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[OBF-411027-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 27. Oktober 1941.

Geliebtes Schätzelein! Mein herzallerliebster [Roland]! Du!!

Du!! Jetzt muß ich doch gleich erst mal zu Dir kommen mit meiner Freude! Du!! Ich bin wieder allein! Die Bengel sind nach Hause! Es kam nicht ganz so wie ich Dir's gestern schrieb. Heute früh rief es an, ich möchte die Buben bis um 4 [Uhr] nachmittags fertig machen; denn um 5 [Uhr] wollten Onkel und Tante kommen, sie holen, um mit dem Bus heimzufahren.

Du! Jetzt ist es gleich ½ 6 [Uhr], die Mutter kann alle Augenblicke kommen, sie arbeiten jetzt bis ½ 6 [Uhr] und nachher erscheint Vater. Da will ich gleich den Abendbrottisch decken, damit mir noch paar Abendstunden bleiben für Dich! Herzlieb mein! Ach Du!! Es ist Ruhe im Turmgemach! Himmlische Ruhe! Ich möchte Dir vor Freude gleich um den Hals fallen, Du!!! Ich möcht' Dir ein ganz liebes Küssel geben! Vor Freude!! Ich bin wieder mit Dir allein! Du!!! Herzensschätzelein! Mein [Roland]!

Du!! So winterlich ist es schon bei uns! Heute hat es den ganzen Tag geschneit. Ich konnte garnicht hinaus mit den Kindern. Am Morgen, als ich aufstand konnte ich fast nicht reden, ganz heiser war ich. Und mich schmerzt mein Hals. Bin vorhin gleich mal zur Apotheke gelaufen und habe mir ein Mittel dagegen geholt. Es wird schon wieder! Ich ziehe mich warm an und abends nehme ich meine alte gute Wärmflasche mit zu Bett! Du!! Lieber, tausendmal lieber wäre mir ja die große Wärmflasche, weißt? Du kennst sie ja! Aber die hat momentan Auslandsdienste zu verrichten. Ach ja, man könnte doch gleich traurig werden – was man am allerliebsten hat auf Erden, das ist nicht da. Und nimmermehr finde ich einen Ersatz! Du!!!

Na, wenn's gut geht dann besuchst mich am nächsten Mal, wenn es noch kalt draußen ist! Dann will ich doch gleich mal probieren, ob meine liebste Wärmflasche noch etwas taugt! Und wenn nicht? Hm – dann werde ich sie wohl so lange dabehalten müssen, bis sie das Wärmen wieder gelernt hat! Mag es bis zum nächsten Winter währen – ist egal, nicht eher darf sie fort, bis es klappt!

Du! Kannst Dich nun immer drauf einrichten, mein lieb's warmes Dickerle! Magst Du funktionieren, oder nicht? Wie kannst du besser? Du!! Du!! Ich muß Dich doch so ganz sehr liebhaben!!! Du!!! Herzlieb! Da habe ich vorhin eben in der Zeitung gelesen, daß die Bachgesellschaft ihr erstes Winterkonzert gibt, zwar am 8. November im "Schweizerhaus". Ich habe große Lust, dahin zu gehen, die Mutsch nehme ich mit und wenn Vater keinen Dienst hat, geht er sicher auch mal mit. Morgen will ich mal schau'n, ob ich noch Karten bekomme.

Ach! Ich armes, geplagtes Weiberl! Da habe ich nun das Abendbrot beendet, abgeräumt und will mich vor mein Papier setzen, da klingelt es! Die Ilse Sch. steht unten. Und ich kann ihr doch nicht mal böse sein, so unwillkommen sie mir war. Denke nur! Die gute Seele hat mir ein paar Filzschuhe gebracht ohne Bezugschein! Sie waren für ihre Gnädige bestimmt, der sind sie zu klein. Und weil Ilse selbst schon neue hat, dachte sie an mich. Ist doch fein! 5.50 M sollen sie kosten, ich gab ihr 6.- M und das wollte sie nicht mal nehmen. Na, ich tue ihr mal einen andern Gefallen. Sie sind schön, mit Absatz. Da brauche ich wenigstens das Bezugscheinamt nicht zu betteln. Ich hebe sie mir für gut noch auf. Nun, da Ilse wieder fort ging, ist es doch 0 Uhr vorbei, die Eltern wollen mich mit ins Bett lotsen, weil ich müde aussähe – aber ich fühle mich garnicht müde bei Dir, Herzelein! Du!!!

Ach Du!! Bist sooo lieb zu mir gekommen gestern, berichtest mir so ausführlich von Deinem Ausmarsch, daß es mir eine große Freude ist, Dich von der Heimat aus verfolgen zu können, noch nachträglich! Nun habt Ihr Ruhe, da Ihr ihn bestiegen habt, den fälschlichen Kisses! Ulkig ist das! Ganz tüchtig seid Ihr marschiert, wer weiß, ob ich das geschafft hätte? Ich denke da an unsre Besteigung des Donnersberges in Böhmen, weißt Du noch, Herzlieb? Puh!! Haben wir doch da geschwitzt! Und dann extraprima Nudelsuppe von Blechlöffeln aus Regenwasser bereitet gegessen! Und das hat trotzdem gut geschmeckt! Weil wir eben beisammen waren!! Ach, ich weiß es noch genau! Wie lange brauchten wir denn damals bis zum Gipfel? Ach, der reichte ja nicht an den griechischen 1208 m – Berg heran! Aber mir ist es doch noch gut in Erinnerung, ob seiner Höhe. Es war meine erste „Hochtour"! Du!!!

