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[OBF-410819-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 19. August 1941.

Geliebter!!! Mein [Roland]! Du!

Du! Du! Nun ist doch alles gut! Alle Angst, daß man mich von Dir reißen könnte ist nun gewichen! Geliebter! Das war meine ganze Sorge! Du!! Nun muß ich Dir erzählen – nun will ich Dir erzählen! Ach Du! Ich wollte Dir doch anfangs kein Sterbenswörtchen von der ganzen Geschichte erzählen, bevor Du nicht bei mir bist! Ich wollte Dir nichts davon schreiben, Du solltest ganz unbeschwert zu mir heimfahren können! Ach Du! Und ich habe es doch nicht fertig gebracht, Dir das zu verschweigen – ich kann Dir nichts verheimlichen und sei es auch nur etwas aus Liebe – ich muß Dir alles sagen was mich bewegt. Du!! Ach – möchte er doch ganz schnell zu Dir kommen, dieser Bote, der alles klären soll! Geliebtester!!! Du!

Am Montag früh erhielt ich eine Aufforderung vom Arbeitsamt, am 19. VIII. in der Zeit von 15-17 Uhr zu erscheinen. Ich war sehr erschrocken, trotzdem ich im Geheimen immer damit rechnete. Du! Es geschieht so viel um mich her, in dieser Angelegenheit: Frauen zum Arbeitseinsatz heranzuziehen, daß ich unwillkürlich erschrecken mußte; denn ich sah mich auch schon an einer Drehbank stehen im Rüstungsbetrieb oder irgendwo. Du kannst Dir vorstellen, daß ich mir nun alle möglichen Vorstellungen und Gedanken durch den Kopf gehen ließ – ich brannte auf die Stunde, da ich erfahren sollte, was man von mir will. Die Eltern sprachen auch nur von diesem Thema. Und haben mir Mut zugeredet und Ratschläge gegeben. Die Sache lag ja ziemlich klar und einfach. Ich führe den Haushalt meiner berufstätigen Eltern. Ohne die Einwilligung meines Mannes werde ich mich nie und nimmer einsetzen lassen.

Daß alles, was jetzt neu in eine Arbeit tritt, in die Rüstungsbranche gesteckt wird liegt offen auf der Hand. So bin ich vorhin mit meinen Gründen gewappnet, die Gedanken ganz fest bei Dir, losgegangen. Ich war die erste, es kamen noch mehrere Frauen, junge und ältere – alle waren auch bestellt. Man führte mich mit in den Dienstraum und eine Dame, – ich kenne sie, Frl. N. aus Oberfrohna – nötigte mich zum Sitzen. Nun die Eröffnung.

„Wegen starkem Mangel an Arbeitskräften in allen Branchen sehen wir uns genötigt auch die verheirateten, berufslosen Frauen einzusetzen, vor allem kinderlose; auch halbstageweise ist willkommen.“

Also, sie kam mir sehr höflich entgegen. (vielleicht weil sie uns kennt?) Nun sagte ich ihr meine Gründe. Sie hat sie teils anerkannt, aber weil ich kinderlos bin und noch bei den Eltern [wohne], bat sie mich zu einer Entscheidung, ob ich nicht einige Tage mich zur Verfügung stellen wollte. Ich sagte ihr, daß Du in 14 Tagen auf Urlaub kommst, daß ich mit Dir sprechen will. Und ausgebeten habe ich mir, daß ich nur in einer Art tätig werde, die mir von Nutzen ist: nämlich hauswirtschaftlich, nicht aber in die Fabrik.

Ich legte ihr klar, daß ich deshalb aus der Fabrikarbeit ausgeschieden bin, weil ich nach meiner Verheiratung mich wirtschaftlich ausbilden muß, um Dir den Haushalt führen zu können, so wie es Dein Stand verlangt. Das hat sie selbstredend anerkannt. Auch wird sie sich für mich einsetzen, daß ich in irgend einem Haushalt mich zu Verfügung stelle. Eventuell in einem Geschäftshaushalte. Also Rüstung scheidet aus. Und da fiel mir plötzlich ein, daß einmal ein U.-K. Antrag lief bei Dir, das sagte ich ihr auch. Also könne sie doch noch mit meinem Wegzug aus Oberfrohna rechnen. Nun einigten wir uns so, indem sie einen Vermerk in ihr Buch eintrug hinter meinen Namen; etwa so: (läuft U-K Antrag, ev. wirtsch. Betätigung halbtagweise) Ich möchte bitte, nachdem mein Mann seinen Urlaub beendet hat, wieder vorsprechen mit einer entscheidenden Erklärung.

So. Das war alles und ich war entlassen.

