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[OBF-411018-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 18. Oktober 1941.

Herzensschätzelein! Mein geliebter, guter [Roland]!

Es ist jetzt bald 5 Uhr nachmittags, gleich will ich mich erst mal zu Dir setzen und ein wenig mit Dir plaudern. Wir haben noch nicht gebadet und jetzt bäckt gerade ein Kartoffelnapfkuchen im Ofen, da muß ich mit dem Badewasser noch ein Stündchen warten. Ja Herzlieb! Die Geschichte ist so, die ich Dir jetzt erzählen will: Die M.er haben sich wieder mal ’was geleistet! Bestellen sie Tante Herta als Helferin zur Kirmes – und nun stellt es sich heraus, daß sie erst über 8 Tage ist!! Wie sowas passieren kann, na das ist mir auch ein Rätsel! Was nun? Kuchen hatten sie noch nicht gebacken!! Aber sonst waren die Vorbereitungen schon getroffen worden. Das muß nun alles zurückgehalten werden. Ich habe das erst gestern erfahren, früh. Nun stand eines für mich fest: die Kinder behalte ich auf gar keinen Fall bis nächsten Sonntag! Dazu sind sie mir viel zu unerzogen, ich kann das keine Woche ausstehen, da bin ich am Ende fertig mit meiner Nervenkraft. So habe ich die beiden Rangen gestern nachmittag b[ei] der Hand genommen, bin mit ihnen runter gelaufen zur Mutti, und habe mal gefragt, wie sie sich das nun denkt.

Also, heimfahren tut sie nicht wieder bis es wieder Kirmes ist! Weil ihre Schwiegermutter den Onkel Herbert versorgt. ‚Na – die Kinder, da müssen sie eben unten bei uns bleiben,“ meinte Oma. „Aber von Freitag ab mußt Du sie nochmal nehm[e]n“! Ich habe ihnen ganz ruhig erklärt, daß ich bis gestern noch kein Stück Wäsche gelegt habe und dabei ist es nun eine ganze Woche her, daß wir gewaschen haben – mit den Jungen kann ich mir nichts vornehmen. Und am Montag will nun der Ofensetzer kommen – d.h. wenn er wirklich kommt, er hat uns schon zweimal verschoben! – und ich muß die Wäsche vordem noch auf den Rand haben; dann gibt's wieder 'ne Menge Schmutz hinauszuschaffen. Und dann bekomme ich Besuch, meine lieben Kamenzer Eltern.

Ich habe ihnen das so bestimmt gesagt, daß sie die Kinder ohne weiteres unten behielten. Ich lief gestern gegen Abend wieder allein zurück! Allein, Du! War das schön! Wenn Kinder immer solche Plage sind, dann wünsche ich mir keine! Da wird man doch ganz kaputt! Menschenskind! Wo ist hier die Erziehung! Wenn das nun alle Eltern so halten wollten! Man ist ja dann direkt Sklave seiner Kinder!

O nein! Und wenn viere da sind, trotzdem fährt die Post weiter! Gelt? Du!!

Du und ich, wir wollen das schon recht machen! Wir werden unsre Freude haben an unseren Kindern, das weiß ich. Herzlieb! Gestern abend habe ich so lieb an Dich denken müssen, Du!! Sooo lieb! Noch als ich im Bettlein lag schon längst, von Dir geträumt habe ich, Du ganz lieb!!! Aber ich kann es nicht aufschreiben, Du! Ach, dann wird meine Sehnsucht nur noch tiefer! Und ich will doch ganz froh un[d] lieb Dein denken, nicht schmerzlich, Du!! Ich will den schönen Traum mit zu all den anderen süßen, köstlichen Erinnerungen legen, will es wieder ganz fest zuschließen dann, mein Herzkämmerlein! Und erst wenn Du wieder ganz zu mir kommen kannst, will ich es öffnen! Dir allein öffnen, Geliebter mein! Denke nur, heute, mit Deinem lieben Brief, für den ich Dir innigst danke, Du – [ka]m eine Nachricht von Tante Gretchen aus Breitenborn. Sie will morgen ihre Heimreise antreten und bei uns einkehren! Um 1435 [Uhr] trifft sie ein und will noch den Nachtzug erreichen nach Dresden! Das kommt natürlich garnicht in Frage, daß ich sie bei Nacht weglasse! Sie mag nur übernachten bei uns und am Montag mit dem Anschlußzug um 1333 [Uhr] fahren, da kommt sie noch vor'm Dunkelwerden heim. Wie gut, daß ich die Kinder los bin, nun haben wir wenigstens [e]twas voneinander. Und Platz zum Schlafen ist auch da. Freilich geht nun unser Programm wieder schief! Aber, wir freuen uns trotzdem, daß es Tante Gretel wahr macht und uns mit aufsucht; denn es wird so bald nicht wieder geschehen, daß sie nach hier kommt. Und außerdem ist sie ja auch nicht mehr die Jüngste. Fast 3 Wochen war sie in Breitenborn! Denke nur, was sie mir mitteilt! Onkel u. Tante hätten sich 10 Tage Urlaub genommen, um sich mal zu erholen, sie wollen davon den größten Teil in Kamenz verbringen!

