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[OBF-410929-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 29. September 1941.

Herzallerliebster mein! Du!! Mein lieber, liebster [Roland]!

Heute beginnt die erste Woche ohne Dich, Du!! Montag ist. Und übermorgen fängt schon der neue Monat an, Oktober. Die Zeit läuft unaufhaltsam weiter – sie läßt sich nicht aufhalten. Und das ist auch gut so, Du!!!

Nun darf ich Dich wohl heute wieder „daheim“ suchen?! Ich hoffe es ganz sicher; denn 4 Tage auf der Bahn rumrutschen ist genug für einen Urlauber, ja? Na, wenn’s nur nun gut überstanden ist. Ich habe heute früh ganz fest Dein gedacht, Herzlieb! Du!! Heute nacht, wie auch in der Nacht zum Sonntag vor 3 Uhr, bin ich wieder erwacht, ganz unvermittelt. Mein Herz ging soo wild. Einmal ging es mir schon so, in der Nacht, ehe Du bei mir ankamst! Du!! Du!! Hast Du um diese Stunde an mich denken müssen? Besonders lieb? Du!!

Ich schlief heute zum ersten Mal wieder drüben in meinem Kämmerlein. Geliebter! Alle süßen Bilder, alle heimlichsten Gedanken standen auf – oh, ich sehnte mich nach Dir! Ich war ganz fest bei Dir in meinen Gedanken, Herzallerliebster mein! Der Mond sah durchs Fenster, er guckte mir gerade ins Gesicht, der Vorwitzige. Sahst Du ihn auch? Wie er sich rundet, nicht wahr? Die Nächte sind klar, kalt, ruhig – kein Alarm bisher – ich habe eine ganze Weile hinausgesehen zum Fenster, zu den Sternen – habe an Dich gedacht, oh Du! Sooo lieb! Mein herzallerliebster [Roland], Du! Heute morgen bin ich [um] ½ 7 [Uhr] aufgestanden. Ich hatte einen Weg vor am Vormittag. Tante Marthel aus Glauchau hat Großmutter um Auszüge aus dem Taufregister gebeten. Es handelt sich um ihre Urgroßeltern. Oma gab Papa den Brief mit und bat mich, das von meiner Urkunde abzuschreiben. Das ist zwecklos. Sie braucht doch beglaubigte Urkunden. So bin ich heute früh nach Kaufungen mit dem Rade. Der Standesbeamte, bei dem wir einst waren ist nicht mehr; man wies mich nach dem Gemeindeamt. Die führen nur buch bis zu 1876, was vordem liegt, ist im Pfarrhause zu Wolkenburg zu suchen. Also: ich fuhr dahin. Die Frau Pfarrer S. öffnete: „mein Mann ist dienstlich in Rochlitz.“ Pech gehabt. Ich hinterließ ihr die Namen und zahlte meine Gebühren, sie will mir die Urkunden zuschicken. Da kann Mutsch den Kram gleich mitnehmen, wenn sie nach Glauchau fahren sollte. Konnte Tante nicht so klug sein und an das Pfarramt schreiben? Sie weiß ja, wo sie geboren sind und weiß, daß Oma keine Zeit für solche Wege hat! Ei ei – nun kann die [Hilde] den Krempel ausfechten.

