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[OBF-411010-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 10. Oktober 1941

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

So reich bin ich beschenkt worden heute - ich habe mich ja sooo sehr gefreut und es so ganz besonders glücklich gespürt, wie so lieb Du mich hast! 2 liebe, liebe Boten sind zu mir gekommen vom Erntedanksonntag und dessen Vorabend. Und dazu ein ganzer Karton Schmätze - er steht jetzt neben mir auf dem Tische. Fein schmecken die Kussel, die Kuchenkussel - die richtigen sind aber noch viel, viel süßer, ja? Du!!! - sei tausendlieb bedankt für all Deine lieben Zeichen. Ach Herzlieb! Ich bin Deiner Liebe ganz gewiß! Und doch geht es mir so wie Dir, daß ich es immer wieder hören und lesen möchte, wie so lieb Du mich hast.

Kannst Du Dir denn denken, daß ich Dich eines Tages nicht mehr liebte und Dir absagte? - Oh Geliebte! Herzensschätzelein! Herzenskönigin! - wir sollen Gott nicht versuchen und mit uns[e]rer Stärke nicht prahlen - aber dann müßte ich irre werden an mir selber, das scheint mir so unmöglich! Ganz unmöglich. Oh Herzlieb! Ich muß Dich lieben, so wie Du mich lieben mußt. Und eine Burg ist mir unser Liebesglück, in der ich mich nun schon ganz heimisch fühle, an der wir beide gebaut haben mit unseren besten Kräften, die uns nun deshalb auch so lieb und unverlierbar und unverkäuflich geworden ist wie nur sonst ein ganz kostbarer Schatz. Und gut gegründet haben wir unsere Burg, so glauben wir. Ach Du, ich hätte auch keine andere bauen mögen, keine schlechte und brüchige. Mit dem besten Eifer und den besten Gedanken sind wir beide an diesen Bau gegangen, den man nur einmal errichtet in seinem Leben. Der Grund aber war das wichtigste. Was hilft der herrlichste Bau, wenn er schlecht gegründet ist? Er stürzt eines Tages zusammen. Und Reichtum, Ausstattung, alle Annehmlichkeiten des Lebens - sie sind tote, leere Pracht, die mehr unglücklich als glücklich machen, wenn es am wichtigsten fehlt, an dem festen Baugrund: Gottesfurcht, und Liebe zueinander.

Oh Geliebte! Meine Liebe zu Dir wird gleichermaßen genährt von der Freude aller Sinne wie von der Liebe und dem Gleichklang unsrer Herzen wie von dem Willen, mit Dir zu schaffen, zu bauen, zu streben! Und so, wie sie zu Dir drängt, so ist sie verankert in der Ganzheit meines Wesens. Mit Leib und Seele gehöre ich Dir! Mein Ein und Alles bist Du! Mein Leben!!!!! Und wenn eines Tages die Sinne satt und zufrieden sind, dann sind wir ganz eines doch [und] unlösbar verbunden in unseren Herzen und in unserem Schaffen. Kein Augenblick kann mich von Dir scheiden - mein bist Du! ganz mein!!! Du!!!!! Ich kann auch nicht anders lieben!

Geliebte! Und eines Tages soll sie ganz sichtbar werden, unsere Burg, dann will ich mit Dir einziehen, mit meiner Burgfrau! Oh Herzlieb! Mit keiner anderen als eben nur mit Dir will ich einziehen. Du, mein liebstes, bestes, schönstes Weib! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Und so Gott will, sind wir gar nicht sehr lange allein in unsrer Burg, Du! Du!!!

So hast auch Du am Sonntag schreibend daheim gesessen wie Dein Mannerli in der Fremde. Auch ich habe eine Menge Schulden. Aber ich komme kaum dazu, sie abzutragen. Ich hoffe, daß ich in den nächsten Wochen mehr Zeit gewinne.

Vom Sanitätskursus sprichst Du noch einmal. Der unsere war damals ein gemischter Kursus. Es nahm überhaupt kein Ende und hat sich fast über ein Jahr hingezogen. Er war mit infanteristischem Fußdienst verbunden und genau auf das Ziel ausgerichtet, die Teilnehmer in den Verband zu übernehmen. Ich rate Dir noch einmal, Dich zu vergewissern, welche Verpflichtungen Du mit Deiner Teilnahme übernimmst. Mißtrauen ist am Platze.

Mit Deinen beiden Boten kam auch einer aus Kamenz. Mutter berichtete kurz von den beiden Russen, von Läusen sind sie geplagt, aber anstatt nach Creme oder Puder oder Salbe sehnen sie sich nach - Streuselkuchen. Die Läuse bleiben ja auch doch. Gebe Gott, daß sie beide diesen schrecklichen Feldzug glücklich überstehen, dessen Ende nun doch wenigstens abzusehen ist.

Herzallerliebste! Ich bin heute ganz sehr müde. Ich glaube, das sind die Nachwehen vom gestrigen Ausmarsch. Aber es ist doch eine gesunde Müdigkeit. Ich schlafe überhaupt gut, freilich nicht allzulange. Ich möchte auch einmal wie Du es verschlafen können. Ich habe auch noch nicht geträumt. Na, das kann noch kommen. Aber Dein denke ich immerzu - ganz lieb - wer hat mich auch noch so lieb wie Du? An Deiner Seite ist mein Platz - ich bin überglücklich, daß ich ihn einnehmen darf! Und Du wohnst in meinem Herzen - Dir schlägt es allein in Liebe und Treue, geliebtes Weib, Du meine [Hilde]! Ich liebe Dich! Ich küsse Dich herzinniglich und bleibe ewig

Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946