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[OBF-411025-002-02]
Briefkorpus

Sonnabend, am 25. 10. 41.

Herzensschätzelein! Geliebtes, gutes Mannerli!

Eben bin ich zur Tür herein, aber nun für ganz, heute! Seit dem Morgen besorge ich nun Wege, es nahm kein [E]nde. Vom Fleischer zum Bäcker, zum Bauer!, zum Elektriker, zum Wäschefabrikant, der mir Schlüpfer näht für Tante's Jungen, dann lief ich mir fast die Beine ab nach Wolle. Ich hatte doch von Deiner Mutter die 2 Gebinde weiße Wolle bekommen, weißt? Und die reicht nicht aus zu meinem Pullover. Endlich fand ich etwas einigermaßen [p]assendes. Dann zum Buchhändler, zum Optiker einen Film bekam ich für Dich! Zum Holzbudenmann, zum Milchmann. Und jetzt war ich noch mit Mutter in der Stadt nach einem Wollkleid für sie, vergebens. Auf die alte Punktkarte kauften wir uns jedes Stoff, Barchent für ein Nachthemd. Die neue Punktkarte ist auch schon da. Nun ist Mutsch anschließend noch nach Mittelfrohna, die Jungen abholen, sie haben uns nochmal drum gebeten, sie zu behalten. Ich bin neugierig, wa[n]n sie eintreffen. Kann alle Minuten sein, Mutter ist mit dem Bus ¼ 6 [Uhr] runter; jetzt geht es auf sieben.

Und ich will die ruhige Zeit nützen, Dein zu denken. Es ist ganz scheußliches Wetter draußen heute, es regnet mit Schnee vermischt, und da sitzt man am allerliebsten im warmen Stübel. Bei uns ist es so fein warm, seit der Ofen umges[et]zt wurde. Und er läßt sich auch sparsamer heizen. Wir hängten heute noch die Doppelfenster im Schlafzimmer ein; denn das konnten wir erst heute reinemachen, als Vater aufstand. Der arme hat auch heute Nachtdienst. Es wird nun wieder ein schlechtes halbes Jahr für ihn. Und ich merke es schon an seiner Laune, daß es ihm nicht behagt. Na, da hilft nun alles nichts, er muß sich durch den Winter beißen. Wir tun unser bestes, um ihn alles so wenig wie möglich spüren zu lassen. Wir versorgen ihn gut. Er hat immer das Reißen so bei der Witterung.

Mit Mutter bin ich so ganz noch nicht zufrieden, sie sieht sehr schlecht aus um die Augen, weißt, so dunkle Ringe. Wenn sie kommende, oder übernächste Woche wieder zum Arzt fährt, will ich mal mitgehen und mit ihm reden. Ich möchte doch wissen, was eigentlich mit ihr ist. –

Herzlieb! Heute bist Du wieder zu mir gekommen, Du!! Ich habe mich so sehr gefreut! Und möchte Dir von ganzem Herzen danken! Du!! Hast mich ja sooo lieb! Mein Herzelein! Ach, Du!!! Ganz fest drücke ich ihn an's Herz, den lieben Boten von Dir! Von Dir wurde er abgesandt! Deine Liebe, Deine Verehrung, all Deine Glückseligkeit mir zu künden! Deine g[el]iebte Hand füllte die Bogen, mir zur höchsten Freude und Seligkeit! Oh Du! Geliebtes Leben! Was bedeuten sie mir doch, Deine geliebten Boten!! Ganz heimlich muß ich sie sogar auch küssen, Du!! Wenn es einmal so ganz warm und hell hervorstrahlt, was Dein Herze bewegt! Du!! Ich habe doch niemanden, den [sic] ich meinen Überschwang am Glück und Seligkeit zeigen mag. [Du]!! Nur Dir, Dir ganz allein mag ich mich so zeigen, wie mir ums Herze ist, seit die Liebe darinnen glüht, Du!! Du!!!

Und Du bist mir so ferne jetzt – doch die Zeichen von Dir, sie sind doch auch ein Stück von Dir, bringen mir einen Hauch von Dir mit – nein, viel mehr! Sie bringen mir Dein ganzes Wesen so greifbar nahe, daß ich oft meine, Du redest mit mir, Geliebter! Und darum bin ich oft so bewegt, so froh [un]d glücklich, daß ich ihn an meine Lippen pressen muß, den Boten, den Deine Hand schrieb, ach, all Deine große Liebe spüre ich darinnen, Du!!! Du!!! Geliebter! Wenn er einmal ganz ausbliebe, dein Bote, oh Du! Ich wüßte nicht, wie ich ohne ihn sein könnte! Ich müßte verzweifeln, Du!! Herzlieb! Auch bei Dir kommt jetzt [d]ie Post unregelmäßig an, so wie hier auch. Woran das liegen mag?