Und die liebe Mutter schreibt: für's Wochenende haben sich die Breitenborner angemeldet, sie wollen sich einmal ausschlafen!! Und am Dienstag will ich, muß ich waschen, schreibt Mutter weiter, weil wir dann nach Oberfrohna wollen und dann kommt Tante Marie. Wie wird Mutter horchen, wenn ihre Wochenendgäste viel länger aufzunehmen gedenken. Ei ei! Wenn man sich schon mal Pl[än]e macht, dann geht's gewiß schief, nicht? Und von Mutter erfahre ich auch, daß unser lieber Hellmuth nun endlich im Lazarett ist. Er hat sich doch eine Knochenhautentzündung zugezogen, wie Du schon wissen wirst, im Generalgouvernement, Ostrow –

Maz. Reserve Kriegslazarett, Abt. IIC liegt er. Was dieses „Maz.“ bedeutet, ist mir ein Rätsel. Gott sei Dank, nun liegt der Arme wenigst[en]s mal in einem Bett, nun kann es auch mit der Heilung besser vonstatten gehn. Wie froh wird die Elfriede sein!

Vom Siegfried haben die Eltern auch Post, es ginge ihm noch gut, am 30.9. ist der Brief geschrieben. Jetzt bin ich mir doch wahrlich im Zweifel, was ich Dir gestern mit in den Brief gesteckt habe, nein vorgestern! War es nicht außer dem Kamenzer Bild noch eine Postkarte? Oder vom Siegfried ein Feldpostbrief? Na, Du wirst Dir schon ’was [d]araus nehmen können, ja? Ich glaube, es war die Karte, wo Mutter von Hellmuths Krankheit schrieb? –

Die G.er Trudi hat auch schon von sich hören lassen. Sie ist nun in einer ganz anderen Umgebung, meint sie; es gefällt ihr soweit gut; allerdings würden wohl 14 Tage vergehen, bis sie sich richtig eingelebt hat! Viele Grüße an Dich!

Du! Vom alten Herrn G., (Ilse Sch.) soll ich Dich herzlich grüßen, er schenkte mir das Bild mit dem Ausschnitt von Kamenz. Ich sagte ihm, daß ich es gleich Dir schicken wollte – und das machte ihn froh. Er wollte uns erfreuen mit seiner Entdeckung.

Mein Lieb! Du! Nun bin ich aus der Wanne gestiegen, fein neuwaschen setze ich mich nun zu Dir!! Magst mir nicht darum gleich ein lieb's Kussel geben, Du? Es ist ¾ 8 [Uhr] abends eben hörten wir eine Sondermeldung: die Kämpfe um Wjasma und Bryansk sind siegreich abgeschlossen! Phantastis[ch]e Beute- und Gefangenenzahlen! Wenn man die Zahlen allein bisher verfolgt hat, bekommt man schon eine Ahnung von den endlosen Reserven an Menschen und Material, die den Russen zur Verfügung stehen.

