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[OBF-410822-002-01]
Briefkorpus

Donnerstagabend, am 21. August 41.

Mein herzliebster [Roland]! Geliebter! Herzallerliebster mein!

Es ist um 9 00 [Uhr] abends, ich bin seit einer Stunde wieder daheim aus der Stadt. Und nun muß ich erst noch ein paar Worte mir Dir tauschen Herzlieb, ehe ich schlafen gehe. Worte mir Dir tauschen, Du? Geht denn das brieflich? Du?! O ja, mit Dir kann ich mich unterhalten, auch wenn ich Dich nur in Gedanken bei mir habe! Du!!!

Bist doch mein liebes, herzliebes Mannerli, das mir zuhört und mir auch Antwort gibt – Du!! Nun ist der Tag vorbeigegangen, dem ich nicht ohne Bangen entgegensah. Weißt, wenn man zum Arzt gehen muß, es ist ein banges Gefühl. Wenigstens mir geht es so. Dabei hatte ich ja keinen Grund zur Besorgnis, mir fehlt nichts‘ [sic], mir tut nichts weh. Aber ich wartete doch nicht ganz ohne Bedenken auf den Bescheid, den mir der Arzt geben würde! Und nun, Herzlieb! Ach Du! Ich bin ja sooo sehr froh und beruhigt!! Du!!! Ich bin ganz gesund! Ganz normal gebaut! Und alles ist in allerbester Ordnung. Freut’s Dich nicht auch, Du? Dr. P. meinte, es stünde nichts im Wege, um in gesegnete Umstände zu kommen. Er hat sich selbst gefreut über meine gute Beschaffenheit. Ein Kräftigungsmittel hat er mir verschrieben, weil ich blutarm bin, das muß ich täglich 2x nehmen. Es ist blutbildend und regt den Appetit an! Das braucht es nicht! Appetit habe ich immer! Wenn ich in andere Verhältnisse kommen sollte, dann soll ich gern nochmal zu ihm kommen, damit er alles ein wenig überprüfen kann. Er ist Spezialist auf dem Gebiete, auch Geburtshelfer. Glaubst Herzlieb, zu diesem Arzt kann ich Vertrauen haben. Er ist so ruhig und sicher in seiner Art. Er ist schon älter, hat weißes Haar. Und seine Untersuchung war wenig schmerzhaft. Freilich, angenehm war es nicht! Und nun bin ich heilfroh, daß alles überstanden ist, Du!! Ich will Dir alles noch erzählen, wie es war. Ich mag es nicht aufschreiben – wenn dieser Brief in unrechte Hände gerät – ich fürchte es, weil Du vor der Heimreise stehst; er könnte ja um einen Tag zu spät ankommen, Du!

Du! Bei seiner Untersuchung bin ich nun auch auf etwas gekommen, das mir bis [je]tzt noch immer rätselhaft war an mir. Und darum bin ich ganz sehr froh; weil ich immer meinte, es sei unnormal, nun weiß ich aber durch ihn, daß es ja so sein muß! Du! Ich will Dir’s sagen!

Herzlieb! Es war mir so recht, daß ich Lore mit hatte. Allein wäre mir doch recht ungemütlich zumute gewesen! Und ein männliches Wesen war nicht anwesend heute, Du! So lieb Du es gemeint hast, wenn Du mich begleiten wolltest, ich hätte mich bestimmt geschämt, wenn ich Dich mit zur Sprechstunde genommen hätte. Da mu[ß] man als Frau nun mal allein gehn, da hilft alles nichts. Viele saßen da, sicher auch welche die krank waren, sie sahen so leidend aus. Fast 2 Stunden vergingen bis wir wieder draußen waren. Ja, ich gebe zu, peinlich ist so eine Untersuchung bestimmt jedesmal wieder aufs‘ [sic] neue, aber wenn ich das nächste Mal wieder gehe, dann habe ich gar keine Angst. Du! Ich bin richtig befreit und froh, daß es hinter mir liegt und daß ich ganz gesund bin! Kannst mir das wohl nachfühlen? Du, Geliebter! Nun freue ich mich noch einmal so sehr auf Dich! Du!!

