn zu laufen. Das sind nur noch etwa 4 km. Das Wetter war nicht schön. Furchtbar windig, regnerisch. Ich mußte aber los, man rechnete auf mich. Und ich brauche die Sachen auch soo notwendig. Freitags kann ich nicht fahren, da habe ich reine zu machen.

Na, von Narsdorf ab bin ich getippelt mit meinem großen Koffer und den leeren Erdbeerkörbchen.

Nach ¼ Stunden etwa, ich setzte eben mal ab auf der Landstraße, um mein Haar unter die Kappe zu zwingen, das mir der Sturm immer wieder zerzauste, höre ich hinter mir Pferdegetrappel. Ohne mich jedoch umzuwenden stiefelte ich wieder los mit den Gedanken: „wenn es nun ein Fuhrwerk aus Breitenborn wäre und dich mitnähme“, – und Herzlieb! Kaum gedacht – wie im Märchen! – da ruft mich eine Männerstimme an: „Na, mein Fräulein, darf ich sie ein Stück mitnehmen?“ Und als ich mich wende sehe ich eine hochfeine, wunderschön geschmückte Brautkutsche!!! Und der Kutscher, ein älterer gutmütiger Mann lacht zu mir herunter im Staate und läßt halten. Nun lockte es mich ja sehr!! Und ich fragte, wohin er wolle. Nach Geithain! Er kam von Rochlitz. Na, da hab ich meine Sachen angefaßt und im Schwung hineingehoben und bin hinterdrein gestiegen! Das Herz voller Wonne! Du! Hast denn nicht den Schlucken gehabt gestern in der 5. Nachmittagsstunde? An unserem Hochzeitstage wurde mir mein Wunsch nicht erfüllt – gestern dafür umso unverhoffter! War das feudal! Alles mit Blumen bekränzt! Auf dem Platz des Brautpaares war eine feine Spitzendecke ausgebreitet, aber da habe ich mich natürlich nicht draufgesetzt!! Und im Hochgefühl erfüllter Freude fuhr ich in Breitenborn ein! Die Leute haben schön gestaunt. Ich bedankte mich dann herzlich für diese Güte und lief zu meinem Bauer. Alles stand schon bereit für mich: Bohnen, Gurken, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Eier (40)! Ach, da habe ich gestrahlt! Ich mußte nun auch alles rasch einpacken; denn ½ 800 [Uhr] fuhr mein Zug zurück vom Bahnhof Breitenborn.

Und zu E.s' mußte ich ja auch noch 'nen Sprung hingehen, sie hätten doch sicher erfahren, daß ich dagewesen bin.

Du! Und als ich mich von meiner Gönnerin verabschiedete, da drückte sie mir noch ein kleines Stück Butter in die Hand (soviel wie ½ Stück) ich war ja platt! Und das hat sie mir geschenkt!! Sie meinte, weil die Erntehelfer umher stünden, könne sie mir nur das geben, sie darf ja nicht! Und sie blinkerte mich an,: „wenn Sie mit ihrem Manne kommen werden, dann ….“. Nun bin ich ja neugierig, ob sie uns da wahrhaftig etwas abläßt! Wäre ja großartig!! Du!! Ist doch lieb von ihr, gelt?

Nun war noch 1 Stunde Zeit bis mein Zug ging, schnell zu [Nordhoffs] 'nein gesprungen, das ist gleich um die Ecke. Und die waren erstaunt, daß ich so spät komme!! Sonst bei Morgengrauen – gestern bei Dämmerschein!

Und was denkst Du denn, was das Neueste ist!:

Der Hermann ist zuhause!! Er ist vom Lazarett entlassen und hat Genesungsurlaub, wie lange weiß ich nicht mehr. Onkel hat ihn Mittwoch in Dresden abgeholt. Er freut sich sehr, daheim zu sein! Ich soll Dich ja mal mitbringen wenn Du auf Urlaub da weilst!! Aber nicht bloß auf einen Sprung, wie ich`s immer machen würde! Ich versprach das! Kann ichs' denn halten? Du?!! Ach der arme Kerl, es könnte einem das Herz zerreißen, wenn man ihn so humpeln sieht. Vor allem, wer ihn nun vorher schon kannte, gesund! Ich sah ihn ja gestern zum ersten Male. Er gefällt mir. Und scheinbar ich ihm auch, er unterhielt sich angeregt mit mir die wenige Zeit. Weißt was er mir neidete? Meine Größe! Ich mußte lachen. Er hat sich sogar neben mich gestellt und gemessen von hinten und vorne. Am liebsten wäre er mit zur Bahn gegange er probierte auch, ob er nicht mit dem Rade fahren könnte! Er ist scheinbar ein rechter Wagehals. Die Buben nahmen mein Gepäck auf den Wagen und die Tante begleitete mich.

