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[OBF-411002-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 2. Oktober 1941.

Herzensschätzelein! Mein lieber, guter [Roland]! Geliebter!

Zuerst muß ich mir etwas von der Seele schreiben, Du!! Ich habe gestern gelogen. Wirst Du böse sein? Du?!! Uns fehlen ein Paar Schlüssel, Du weißt, und ich habe in unsrer Wohnung alles und alle Ecken durchsucht, ich kann sie nirgends finden. Und weil ich auch nun das umständliche Aufeinanderwarten wegen der Schlüssel satt hatte, bin ich zum Schlosser gegangen und habe mir paar neue machen lassen. Weil er sie noch nicht ganz fertig hatte, als ich sie abholen wollte, schickte er sie mit einem Lehrling her zu uns. Du weißt, wie sehr U.s auf dem Posten sind!! Kurz: die Tücke wollte es, daß der Schlosser draußen steht und an der Haustür rumprobiert, nachdem er mir [sic] geklingelt hatte und wartete. Das hört Herr U. und geht sofort hin, sieht nach wer da Fremdes herein will, hinterdrein seine Paula. In alledem sause ich um die Ecke und sehe! – ahne nichts Gutes!! Wie ich dazu käme, ein paar [sic] neue Schlüssel machen zu lassen ohne die Erlaubnis des Hauswirtes?, so ähnlich empfing man mich! Ich faßte mich schnell und sagte, Du hättest aus Versehen paar mitgenommen!! „Sie haben sie doch nicht etwa verloren?“ „Nein.“ – „Das geht nämlich auf keinen Fall, wenn sie jemand findet und hier einfach reinkommt, während wir nicht da sind; da müssen sonst unbedingt lauter neue Schlösser ran: Gartentor, Haustüre und an ihren Korridor!“

Das war mir außer'n Spaß, Du. Ich habe sie beide zu beruhigen gewußt, indem ich sagte; Du hättest die Schlüssel mitgenommen. Du! Bloß daß Du Bescheid weißt, wenn es mal die Rede gibt! Du!! Die sind wohl verrückt, wegen paar Schlüssel so einen Umstand!! Ich hoffe fest, daß sie noch herzukommen eines Tages! Und wenn nicht, na – dann muß ich eben heimlich noch ein Paar machen lassen; denn U's merken sich den Fall ganz bestimmt und verlangen, wenn wir mal ausziehen, das 4. Paar Schlüssel von uns. Hättest Du es auch so gemacht wie ich, in dem Falle, Herzlieb?

So. Nun will ich noch von 'was anderem reden. Heute schrieb die liebe Mutter einen Brief. Sie hat sich so sehr gefreut, wie ich Dich versorgte! Und sie ist nun froh, daß Du soweit gut gefahren bist, sie hat Deine Karte aus Wien erhalten. Die Eltern denken noch mit Freude an die schönen Tage, die wir bei ihnen verlebten – sie haben uns in Gedanken bis zur letzten Stunde verfolgt. Nur in der Oper haben sie uns nicht mehr gesucht! (ich habe Mutter alles ausführlich geschrieben, was wir die letzte Woche taten,) das sei recht so, meint sie; denn ich würde doch alleine auch nicht mehr hinkommen.

Es geht recht bunt zu daheim in Kamenz, einkochen und immer wieder einkochen. Über ½ Ztr. Pflaumen! Bohnen, Falläpfel, Holunder, Elfriede schickte Äpfel und Birnen. Mutter hat großen Drasch. Und nun brennt noch etwas! Siegfried und Hellmuth schmunzeln und denken, Mutter hat Geburtstagskuchen auf den Weg geschickt!! Nun läßt's ihr keine Ruh und sie ist eben dabei, einen Streußelkuchen zu backen. – So hat nun jeder seinen Drasch. Und das ist recht gut, die Zeit vergeht schneller und so Gott will, kommen wir mit jedem Tage dem Frieden näher. – Mutter schreibt noch, daß die Tante Marie am 4. November nach Kamenz kommt. Und am Dienstag den 30. war in Breitenborn Hochzeit. Da muß ich nun auch schnell nachträglich gratulieren.