Mein Herzlieb! Da hatte ich gestern abend aufgehört mit schreiben. Die Mutsch hantierte noch mit der Einweckerei in der Küche herum es war schon 10 Uhr und ich konnte dann nicht mehr untätig mit zusehen; ich half schnell mit, daß sie in’s Bett kam. Und da spürte ich, wie ich auch ziemlich müde war – Du[!] Ich sehnte mich nach meinem Bettlein! O Du!! Auch nach meinem Herzlieb! Daß ich bei ihm ruhen könnte, ganz still – nur daß ich Dich fühlte! Geliebter!!! Und als ich so im Bettlein lag und den Tag überdachte, recht froh über seinen Verlauf – da befiel mich plötzlich eine große Angst um Dich, Geliebter! Morgens hatte ich Deinen so lieben Boten noch erhalten, in dem Du mir die schöne Autofahrt an der Bucht entlang schilderst, und da sah ich diesen Wagen vor meinem geistigen Auge, wie er von einem unvernünftigen Burschen gesteuert wurde – all die Dummheiten zogen an mir vorüber, die Du mir erzählst in Deinem Berichte, die dieser unvernünftige Kerl verübte. Ich bekam richtig Alpdrücken. Ach Herzlieb! Herzlieb mein! Bitte versprich mir, fahre nie wieder mit!!! Ich habe schreckliche Angst um Dich!!! Du!!!!! Wie furchtbar, wenn solche vergnügte Fahrt irgendwie schrecklich enden müßte, durch die Verantwortungslosigkeit eines solchen Kerls! Du!! Ich gönn Dir alle Schönheiten und Sehenswürdigkeiten von Herzen! Du sollst auch mittun, damit Du die Fremde nicht so drückend empfindest und das Alleinsein! Aber, dann gehe lieber für Dich, nicht mir solch verrückter Bande! Ach, ich weiß, wenn Du allein bist, dann bist Du ganz vorsichtig! Ich weiß es beruhigt, Du! War denn K. nicht auch empört über Euren Wagenführer?

Du!!! Sonst hat es Dir gefallen da, das freut mich! Es bleibt nur immer wieder ein Rest der Unzufriedenheit bei allem Schauen und Erleben des Schönen – weil die Menschen nicht hineinpassen. Du bist so anders als die meisten Deiner Kameraden – ich fühle es oft heraus, wenn Du mir so berichtest. Geliebter! Du weißt es aber recht zu nehmen, Dein Soldatenleben! Du!!! Es ist eine Pflicht – eine vorübergehende Pflicht! Und am Ausgange [sic] dieses Lebens, in das man Dich gezwungen hat, Du! Da steht unser Leben!! Unser herrliches, fr[oh]es[,] schönes Leben! Wie köstlich wird es uns dünken, wenn wir zwei zum ersten Male wieder nach diesem bösen Kriegsgewitter, befreit Seite an Seite gehen dürfen wohin uns das Herz drängt – frei! Ganz frei!! Ach Du!! Möchte es der Herrgott im Himmel fügen, daß wir beide diese schöne Zeit gesund und froh miteinander erleben dürfen! Recht, recht bald mein [Roland]!! Ach, ich bin so von Herzen dankbar, daß Du mir bis auf den heutigen Tag gesund geblieben bist!