So. Nun bin ich heimgefahren. Und da habe ich in der Bahn eine Bekanntschaft gemacht. Ein Matrose! Hubo!! Hubo!!! Konkurrenz! Ein Maat. Er kam von Osten her auf Urlaub – die Strecke Leipzig-Chemnitz. Wollte heim, nach Annaberg. Er hat mir meinen Huckepack hineingehoben, als ich in Narsdorf die Tür öffnete und einsteigen wollte. So kamen wir in's Gespräch. Er freute sich ja soo sehr heimzukönnen! Sie wußten nicht, daß er heute kam, seine Eltern. Es wäre ganz unverhofft geschehen, daß er Urlaub bekam. In den Ostseegewässern fährt er umher. Ach Du! Und da habe ich ihm von meiner großen Freude sagen müssen, daß ich Dich erwarte in Kürze! Er sagte, daß es schön sein müsse, von so einem Mädchen so sehnsüchtig erwartet zu werden, wie ich es sei. Da weiß ich nicht was er meint. Ich war auch gleich in Wittgensdorf – ich war sehr froh nun, daß ich herauskonnte. Er hat mich so seltsam betrachtet.

Ach, es war so schön anfangs, mit so einem Heimkehrenden eine gemeinsame Freude zu haben, eine gemeinsame, freudige Erwartung. Weißt, es ist so sonderbar, wenn ein Soldatengesicht so übersonnt ist von der Freude des Heimkehrens – und wie er sich auf seine Heimat, seine Berge freute –, ich konnte das so gut verstehen. Und auch nur deshalb, weil die Unterhaltung ohne jeden befremdenden Beigeschmack war, konnte ich ihm sagen, wie ich mich ebenso sehr freue, auf Dich. Und da lenkte er plötzlich anders ein – das war nicht recht von ihm. Wo er ja wußte, daß ich verheiratet bin. Sowas kann man mit einem ledigen Mädel reden.

Mein Herzlieb! Ach Du!!! Ich habe Dich ja sooooooooooo lieb! Nur Dich ganz allein! Ich spüre es so ganz stark und beglückt, wie ich Dich liebe, liebe! Und gerade durch so eine Begebenheit, wenn ich mit einem anderen Mann in Berührung komme, da fühle ich ganz deutlich, was Du mir bist! Du bist mein Ein mein Alles [sic]! Mein ganzes Glück! Und keiner ist auf Erden so wie Du! Du!!!!! Geliebter! Ich konnte nur Dich lieben, konnte mich nur an Dich verlieren, weil Du, ach weil Du eben mein [Roland] bist! Ich kann`s doch garnicht in Worte fassen, wieviel Du mir bedeutest! Herzlieb!!! Du bist so anders wie alle anderen Männer – ich könnte mich mit so einem Menschen nie und nimmer seelisch so eins fühlen wie mit Dir! Das ist ganz komisch. Und daß ich es auch immer gleich nach einem kurzen Wortwechsel so spüre!, das ist in mir richtig instinktiv, es baut sich dann sogleich eine Mauer auf zwischen dem Fremden und mir.

Ach, man kann ja auch mit einem Fremden nichts gemein haben, keine gleichen Interessen!

