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[OBF-411007-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 7. Okt[ober]. 1941

Mein liebes, teures Herz! Meine [Hilde], Du!

Herbstlich wird es auch nun hier. Frisch ging die Luft heute morgen. In der Nacht hat es einen leichten Schauer getan. Sonnenstand und Luftwärme, die beide werden gleich die einzigen sein, die hier das Nahen des Winters künden. Die Sonne hat ihren Bogen schon arg verkürzt, an ihren Untergangsort können wir das hier selten schön beobachten. Des Mittags spendet sie noch immer sommerliche Wärme. Die Griechinnen laufen noch immer barfuß. Weißt, wonach ich mich nun sehne, da ich spüre, daß es Herbst wird? Nach dem richtigen Herbst daheim, nach dem Verdämmern des Jahres – ach Herzlieb, Du weißt, wie ich ihn liebe, gerade auch in Deiner Heimat. Mit Dir ihn erleben – Geliebte! – den ganzen Kreis den Jahres an mir wieder vorüberziehen lassen, und Du immer mir zur Seite, kein Abschied, keine Trennung mehr, und wir beide mit unserm Lieben mittendrin im Reigen des Jahres - ach Du! Vieler, vieler Jahre! Gott schenke es uns in Gnaden!

Hast mir gestern davon berichtet, daß Dein Onkel im Osten zu siedeln gedenkt. Und fragst mich nun, wie ich mich stellen würde, wenn mir eines Tages ein ähnlicher Vorschlag unterbreitet würde. Herzlieb! Du darfst gewiß sein, daß ich jede Gelegenheit, die uns schneller zusammenführt, sofort beim Schopfe packen würde. Ich will zu Dir, will mit Dir leben! Schönere und schwierigere Aufgaben warten meiner im Beruf als beim Militär. Und ich weiß es glücklich, daß Du mit mir durch dick und dünn gehst. Und wo ich bei Dir sein kann, wird immer Heimat sein. Freilich macht die Umgebung großen Eindruck auf mich. Leicht kann man mich nicht verpflanzen. Und um der Verbindung mit unsern Lieben und einem ers[t]rangigen Kulturzentrum willen bleibe ich schon viel lieber in der Heimat. Ob hier in Saloniki die deutsche Schule überhaupt noch in Betrieb ist, muß ich mich mal erkundigen. Du sprichst von meinem Lieblingsgedanken. Erstens wäre hier gar keine Gelegenheit, und zweitens reicht der Arm von Partei und Staat selbstverständlich auch bis hierher. Daß eines Tages eine Abberufung in den Beruf zurück kommen könnte, halte ich nicht für ausgeschlossen, aber für wenig wah[r]scheinlich, augenblicklich wenigstens.

Ich bin wieder allein heute abend. Kamerad K. ist ins Kino gegangen: Er forderte mich auf mitzugehen. Ich mag nicht so oft das Kino, mag die Stükke [sic] nicht fressen, mag die Welt meiner Gedanken nicht überfremden mit Eindrücken. Viel lieber bin ich mit Dir allein. Es sollen auch von der Kompanie aus allerhand Sachen aufgezogen werden: Sportverein, Spielschar, Singgruppe, Kapelle. Ich habe meinem Hauptfeldwebel schon bedeutet, daß ich meinen Feierabend behalten möchte. Halbe Sache bleibt das doch alles. Nicht die mindeste Lust verspüre ich, hier mit anzupacken.

Solche Sonderaufgaben werden ja auch später wieder an den Lehrer herantreten. Ganz kann ich mich dann nicht verschließen. Und eine singende Schar Menschen will ich gern führen – und mein Herzlieb braucht dann gar nicht allein zu Hause zu bleiben, das nehme ich mit! Ich mag doch später auch einmal keine Stunde verlieren, die ich um Dich sein kann, Geliebte! Dein Rockzipfel bin ich, werde ich immer sein – muß doch alle die versäumten Stunden und Tage und Jahre nachholen! Ja? Du! Du!!! Geliebtes Wesen! Dein Rockzipfel werde ich sein – und Du? willst mein Kragenknöpfel sein, das brauch ich doch genau so oft wie Du den Rock? – Ach Herzlieb! [Du] Bist doch mein Herzschlag, mein Lebensatem und Sonnenschein! Ich liebe Dich sooo sehr!

Bist mir böse, wenn ich heute hier schon aufhöre?

Will noch meinen Eltern ein paar Seiten schreiben. Morgen werde ich zwei Päckchen abschicken.

Nun behüte Dich Gott! Mein liebes[,] teures Weib!

Will dann bald ins Bettlein kriechen – und an uns[e]re trautesten Stunden denken – mit Deinem Bilde hinüberträumen – mit ihm erwachen – Du, mein Morgen, Mittag und Abend – mein Ein und Alles – mein geliebtes, schönes, herziges Weib! Du! Oh, ich bin sooo reich u. glücklich!

In Liebe und Treue ewig Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946