Ach Du!! Das ist sooo unermeßlich reiches Glück! Ich will nie aufhören, unseren Herrgott zu bitten, daß er mir Dich erhalte, Du mein Sonnenschein! Mein Leben! Du, all mein Glück! Geliebter!! Oh Geliebter mein! Mit diesen Gedanken muß ich wohl gestern abend auch eingeschlafen sein; ich träumte von Dir, Schätzelein! Du!! Ganz genau kann ich die Zusammenhänge nicht mehr deuten, ich weiß nur, daß ich mit Dir in dem Omnibus saß; im dem wohl, in dem Ihr ausgefahren seid? Du saßest neben mir, wir hielten uns an den Händen und schauten ganz still und froh zum Fenster hinaus; herrliche Landschaftsbilder zogen vorüber – Berge – Wälder – Seen – ach so herrlich schaute sich alles an, ich habe in Wirklichkeit soviel Schönheit in der Natur noch garnicht beisammen gesehen. Ich war richtig von Herzen froh, ich spüre das Glücksgefühl seit heute morgen noch immer in mir, Du! Weil Du an meiner Seite saßt, Du!!! Geliebter mein! Und ebenso wird mir wieder zumute sein, wenn Du richtig leibhaftig bei mir bist!! Ach Du!! Du!!! Ich habe es ganz deutlich gefühlt, daß Du mich geküßt hast, Geliebter! Du hast mich im Traume geküßt Geliebter! O wie süß, wie wonnevoll spürte ich es durch meinen ganzen Körper rinnen! Du!! So wunderbar, so wundersam ist es immer auch, wenn Du mich in Wirklichkeit küßt! Du!!!!! Und dann wird so brennend heiß das Verlangen wach, Dich so ganz bei mir zu fühlen – ach Geliebter! Geliebter! Weißt Du, wann zum allerersten Male ich es ganz wild und drängend spürte, Dein zu sein? Du! In Lichtenhain, weißt Du noch? Als Du mir soooviel Küsse schenktest – H.s waren zum Schlachtfeste geladen – oh Du! Du!! Ich konnte es kaum noch ertragen! Oh, wie unendlich sehnte ich mich da schon nach Dir! Wie liebte ich Dich! Und doch habe ich mich bezwungen – und auch Du! Ach Herzlieb! Es war doch auch schön und unendlich köstlich, das Leben in unsrer Brautzeit und zuvor! Ich glaube, wenn wir noch einmal in die Zeit zurückversetzt würden, wir müßten wieder so handeln! Du!!! Unsre Liebe ist nur umso inniger, tiefer, stärker und mächtiger geworden – weil wir zuerst unsre Wesen so recht erfaßten und dann erst das Geheimste der Liebe.

Wo ich eigentlich hinauswill? So stark und groß und tief ist die Liebe zwischen mir und Dir, daß sie alle Ferne überwindet – sie findet den Weg von Herz zu Herzen! Oh sooo beglückt habe ich es heute morgen wieder gespürt! Geliebter!!! Dein Traumbild hat alle Sehnsucht auf’s neue wachgerufen! Ich konnte nicht mehr im Bettlein liegen ohne mit heißer Sehnsucht und Qual Dein zu denken. Geliebter! Ich bin gleich aufgestanden – und doch ist das Brünnlein wieder übergelaufen.

Oh, mein [Roland]! Wie liebe ich Dich! Wie unsagbar liebe ich Dich!!!!! Komme zu mir! Geliebter!!! Bald!!! Bald!!!!! Ich muß all meine Liebe verschenken – ich weiß nicht mehr wohin mit all meiner Sehnsucht! Oh Du!!!!! Geliebter!!! Geliebter!!!!! Ich muß Dich sooo liebhaben! Ich muß Dich ganz festhalten, wenn Du bei mir bist – oh mein [Roland]! Nimmermehr will ich Dich von mir lassen!!!!! Du!!! Ich liebe, liebe Dich! Ach mein Herzensschatz! Mein geliebter [Roland]!