Das macht ja das Glück unsrer Liebe aus! Dieses zwanglose Verstehen, dieses glückhafte Harmonieren und Ubereinstimmen [sic] der Herzen und der Seelen. Es ist, als seien von einem zum anderen unsichtbare Fäden gespannt und wenn man sich dem einen, dem Einzigen gegenübersteht, dann ist es wie ein plötzliches Erhellen in uns, dann ist es, als wäre der Kontakt da. Man ist eben eins, ganz eins. Und dieses einzige, wundersame und einmalige Gefühl, es ist in mir nur wenn Du in meiner Nähe bist. Du! Du!!! Du allein bist es ja auch, dem mein Herz gehört! Du allein besitzt mich mit Leib und Seele! Dein nur bin ich! Und Dein nur bleibe ich! Geliebtes Herz! Du mein Sonnenschein! All mein Glück, Du meines Lebens ganze Freude! Oh Du!!! Wie ich Dich liebe! Wie unsagbar ich Dich liebe!!! Ganz, ganz fest habe ich Dich in mein Herz geschlossen, niemand kann Dich mehr herausreißen!! Du!!! Geliebter! Unsere Liebe, unsere tiefe, große Liebe, sie kann uns nie voneinander trennen! Nie!!! Unsre Liebe, sie ist in den 3 Jahren unsres gemeinsamen Weges Schritt um Schritt tiefer geworden und inniger, sie ist nicht einmal ernstlich erschüttert worden – aber sie hält und blüht über alle Ferne!

Geliebter! Und ebenso wie Du die Kraft meiner starken Liebe spürst, wie sie Dich hält und bannt, wie sie tröstet und beglückt, wie sie Dich so ganz erfüllt! Sieh, Geliebtester!! So viel bedeutet sie mir! Die Deine – Genau so viel!! Oh Herzensschatz! Du!!!

Und daß dieses innige Gefühl der Zusammengehörigkeit niemals mehr verlöschen kann, das ist so gewiß, so lange unser Herz noch schlägt. Du!!! Ich bange nicht um Deine Liebe – und Du sollst nie um meine Liebe bangen! Herzensschatz! Du! Die Liebe, die uns verbindet, hängt nicht von äußeren Dingen ab – auch nicht von Zahlen! Herzlieb! Ich muß Dich doch mahnen, mein liebes herzliebes Philosophenmannerli! Sollst doch Dein liebs [sic] Köpfchen nicht mit solchen Zahlen belasten! Du!!! Du!!! Alterszahlen! Ach Du!! Jetzt müßte ich nun gleich bei Dir sein, um Dir ganz tief, ganz lieb und ganz ernst auch in die Augen zu schauen! Du!! Ich verstehe es schon, was Dich so besinnlich stimmte! Aber ist das Los Vieltausender denn ein Grund zu bangen an Deiner Kraft? An unserm Glück? An unsrer Liebe? Du!!!

Mein Alter, es hat ja nichts mit meiner Liebe zu tun! Du!! Wenn`s da genau auch nach Zahlen ginge, Du!! Da wäre aber meine Liebe viel geringer als die Deine! Aber im Ernste, Herzlieb!

Ich bin mir voll und ganz bewußt, daß sich unsere Liebe noch wandeln wird im Leben, daß sie ruhiger, stiller brennen wird, wenn wir erst zusammenleb[en]. Wenn Pflichten uns erfüllen, Aufgaben, alle gemeinsamer Art – ach, dann wird unser Lieben ein noch viel tiefinnerlicheres  sein als jetzt – und daß solches Lieben noch köstlicher ist, als unser Lieben heute, Du!! Das werden wir erkennen dann, wenn wir beide in unsre Tage hineingewachsen sind. Wenn wir unser Leben dann kennen – nicht, wenn wir es wie jetzt vorausbetrachten und vorausbedenken!

Daß ich nun soviel jünger bin als Du – ich kann`s nicht ändern – aber – daß uns jemals eine Differenz d[a]durch entstehen könnte im Leben und in unsrer Liebe?! Nimmermehr! Dazu sind sich unsre Wesen viel zu sehr gleich, viel zu sehr verwandt! Dann müßten wir ja schon heute etwas spüren, daß uns nicht behagte! Du!! Wir sind doch sooo ganz voneinander erfüllt! So ganz eins! Soooo lieb haben wir uns! Und so wie heute wirst Du mich allezeit ganz erfüllen und beglücken können! Du! Es ist nicht der leiseste Zweifel in mir darum! Herzlieb! Herzlieb! Sei ganz glücklich mit mir! Ich liebe Dich so herzinniglich! Und ich glaube an Dich und die Kraft Deiner Liebe und an ihre Wärme, die uns ja Leben schenken soll! Leben! Geliebter !!!!!!!!!! Gott sei mit Dir! Du!! All mein Glück!

Komme zu mir! Du!! Deiner [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946