Ja, wenn sie mir überhaupt noch kommen, die Briefe; daß sie nicht etwa verloren gehen, wir wollen geduldig warten. Du! Wir lernen es ja immer besser, das Geduldigsein! Heute bekam ich einen Boten vom Sonnabend den 18. und einen von Montag, den Dienstag! den 21. Oktober. Dein geplanter Sonntagsausflug, von dem Du mir im Sonnabenbriefe schreibst, hat sich doch nicht etwa bis zum Montagabend hingezogen?! Nein, das ist wohl unmöglich! Ich wäre Dir garnicht böse drum! Immer nützt die paar schönen Tage noch aus, der Winter wird Dir lang genug werden Herzlieb! Hoffentlich hast Du in Eurer Bibliothek noch einige gute Bücher. Zeitvertreib machst Dir schon allein, gelt? Über's Briefeschreiben geht Dir doch nichts. Ach, wir sind doch paar so rechte Sc[hr]eiberseelen, wir brauchen gar keine Nebenbeschäftigung im Leben! Du!!! Nur paar Blöcke schönes Briefpapier und paar Liter Tinte, dann schließen wir die Tür vor anderen zu. Bums! In dem Sonnabendboten berührst Du auch die geschäftlichen Sachen nochmal. Du!! Zerbrich Dir mal nicht den Kopf über Oma's [sic] Gardinen, das ist zweiten Ranges. Wenn die eben kaputt sind, muß sie sich eine Person vom Bezugscheinamt [a]nsehen, dann kriegt sie neue. So ist es doch überall. Du kannst nicht noch für die Verwandtschaft einholen – das führt zu weit. Und da werde ich energisch! Jetzt denkst Du zuallererst mal an Dich! Wenn Du wieder 'was flüssig hast. Du weißt doch noch gut, was ich Dir alles aufzählte, ja? Und wenn Du zum nächsten Male wiederkommst und hast alles für mich vertan, dann hau' ich Dir den Popo aus! Hörst Du?!!! Ich habe es heute wieder gesehen, als ich durch die Geschäfte ging. Alles leer. Keine Stoffe, nur Ersatz. Keine Wolle, nicht einmal Wollersatz! Keine Wäsche oder Stoff, man kann von Glück reden, wenn man noch etwas erwischt. Und mir wird Angst, wenn Du mal schnell zurück in Deinen Beruf kommst, wieder Zivilsachen trägst und ich kann Dir nichts nachschaffen. Du bist in allen Sachen ziemlich nahe am Ende. Strümpfe, Unterwäsche, Schu[h]e, auch Oberkleidung! Und es ist kein schönes Gefühl, wenn man gern vorsorgen möchte und es ist doch vergebene Mühe! Herzlieb! Noch einmal: denke an Dich!!! Ich mein es doch soo gut! Sieh, was nützt uns im Reiche Geld und Punktkarte, wenn es keine Ware gibt. Und ich weiß genau, daß man uns auch nach dem Kriege in allem knapp halten wird. Gewiß, es geht dann allen andern auch so – aber, warum sollst Du die Gelegenheit, etwas Gutes, Solides zu kaufen nicht wahrnehmen?

Herzlieb! Versteh mich recht, Du sollst Dir nicht die Beine abrennen und nach dem, [sic] Allerbesten jagen, ja keine Gelegenheit auslassen – so soll es nicht sein! Aber was in Deinen Kräften steht, das tue. Du wirst es mir später einmal wiedersagen, wie wertvoll und wie [sic] Vorteil es für unser Fortkommen ist, wenn wir am Anfang unsres gemeinsamen Lebens und Hauswesens keine großen persönlichen Auslagen haben. Das wirft uns nämlich in den ersten Jahren kolossal zurück. Wir haben noch viele Wünsche offen, die zur Gestaltung unsres Heimes gehören! Du wirst sagen: das kann auch nach und nach geschafft werden. Zugegeben. Aber ich sage, wenn wir schon soo lange darauf warten müssen dieses, unser Heim zu gründen, dann soll auch die Wartezeit recht genützt werden; indem wir mit Überlegung handeln und schon vorrüsten!