Alle meine große Liebe möchte ich heute dem Bo[te]n mit auf den Weg geben! Du sollst es fühlen, wie ich Dich vor Glück und Sehnsucht und Erwartung zitternd herbeiwünsche! Oh sooo sehr! Ich will Dich mit meinen allerliebsten Gedanken verfolgen, bis ich Dich endlich in meine Arme schließen kann! In meine Arme schließen! Mein [Roland]! Oh Du! Alle Seligkeit liegt in diesem Umschlingen, in dem Willkommenkuß [sic]! Und sie soll noch viel herrlicher und wundersamer erblühen, unsre Seligkeit wenn wir allein sind[.] – Wenn unsre Herzen stumme, glückselige Zwiesprache halten! Sonnenschein, mein lieber, lieber!! Du!!! Weißt Du denn, wie sehr ich mich auf Dich freue? Oh Du! Meine Hand kann den Gedanken kaum noch folgen! Und doch, wenn ich Dir alles heute noch aufschreiben wollte, da käme mein Bote nicht mehr zurecht! Und Du würdest vergeblich auf ihn warten! Mein [Roland]! Was ich Dir noch alles sagen will? O Du!!! Lauter liebes, törichtes Zeug!!! Und doch schwingt darinnen  alle Liebe für Dich! Alle Sehnsucht! Alles Verlangen, Dein zu sein! [D]u! Ein Verslein will ich Dir noch schreiben „[Hilde]“ stand darüber – ich fand es in einer Zeitung in Chemnitz, als wir zu Mittag aßen. Ob es meine Gedanken sind, die da stehen? Du!!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Mein Herz ist voller Liebe,

ich will’s an dich verschenken

und nicht erst lang bedenken,

ob’s allzeit auch so bliebe.

Was immer uns beschieden,

und was man sich erringt,

ein güt’ges Schicksal bringt

uns einmal doch den Frieden.

Drum will ich nimmer fragen,

was morgen werden mag,

es kann ein einz’ger Tag

das Glück des Lebens tragen.

Ob’s allzeit auch so bliebe?

Kein quälendes Bedenken,

Ich will mein Herz dir schenken

und es ist voller Liebe!

Mein [Roland]! Mein Herzensschätzelein! Nun bricht bald, bald die letzte Woche an unsres Wartens! Geliebter!!! Es will mir doch schier das Herze überlaufen vor Wonne! Du!! Du!!!

Wenn ich an Dich denke! Oh Du!!!

Herzlieb! Heute in 8 Tagen, da fährst Du schon! Du!!! Ach Du! Wie im Fluge werden uns die letzten paar Tage des Wartens noch vergehen! Bestimmt! Alles ist nur noch einmal! Der Badetag! Der Sonntag, Montag …. Ach ich bin schon rein aus dem Häusel vor Glück! Alles will ich blitzeblank putzen, es soll um mich hier alles so blank sein, so strahlen wie in meinem Herzen! Du!!! Und der liebe Petrus? Der soll mal seine Gedank[en] zusammenreißen! Sonnenschein wünschen wir! Nicht Regen, wie heute und andauernd! Sonst sind wir ja verdammt, alle 3 Wochen im Stübel zu hocken und uns liebzuhaben!!!!!

Wäre das ein großes Unglück? Du?

So, da ist auch eine Gewissensfrage, die Du mir mündlich beantworten sollst! Du!!! Geliebtes Mannerli! Mein!!! Also! Die Verhaltungsmaßregeln [sic] hatte ich meinem Bub schon erteilt! Er wird sie gut beachten!!! Sonst kann ich vor Sorge kein Auge zutun! Und nun werde ich warten, oh sehnsüchtig warten! Auf wen? Erst auf d[as] Telegramm – dann auf den Anruf und dann?

Auf meinen [Roland]! Auf meinen Herzallerallerallerliebsten! Oh Du!!!!! !!!!! !!!!! !!!!! 

Geliebtes Leben! Mein Herzlieb! Möchte Dich Gott im Himmel begleiten mir seiner Gnade! Ich befehle Dich in seine Hände. Kehre mir froh und gesund heim! Geliebtes Herz! Ich warte auf Dich, wie ein liebendes Weib nur warten kann! Oh, ich freue mich!!! Glück zu!!!

Reise glücklich! Willkommen! Willkommen daheim!

In unendlicher Liebe und Sehnsucht.

Deine [Hilde], Deine Holde, Du!!! Dein!!!

[*] Vieltausend Grüße v. den Eltern! Willkommen!! 

 

[* = Dieser Satz ist senkrecht an den linken Rand geschrieben.]

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946