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[OBF-411001-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 1. Oktober 1941.

Herzensschätzelein! Geliebter! Mein lieber, guter [Roland]!

Heute sieht der Himmel aus wie ein schmutziger Sack. Grau in grau, bis nach 900 [Uhr] vormittags mußte ich Licht brennen! Das vorausgeahnte Regenwetter ist da! Und in einem Ausmaße, daß [sic] an Ergiebigkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Na, meinetwegen – ich kann im Trocknen sitzen und Du? Herzlieb? Du mußt Dich auch nicht mehr drüber grämen; denn Du hast vielleicht eitel Sonnenschein um Dich heute?!

Ach, ich bin doch heute soo froh und glücklich!

Liebster! Denke nur!! Heute ist Dein erster Bote aus Saloniki eingetroffen!! Am 28. geschrieben – sonntags – am 29. abgestempelt – montags – und heute, nach 2 Tagen ist er schon bei mir! Du!!! Das ist eine Rekordleistung erster Ordnung! Sicher per Flugpost. Oder hast Du gewußt, wie ich den Boten ersehne? Daß Du ihn so schnell auf den Weg schicktest zu mir?! Du[!] Ach, ich habe mich ganz sehr gefreut!

„Glücklich gelandet, Dein [Roland].“ Das sind die Worte, zuletzt angefügt, und die bedeuten mir alles! Nun hat Dich Gott wieder in Deinen sicheren Hafen geleitet. Ich atme dankbar auf, Geliebter!

Im Unterbewußtsein hat man es wohl nicht anders erwartet, als so gut, wie es nun sich fügte. Doch – an wieviel Mißhelligkeiten konnte Deine Ankunft zum Scheitern gebracht werden – an wieviel schwachen Fäden hängt unser Geschick!

O Herzlieb! Ich ermesse das große Glück recht und ganz dankbar. Es ist doch wie ein Spuk, wie ein Wunder, daß Du nun wieder so weit von mir entführt an einem Platze bist, da Du doch Dich mir auch ganz nähern kannst – im Briefe. Du sagst ganz recht,: ich werde wieder am gewohnten Platze sein, der Zug kann mich nicht mehr Stunde um Stunde weiter von Dir entfernen – sondern dann kann ich wieder damit beginnen, die Brücken zur Heimat und zu Dir zu schlagen, Du!!! Du! Du wartest darauf – brennst darauf – freust Dich! Oh Geliebter!! Wie mich das beglückt zu wissen!!! Ach, Herzallerliebster mein! Wir sind einander verbunden auf Leben und Tod, in Liebe und Treue! Wir hal[t]en einander ganz fest und umschlingen einander in inniger Liebe, mein [Roland]!! Du mein Ein und Alles!

Nun wird es nicht mehr lange dauern, kommt unser täglicher, lieber Gast wieder von Dir zu mir, von mir zu Dir – unser treuer Bote. Er geht wieder getreulich neben uns durch die Tage des Wartens, hin bis zur Erfüllung, bis zum nächsten Wiedersehen!!! Du!! Du!! Gebe unser Herrgott, daß bald Frieden sein möge, daß ich bei Dir sein kann für immer! Geliebter! Ach, ich will gerne warten, geduldig warten, wen[n] Du mir nur gesund bleibst! Wenn Du mir nur wiederkehrst! Und Du willst mir wiederkehren! Du mußt mir wiederkehren! Ich glaube fest daran, so fest wie Du, mein [Roland]! Und Gott wird uns gnädig sein, wenn wir ihn nur recht lieben und ihn immer aufs‘ neue anrufen.