Der Vater hängt sich an den Brief dran mit einem Seufzer! „70 cbm Gas haben wir vergogelt!!“ [sic] „Na, nun haben wir aber auch 'was!“ –

Vom ‚Häsel‘, Elfriede E.-Sch. – bekam ich heute auch eine Karte. Sie beklagt sich, daß ich so stumm geworden sei, wartet auf Post von mir. Es soll mich nur freuen, wenn sie noch an mich denkt, wenn ich mal Zeit habe, will ich ihr schreiben.

Heute habe ich schon die Schlafstuben und das Wohnzimmer sauber gemacht. Morgen soll ich mittags mal nach Chemnitz fahren zu Tante Hertha; um dort Tante Marthel zu treffen, sie muß ja morgen mit den Kindern und Onkel zur Untersuchung. Die kleinste, Bärbel läßt sie derweile bei M.s. Und holt sie dann wieder ab. Die Mutsch ist ganz aufgeregt über ihr Vorhaben, ich soll nur mal reinfahren und mit Tante Marthel reden, warum das alles und so plötzlich. Ich bin ja selbst neugierig, was Onkel bewog zu diesem Entschluß. –

Du, Herzlieb? Was wirst Du denn jetzt treiben? Es ist 4 Uhr nachmittags, ich habe mir den Kopf gewaschen nach Mutter's Rezept, mein Haar klebt wie toll, es muß an der Seife liegen; der ganze Kamm sieht weiß aus, wenn ich durchfahre und dabei habe ich soo gründlich nachgespült! Na, vielleicht wird's beim nächsten Mal besser, diesmal waren sie am Ende zu schmutzig, sodaß eine Wäsche nicht genügte. Das kann beinahe nicht sein, ich habe 3 mal frisch gewaschen mit sauberen [sic] Wasser. Ich denke, es ist recht viel Ton in der Seife. Während ich schreibe, sitze ich in der Nähe des warmen Ofens, daß ich trockne! Du wirst auch schreiben, gelt? Nur nicht für mich. Das kommt erst nach Dienstschluß!

Ach, vielleicht kommt morgen ein lieber Bote von Dir, Herzlieb! Ich sehne mich so sehr nach einem Wort von Dir! Und ich will doch nun hören, wie alles der Reihe nach verlief! Du!! Ich liebe dich so sehr, Du!!

Herzallerliebster! Noch eine Neuigkeit will ich Dir erzählen. Ich habe mich zu einem D.R.K. Kursus angemeldet. Frau Lehrer Sch. ist Vorsteherin, kennst Du sie? Wohnt in der Lessingstr. (Abzweig von der Hainstr.) meines früheren Klassenlehrers Frau. Das ist ein freiwilliger Lehrgang, der unter ärztl. Aufsicht durchgeführt w[i]rd in der „Krone“, einmal wöchentlich. Ich weiß nicht, ob das Deutsche Rote Kreuz hierfür Beiträge verlangt, darüber muß ich mich erst noch näher befragen. Er dauert vielleicht ¼ Jahr. Und es ist eine vollkommene Ausbildung in der Krankenpflege u. ersten Hilfe bei Unglücksfällen. Ich habe schon immer gespannt, wenn wieder mal so ein Kursus läuft; Dora P. hat den vorangehenden mitgemacht, sie war sehr begeistert davon. Mich interessiert das alles auch. Und man kann solche Ausbildungen jederzeit im Leben verwerten, sei es nun in der eigenen Familie oder irgendwo. So habe ich etwas, was mich für eine Spanne Zeit interessiert und dann ist Weihnachten – dann Neujahr – Frühling und dann Ostern – und dann?

Oh Du!! Ich bin unvernünftig! Wie kann ich schon wieder so viel Sehnsucht haben? Du bist kaum erst bei mir gewesen! Du!! Geliebter!! Ach Du!! Du!!

Weil ich Dich sooooooooooooo liebe!

Der Herrgott sei mit Dir immerdar! Er erhalte Dich mir gesund und froh! Ich liebe Dich! Du!! Ich liebe Dich so herzinnig!

Ich küsse Dich!

In Treue ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946