Gebe Gott, daß bald ein Ende wird. Unsre Soldaten müssen Ungeheures leisten. Und Siegfried muß noch immer mit weiter vor. Wenn ihm nur nichts zustößt! –

Ach Du! Nun muß ich Dir doch erst nochmal von ganzem Herzen danken für all die Zeichen Deines liebenden Gedenkens, Du! Ich muß mich nun, da die Kinder fort sind, erst einmal ganz tief hineinversenken in Deine lieben Boten. Du hast mich ja so besonders lieb teilhaben lassen an dem Sonntagsspaziergang! Das war schon ein Marsch!! Nach Deiner geographischen Beschreibung! Du! Großartig hast' mir das gezeichnet! Ich bin ganz stolz auf [m]ein Mannerli. Wie ein weites Herz liegt die Bucht von Saloniki da, ach – es muß schon eine Freude sein, hoch über allem zu stehen und hinab zu schaun auf dies selten schöne Bild. Ach Du!

Gottes Erde ist doch überall schön, Liebster und man fühlt sich ihr doch überall verbunden, auch in der Fremde. Ich freue mich so mit Dir, wie froh Dich dieser Tag [g]estimmt hat. Wie er Euch beiden reich an schönem Erleben war. – Und ein so ganz seltenes Ding schickst Du mir mit. Wie wunderbar das Spiel der Natur – und wie es der Mensch ausnützt und in die wunderlichsten Formen zwingt nach soundsoviel [sic] Vorgängen! Baumwolle – es ist rein märchenhaft wenn man die verschiedenen Stufen überdenkt, die solch Wollebausch mitnimmt, ehe er dem Menschen als nutzbringender Gegenstand dient.

Das ist eine kleine Trophäe, die noch viele außer uns beiden kennenlernen so[ll]en und bestaunen sollen! Ich will sie ganz gut bewahren. Vielleicht kannst Du sie Deinen Schulbuben zeigen, wenn Du wieder daheim bist? Wirst doch hoffentlich nicht mehr gar/so [sic] lange ausbleiben, daß ich nicht die Motten in den Wollbausch kriege!!! Ach Du! Du kommst so bald Du nur kannst, sobald sie Dich nur ein wenig loslassen! Das weiß ich doch genau! Herzallerlieb[ste]r! Und dann erzählst mir noch etwas von Eurer Wanderung, wo mir noch jetzt das Wasser im Munde zusammenläuft, wenn ich nur dran denke! Weinbeerenernte in freiem Felde! O, Ihr Beneidenswerten! Da wundere ich mich nicht, wovon Dein Bäuchel immer dicker wird!! Wenn Du Dich auf fremden Feldern satt …..! Na, nur immerzu, Herzlieb! So wohl wird Dirs in Deutschland nie wieder, selbst im Frieden nicht! Da muß man froh sein, wenn man paar Trauben bekommt. Welche Güte, das ist Nebensache. Ich hätte schon mal mit Euch den Schmarotzer gespielt! O ja! Am Sonnabend warst Du mit Kam. K. einmal an einem ganz anderen Ort! Ich kenne den Betrieb in einer Bar nicht, bin noch nie dagewesen, weiß es nur, wie es da zugeht vom Hörensagen, vom Lesen. Frauensleute sind da auch nicht willkommen, die werden scheel angesehn von den ‚Damen‘, die in der Bar herrschen! Nur Männer sind gerne gesehn! Und viele fühlen sich bei dem Treiben auch wohl. Ach, weshalb hierüber viel Worte machen. Ich sehe ja, wie auch Du dem Treiben zugesehen hast – mit welchen Empfindungen! Solch Milieu ist nichts für Menschen unsrer Art! Der [sic] sind wir viel zu hökern und zu steif nicht nur in unserem Gebaren, auch der Charakter kann da nicht mit. Man muß ein ganz anspruchsloser Mensch sein, wenn man da Befriedigung haben will. Es gibt viele, viele die in diesem Sumpf stecken bleiben – sie tun mir nur leid. So suchen sie ihre Freiheit.

Und Du? Und ich? Ach Geliebter! Welches Wörtchen umschließt unsere Freiheit so ganz? Du! Du! Darin liegt alles – alles. Wenn Du frei bist, dann magst Du am liebsten zu mir flüchten. Und wenn ich nur kann, dann wil[l] ich nur bei Dir sein mit meinen ganzen Gedanken, mit meinem Sein!

Gute, echte, treue Liebe birgt in sich so viel Freiheit, das haben wir beide gespürt! Uns drücken die Fessel nicht, die wir uns freiwillig, selbst auferlegt. Das ist unsere Freiheit: daß wir unseren Blick unverwandt aufeinander richten, auf unser Glück, unser Leben! Und daß wir jetzt immer an der Brücke bauen, die zueinander führt.