Herzallerliebster! Du hast mir heute so viel Freude gemacht und ich kann Dir  heute auch Freude machen. Ich habe unsre Bilder vom Optiker geholt. Das Ergebnis ist: teils teils! Du sollst selbst sehen, Du! Manchmal werde ich hintendrauf einen kleinen Vermerk machen. Ein einzig’s ist nicht geworden. Ich schätze, das vom Schlafstubenfenster aus, oder wo Du nun geknipst hast, als Du mit dem Apparat hinausgingst. Wir haben uns alle wohl betrachtet, haben unsre Freude daran gehabt! Nun habe ich doch nur einen Abzug von allen bekommen, weil’s am Material hapert. Ich sende Dir alle Bilder nach und nach. Die Negative bringe ich mal zum Optiker G., daß er mir noch Abzüge macht, ich möchte sie den Eltern in Kamenz zum Ansehen schicken; dann an unsre Brüder nach Rußland. Fidi bekommt die Negative, wo sie drauf ist.

Du darfst alle behalten. Du!!

Ach, wie schön das ist, wenn man so liebe Erinnerungen im Bilde festhalten kann. Und ich bin ganz einverstanden, daß wir uns nochmal einen besseren Apparat zulegen! Ich freue mich schon auf die Bilder vom Herrn G.! Da müssen wir uns aber noch ein Weilchen gedulden. Denke nur, er fährt in den Herbstferien schon wieder alleine in Urlaub! Sie hat wieder die Wohnung voll Besuch: ihre Schwester auf 8 Tage und seine kleine Nichte (13 Jhr.) in den Herbstferien. Ich kann’s ihm nicht verdenken, daß er da lieber fortfährt, anstatt den Trubel mitzumachen. Wozu sind denn Ferien?, daß man sich entspannt. Ich begreife dieses Frauenzimmer nicht.

Sie mag nur so weitermachen, da kann’s ihr passieren, daß er sich eines Tages scheiden läßt. –

Ach Du! Vorhin erlebte ich eine Überraschung! Werde ich an’s Telefon verlangt: Tante Marthel aus Glauchau. Nanu, denke ich, wo brennt’s denn da? Sie fragte nach ihren Urkunden. Und nun erfuhr ich auch den Grund. Sie wollen im Osten siedeln!!!

Ich bin sprachlos! Ihr Mann ist auf Urlaub, schon wieder, am Freitag müssen sie alle zur Untersuchung nach Chemnitz. Schade, daß ich nicht länger mit ihr reden köonnte, um noch näheres zu erfahren – das Gespräch wurde dann unterbrochen. Scheinbar schon in aller Kürze, weils‘ so pressiert. Nun bin ich neugierig, ob da Onkel Albert entlassen wird vom Militär! Meinst Du? Wenn er wieder als Fleischermeister geht? Immer ‘was Neues! Sie will uns mal alles schreiben wenn’s geregelt ist, oder kommt sie gleich selber nochmal heim. Ich bin platt, glaub[st] Du? Das ist schon ein Entschluß – mit 3 kleinen Kindern. Was wird Oma sagen und meine Eltern?, es weiß ja noch garniemand [sic]!

Ei ei! Und die Wäsche ist schon erledigt!!! Du? Herzlieb! Wenn Du nur in S. [sic] an die Deutsche Schule könntest, würdest Du das tun? – Du! Ich käme Dir ohne weiteres nach! Manchmal denke ich, man könnte vielleicht in einer ‚gewissen Hinsicht‘ im Auslande friedlicher leben, Du verstehst mich schon! Und Dir stünden eher Wege offen, Deiner Neigung als ….. [sic] nachzugeh[en]. Doch – das sind nur meine Betrachtungen – man weiß ja nicht, wie es nach dem Kriege im Reich weitergehen wird! Aber, wie gesagt: ich zögere keinen Augenblick – ich fürchte nichts an Deiner Seite – ich gehöre dahin wo Du bist – ich gehöre zu Dir mein Leben lang. Du!! Herzlieb mein! Nun will ich für heute Deine lieben Hände drücken, will das ganze liebe Mannerli fest an mich drücken in inniger Liebe! Du!! Du!!!!! Ich liebe Dich so sehr! Mein [Roland]! Geliebter!

Gott sei mit Dir! In unwandelbarer Liebe

und Treue

bin ich Deine [Hilde].

Viele herzliche Grüße von den lieben Eltern!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946