Na, wenn’s heute nicht so schön draußen war, ich wäre ja nicht gefahren, da hätte ich geschrieben. Aber so habe ich gleich eine Spazierfahrt gemacht. – Ach Herzlieb! Ich bin so voll Liebe zu Dir! Weißt, an der Wolkenburger Brücke, da wo Du die Aufnahmen machtest an unsrer Radpartie, bin ich heute wieder vorbei. Da lag alles im hellen Morgenlicht und es gab ein ganz andres Bild als am Dienstag. Die Bäume sind schon sehr kahl, der Wind weht noch immer kräftig. Auf dem Rückweg bin ich in Kaufungen am Gasthof nach Niederfrohna abgebogen. Weißt, an der Straße, drunten im Tale liegt unser lauschiges Plätzchen, wo wir einmal zusammen ruhten, im Sommer nach unsrer Hochzeit. Heute war alles ringsher [sic] kahl, die Felder abgeerntet, gepflügt; man war noch beim Kartoffeln ausmachen. Es gab zwar noch frisches Grün auf etlichen Bäumen, die meisten waren aber vergilbt, kahl zum Teil. Auf den Wiesen suchen die Kühe ihr letztes Futter. Es bereitet sich langsam alles vor zum Winterschlafe. Kalt war der Morgen, huh kalt! Aber in meinem Herzen, Du! Da glühte ein helles Feuer! Geliebter!! Als ich die Schröderstraße hinunterfuhr, kam eben der Postbote aus dem Postamt. Er rief mich…. Ein Brief! Ein Brief! Vom Herzensschätzelein! Welche Freude! Du!!! Du!!!

Und nun höre ich mehr von der unfreiwilligen Unterbrechung. Du hast den Kameraden getroffen, das freut mich. Nun, zu Zweien ging alles besser. Man hat Euch die Verspätung auf dem Urlaubsschein eingetragen – beruhigt mich – nun gibt’s keine Scherereien. Meine Vermutung, daß Du in Wien übernachtet bist bestätigt sich. Und Du hast schön geschlafen, das freut mich, Du!

Ach weißt, ich brauche mich nicht zu sehr zu sorgen und zu ängsten [sic] um Dich! Geliebter! Ich sehe ja nun schwarz auf weiß, wie fein Du den Tag in Wien genützt hast; es war doch auch eine seltene Gelegenheit, die sich so unvermutet bot, die man nützen muß! So billig kommst Du so bald nicht wieder zu all den herrlichen Sehenswürdigkeiten! Und eine ganz großartige Gelegenheit konntest Du beim Schopfe packen! Oh Du! Ich beneide Dich beinahe!! Das Orgelkonzert im Stephansdom! Herzlieb! Welch würdige Abschlußfeier, ehe Du die Heimat verließt! Ehe Deutschland hinter Dir lag. Ich kann Dir ganz lebhaft nachfühlen, welch köstlicher Genuß dies[es] Konzert Dir war. Und ich freue mich nun nachträglich, daß Du Deinen Reisebegleiter dazu bewegen konntest, sich Dir anzuschließen.

Mich hättest Du nicht zu bereden brauchen, Du!!! Die wenigen Stunden werden Dir so schnell vergangen sein, hast Dich fein umgeschaut im schönen Wien! Und fandest auch noch Zeit, mein zu denken. Ich freue mich ganz sehr und ich dank‘ Dir, Du!! Es ist jetzt, da ich schreibe ½ 4 [Uhr] nachmittags. Ich habe mir noch 2 Briefe vorgenommen heute, mal sehen wie weit ich komme. An Familie H., weil er bald abreisen wird. Und an Siegfried. Sag Herzlieb? Darf ich ihm die Müffchen schicken, die ich Dir mal ‘raus nach Eckernförde sandte?, er schreibt, er müßte so frieren. Das dauert mich so. Du brauchst sie ja nicht, gelt? Und wenn Du wieder mal einen harten Winter in Deutschland verbringen mußt, dann stricke ich Dir neue, Du! Dann muß ich noch unsre Sonntagskleider aufräumen und die Schuhe putzen. Heute Mittag konnte ich nur mein Essen machen und aufwaschen und die Zimmer aufräumen. Dann gibts noch paar Wege. Heute abend wollen wir vielleicht zum Bauer L. gehen, unsre Winterkartoffeln bestellen. –

Mein [Roland]! Ich bin so glücklich darüber, weil Du mir schreibst, daß Du froh vorausschaust und daß Du mich sooo lieb hast! Du!!!

Gott wird mit uns sein, Dein Wesen, Dein Bild, unser Bund und unsre Lebensaufgabe! All das wird mir jeden Augenblick vorschweben! Kraftspendend, ermutigend!

Ich danke Dir, Du! Oh! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!

Gott schütze Dich!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946