Daß uns während unsrer Trennung soviel Ersparnisse zusammenkommen, und sofort, wenn Du heimkommst alles nach unserm Wunsche geht. Es hängt nun einmal auch diese Erfüllung mit am Finanziellen. Ich bin so eingestellt: die Zeit, die für uns beide jetzt tatenlos verstreicht, die uns wertlos scheint [i]n gewissem Sinne, die wollen wir auch hierin zu einer wertvollen Zeit wandeln, nicht nur innerlich wollen wir bauen und rüsten für unsern Lebensbund, auch äußerlich; denn die äußere Harmonie und Traulichkeit fördert die Harmonie der Herzen, ohne Frage. Das spürte ich schon in vielen Ehen! Und Du!? Schätzelein, liebes? Gibst Du Deinem Hausmütterchen recht? Ja? Ach, das sind alles nur Kleinigkeiten in einer Ehe, wenn man auf das große und ganze schaut, nämlich: das restlose Verstehen, das rückhaltlose Vertrauen und die beglückende Liebe, die zwei Menschen durch das gemeinsame Leben tragen. Aber wo in einer Ehe der Sinn fehlt, auch diese Nebensächlichkeiten ernst und doch wichtig zu nehmen, da können sie bald zu Ecksteinen werden; zum Anstoß kleiner Mißstimmigkeiten, aus denen später auch große werden können. Ohne Zweifel, in der Hauptsache muß ein Eheleben innerlich gefestigt sein das kann vieles andre überbrücken.

Ich als Frau fühle mich verantwortlich daß alles im Hauswesen reibungslos abläuft. Da bin ich vielleicht schon von zuhause her zu praktisch erzogen.

Sieh, Herzlieb! Was nützt es, wenn ich Dich in meine Arme schließe und Dich meiner unendlichen Liebe versichere, wenn aber alles umher verhungert und ohne Geschick und ohne Plan verläuft. Kleidungssorgen und Nahrungssorgen eben die Wirtschaft, das ist Angelegenheit der Frau, sie ist verantwortlich für dies alles und darf diese Pflichten über aller Liebe nicht versäumen.

Sie erweist dem Gefährten auch Liebe, wenn sie ihm diese Sorge abnimmt.

Herzlieb! Ich gehe mit so guten und ernsten Vorsätzen an unser Lebenswerk, ich möchte sooo furchtbar gern, da[ß] ich Dich nicht enttäusche! Ich möchte mit Dir etwas ganz Eigenes darstellen. Und alle Kräfte, die mir zur Verfügung stehen, die will ich dazu anspannen. Du bist ein Spätling in der Ehe, besser unter den Ehemännern. Bei Dir wuchsen Sehnsucht nach Geborgenheit und Heimverlangen erst mit den Jahren der Reife. Und Du hast nur zu of[t] erlebt, wie die große Masse von der Ehe spricht, wie sie urteilt über den Bund, den höchsten, den Menschen vor Gott eingehen können.

Alles ist so widerlich, so häßlich, wie durch freche Bubenhand durch den Schmutz gezogen. Unter vielen Männern wird die Ehe herabgewürdigt zu einer bequemen, guten Versorgung und anders, schlimmer noch. Und wenn man so als Zuhörer Zweifel in die Ehe setzte, so muß man doch [e]rkennen, daß sie bei den Menschen liegen. Du behieltest wie ich den Glauben an das Gute, merktest doch aber auch, daß es selten ist. Und so gewann man eigentlich nach und nach die rechte Vorstellung davon, daß der Schritt zum gemeinsamen Leben einer der wichtigsten ist in diesem Leben.

Und wenn wir nun heute so glücklich sind, Geliebter! So wissen wir, daß wir aneinander den Menschen gefunden haben, der zum Glücke führt, diesen seltenen Menschen! Oh Du!! Oh Du!! Mein [Roland]! Mein Herzensschatz! Mein unersetzlicher Lebensgefährte! Ich muß Dich ewig liebhaben!

Alles in mir drängt, Dich zu beglücken, ganz aufgeschlossen bin ich Dir, so wie Du auch mir, Geliebter mein! Ich bin sooo glücklich mit Dir!!! Ich liebe, liebe Dich!

Ich fühle es, Du bist mir alles, Geliebter! Alles! Du!! Mein Leben! Ich bin so froh heute abend, Du!!! Weil ich Dich bei mir fühle mit all Deiner großen, tiefen Liebe! Oh Du! Wie wohl sie tut! Wie traut und geborgen fühle ich mich in ihr!

Ich bin wohl das glücklichste Weib auf Gottes Erde, weil Du mein b[is]t! Geliebter! Behalte mich immer lieb! Ich kann nicht sein ohne Dich! Du!!!!! !!!!! Gott schütze Dich, mein Leben!

Gute Nacht Schätzelein liebes, die Buben schlafen schon! Oh! Ich liebe Dich!!!!! Die Mutsch grüßt herzlichst!

Immer Deine Holde.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946