Du! Es war mir ja ein so großer Stein vom Herzen gefallen. Ich brauche nicht fort – in eine große Fabrik irgendwo in einer fremden Stadt! Du! Ich glaube, dazu hätten sie mich auch nicht bekommen und wenn ich sonst was an Redekunst angewendet hätte. Du! Ach, da hätte ich kein Zuhause mehr gehabt, wo ich lieb und ungestört Dein denken kann, wann ich auch will! Oh Du! Das war das drohende Bild, das mir von Anfang an vorschwebte, das mir allen Mut nahm! Ich muß bei Dir bleiben! Dann ist alles andre zu ertragen! Du! Ich habe Dich ja sooooo sehr liebgewonnen – ich mag nicht mehr in die Fremde, so wie ich es anfangs einmal wünschte! Du!!! Ach, seit ich nun mit Dir alles Glück unsres Einsseins hier in den lieben vertrauten Räumen meines Elternhauses erlebte, ach Du da mag ich doch gar nimmermehr daraus fort – außer denn, Du holst mich zu Dir, in Dein Haus! Du!! Aber in die Fremde, allein – nimmermehr!!! Ach Geliebter! Du! Ich wünsche mir ja oftmals, daß ich auch eine große Pflicht nebenbei noch zu erfüllen hätte, daß ich auch nützlich wäre, wie alle, wenigstens wie viele jetzt! Daß ich Dir nicht nachstehen müßte! Du! Gewiß, wenn man alles bis ins kleinste bedenkt, was ich jetzt leiste, es ist vie[l]. Aber ich denke immer, weil es für zuhause, für uns nur ist, da ist es zu wenig – ist es kein Opfer. Du! Und doch wiederum halte ich es nicht aus, wenn ich so sehr in Anspruch genommen werde, daß unsererr Liebe ein Nachteil erwächst!! Nein! Das halte ich nicht aus, wenn ich Dir nicht mehr täglich schreiben könnte! Ach Du! Und [so] so sehr in Anspruch genommen wäre, daß mir kaum ein lieber Gedanke für Dich bliebe! O nein!!! Ich muß mit Dir fortleben, Du!!!

Ich ertrüge sonst meine Tage nicht! Geliebter! Es wäre das Allerbeste, so denke ich manches Mal, wenn ich ein Kindlein hätte, da hätte ich eine große, schöne Pflicht zu erfüllen – da könnte ich ganz in inniger Gemeinschaft mit Dir, mein Geliebter weiterleben, es ist doch mein und Dein!!! Und fremde Menschen müßten mich in Ruhe lassen.

Ach, wenn dieser Krieg nicht wäre, da gäbe es das alles nicht, dieses Bewachtwerden. Jeder ginge seinen eigenen Weg, unangefochten. Mein [Roland]! Nun wollen wir alles in Gottes Hände legen – er meint es so gut mit uns!

Als ich gestern abend zur Ruhe ging, da habe ich mich im Gebet ihm vertrauensvoll anbefohlen – mich und den Weg unsrer Liebe, Du!

Und heute habe ich nun seine Güte und Liebe so sichtbar gespürt. Alle Sorge ist mir genommen! Ich bin so tief dankbar! Sei es mit mir [sic], Du mein Herzensschatz! Und nun wollen wir ganz geduldig abwarten, was unser Herrgott mit uns vorhat. Seinem Willen beugen wir uns gern und willig! Und wenn es sein soll, daß Du mir im Urlaub ein Kindlein schenkst, Du! Dann ist ja alles entschieden mit meiner Zukunft.

Wenn es aber anders uns beschieden ist, so wollen wir ganz lieb beraten, was ich tun soll, ja? Du!!! Denn daß mich das Arbeitsamt nicht in Ruhe läßt, ist sicher. Und heute kann ich noch Ansprüche stellen in der Wahl meines Einsatzes. Es kann aber noch so weit kommen, daß jeder mit helfen muß, ohne daß er gefragt wird, unserem Endsieg näher zu kommen.

Ich wäre nicht abgeneigt, mich nachmittags oder sonst stundenweise einem guten Haushalte zur Verfügung zu stellen. Ich kann im Orte bleiben. Und kann zuhause sein abends zum Schlafen. Wie denkst Du? Wir wollen alles bereden, wenn Du erst da bist ja, mein Lieb?

Herzlieb! Es ist wieder einmal wie so oft schon in unser[e]m Leben: es drängt, es drängt nach einer Entscheidung – ob wir wieder einmal an einer wichtigen Entscheidung stehen? Will sich etwas fügen? Es ist, als treibe und das Schicksal einer neuen Aufgabe zu. Ach Geliebter! Nun, mit dem hoffnungsvollen Ausblick und das andre, schönere noch:

Du kommst!

Ach, da will mir doch alles so leicht werden! Du und ich und unsre große, tiefe Liebe – Du!!! Sooooo viel Glück wird sein! Ach Geliebter mein! Ich kann es doch nun kaum mehr erwarten, bis Du endlich bei mir bist! Herzensschatz! Mein [Roland]! Jetzt, wenn ich diese unvorhergesehne Aufregung be[de]nke, da ist es mir gerade, als hätte dieser bittre Tropfen in den Freudenbecher meiner Erwartung müssen fallen, Du! Damit er nicht überschäumt!!!

Aber! Du!! Ich will ganz fein still und geduldig warten, bis Du wirst bei mir sein, Geliebter!

Oh Du! Du!!! Komme nur recht bald zu mir, daß ich mich an Dich schmiegen kann ganz dicht, ganz fest und lieb, daß ich bei Dir sein kann, geborgen an Deinem treuen Herzen – in Deiner großen Liebe! Oh wie ich mich sehne, mein Glück mit Dir zu teilen! Oh wie ich mich sehne, meine ganze Herzensfreude mit Dir zu erleben, Du mein geliebtes, [sic] Herzelein! Mein [Roland]! Geliebter Du! Sie ganz froh und zuversichtlich mit mir! Gott ist mit uns! Du! Ich muß wieder und wieder an unseren Trauspruch denken, Herzlieb! Es ist wie ein helles Licht auf unserem Wege! Ach mein [Roland]! Komme bald heim! Ich muß mein Glück mit Dir teilen! Es ist mir das Herze so übervoll! Du!!! Du!!!!! Geliebter! Heute ist gar kein Bote gekommen, ach ja – dienstags schon oft! Dafür morgen, ja? Du!!! Nun sei für heute ganz lieb geküßt! Der Herrgott sei allezeit mit Dir! Er lasse Dich gesund heimkehren zu Deiner

Dich liebenden [Hilde].

Du!!! Mein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946