Ach Geliebter, Du!! [I]ch muß Dich doch erst einmal ganz lieb und fest umschlingen, Dich ganz fest an mich drücken! Ach Du!!! Du!!!!! Und am liebsten doch gar nimmer loslassen, Du!!! Du!!! Mein geliebtes Mannerli! Mein ganzes Erdenglück! Mein Ein und Alles Du! Geliebter! Mein Herzensschätzelein! Du!! Du geliebte Seele! Ich liebe Dich! Und ich bin überglücklich, daß Du mir so ganz in Liebe gehören willst! Du!!! Ich weiß es ganz gewiß: Menschenhand kann uns nie voneinanderreißen! Du bist mein – ich bin Dein, für alle Zeit! Geliebter Geliebter!!! Ich bin Dein! Andre Worte weiß ich nicht, um Dir zu sagen, wie so lieb ich Dich habe! Wie reich Du mich beglückst mit Deiner treuen Liebe! Oh Herzelein! Du!! Die lieben Worte die Du mir sagst, zu meiner Sorge um unser Kindlein, sie berühren mich so tief, ich sehe, ich fühle Deine endlose Liebe zu mir. Du liebtest mich noch, wenn auc[h] und die Gnade, ein Kindlein zu haben, versagt bliebe. Du bist so gut, so edel! Geliebter!

Für Deine Treue und Liebe danke ich Dir mein ganzes Leben lang. Und Jubel und Glück ziehen auf's Neue in mein Herz ein: Du liebst mich so wie immer, auch wenn wir unsre Liebe nicht krönten! Unsre Liebe ist so groß – sie braucht keine Garantien, Du sagst es selbst, Du! Geliebter! Ich bin auch so g[a]nz Dein, ganz Dein! Ach Du!!!!! Wie ich Dir danke für Deine Worte, Du! Ich bin Dein für dieses Leben, auch wenn ich Dir nie ein Kindlein schenken sollte. Du sagst es mir, Du!!! Herzlieb!

Gott im Himmel haben wir unsre Liebe befohlen. Von ihm wissen wir uns gehalten und getragen – aus seiner Hand empfangen wir demütig unser Schicksal – und wir können nicht anders als ihm ganz vertrauen, glauben, daß er uns [z]usammenführte und füreinander bestimmte, daß er seinen Plan hat mit uns. Daß es bei ihm beschlossen ist, ob unser Bund mit Kindern gesegnet ist einmal.

Geliebter! Ich verstehe Dich doch so ganz, wenn Du sagst: wir müssen den Gedanken als ungläubig von uns weisen, daß wir das Schicksal überlisten und aufhalten könnten, wenn wir uns jetzt ein Kindlein wünschten. Ich weiß, mein Lieblingswunsch ist auch der Deine geworden. Im Kindlein wollen wir unsre Liebe krönen. Im Kindlein soll sie sichtbar werden, uns[e]re große einmalige Liebe!!! Du! Und ich will mich froh und glücklich fühlen schon, als Mutter, ich will mich froh des erinnern, was Du mir schon gewährtest in Deinem Herzen, das ich mir so sehnlich herbeiwünschte. Du! Es ist nichts als Liebe und Verstehen in uns, zwischen uns, auch hierin, mein Geliebter! Oh, ich bin so glücklich darum! Und nun bin ich mit Dir ganz sti[ll] und dankbar zu Gott!

Du hältst mich so fest, Geliebter! Dankbar aus tiefstem Herzen – über alle Maßen liebst Du mich! Du – oh Du!!!!! !!!!! !!! Herzensschatz! Laß' mich nun schließen heute. Gott sei Lob und Dank für alle Güte und Gnade, die wir erfuhren. O laß ihn uns bitten, daß er uns demütig halte im Glücke und unseren Bund segne.

Gott behüte Dich mir!

O Herzensschätzelein! Mein [Roland]! All meine Liebe, sie bleibt Dir – immerdar! Ich hänge an Dir mit allen Fasern meines Herzens. Ich liebe Dich sooooooooooooo sehr!

Du bist ganz mein! Deine [Hilde], Dein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946