Wo Du mich in unserm Leben wirst noch überall hinschleppen, da bin ich schon heute gespannt! Du liebes, unruhiges Kare........! na? Sohnemann, wie würde Dein gestrenger Herr Papa sagen? Kennst Du sein Lieblingswort? Aber freuen tut's mich, daß Du der schönen Gotteswelt so ganz aufgeschlossen bist! Es gibt ja nichts Schöneres, als seine Freistunden so zu nützen, wenn es die Witterung erlaubt! Ich will Dir da einmal nicht hinderlich sein. Du!! Ach, wir werden niemals über Langeweile zu klagen haben. Eher darüber, daß die Zeit nicht zulangt! Ja? Du!!! Es freut mich ganz sehr, wenn Du mich so ausführlich an Deinen Erlebnissen teilhaben läßt! Du!!

Die Gegend, wo Du nun weilst, die wird mir auf diese Weise richtig ein wenig vertraut. Und seit Du mir bildlich darstellst, damals als Ihr auf der kürzeren Wanderung wart, wie Euer Fleckchen Erde sich an die Bucht schmiegt, und wie auch in der weiteren Umgebung alles hingebreitet liegt, Du! Da stelle ich mir's doch garnicht so schwer vor, Dich zu finden!, wenn's auch fremdes Land ist – könnte ja sein, daß ich mal ganz unverhofft zu Dir käme?!

Du hast ja schon erfahren, wie wenig ausgeprägt mein Or[ien]tierungssinn ist! Du wirst mir im Laufe der Zeit schon noch auf die Sprünge helfen, gelt? Herzlieb!!

Geliebtes Herzelein! Mein [Roland]! Und nun ist auch der Bote zu mir gekommen, den ich erwartete, sehnlich. Ach Du! Du nimmst so liebevoll alle Sorge von mir! Ich hatte mir doch soviel Gedanken gemacht um Siegfried. Du!! Ich konnte es ja auch nicht glauben, daß Du es so gemeint hattest, wie ich es nun auslegte in meiner Sorge um Dich, um unser Glück! Oh Du!! Du!!! Wie konnte ich nur! Wo nun Dein lieber Bote bei mir ist, da steht doch mein Herzlieb ganz leibhaftig vor mir, in seinem ganzen, lieben Wesen! Ich habe Dich doch richtig verkannt in meinem [sic] übertriebenen Sorgen! Du!! Mußt nicht traurig sein, Herzlieb! Es geschah doch auch nur aus Liebe! Aus heißer Liebe, daß ich suchte nach einem Grund! Du!!! Wir müßten doch bald für immer umeinander sein! Geliebter! Dann könnten solche Wölkchen garnicht erst aufkommen. Das Geschriebene ist doch nicht immer ganz einfach zu verstehen und auszulegen. Ach Geliebter! Klar und hell und rein soll es immer sein zwischen uns – kein Versteckspielen, keine falschen Empfindlichkeiten und Spitzfindigkeiten! Und wenn Du mir nun Deine Sorge um unseren Weg, um unsere Liebe erklärst, Geliebter, so kann ich es so gut verstehen! Du vergleichst unseren Bund mit einer Burg. Und noch steht sie erst recht gegründet in unseren Herzen. Sie ist noch nicht sichtbar in Haus und Familie. Es fehlen ihr noch Wall und Graben. Und der Burgherr muß fernab weilen im fernen Lande. Kriegswetter Kriegsstürme toben. Die Burgfrau muß ihnen ganz allein wehren. Ach Geliebter! Du meinst es ja sooo gut! Ist es nicht natürlich, wenn der Burgherr sich sorgt? Wenn er an seine Pflicht denkt, den Frieden der Burg zu sichern, die sonst ihm obliegt? Mein lieber, liebster [Roland]! Ich will nicht Mißtrauen lesen aus dieser Sorge! Du!!!!!! Du!!! Ich glaube an Deine Liebe – wie Du an die meine! Geliebter! Ich verstehe Dich nun! Du!!! Du!!! Herzlein liebes! Ich will Dich weitersorgen lassen! Ich ergebe mich Deinem Schutz! Ich komme zu Dir – immer, immer wieder! Du!!! !!!!!!!!!! All das ist Ausdruck auch Deines innigen Liebens! Du! Ich danke Dir! Geliebter!

Liebe um Liebe – Treue um Treue, so soll es immerdar sein zwischen Dir und mir!

Ich habe Dich so lieb verstanden in all Deinen lieben Zeilen, die Du noch hierzu schreibst! Du!!

Herzlieb! Wenn nicht so große Liebe, so großes Vertrauen zwischen uns wären, dann konnten [sic] wir uns einander wohl nicht so lieb verständlich machen – ach Du!!! Zwischen uns ist dieses restlose Vertrauen – eins gibt sich dem ander[e]n. Und Du sagst es mir wieder zu meines Herzens höchster Seligkeit: Kein Menschenkind besitzt so wie Du mein ganzes Vertrauen! Und kein Mensch besitzt so wie Du das meine, Geliebter!! Und darum ist zwischen uns nur Herzlichkeit und größtes Verstehen. Geliebter! Du!! Ich zweifle nicht an Deiner Liebe! Ich zweifle nicht an Deinem Vertrauen! Weit verbannen wollen wir allen Zweifel. Wenn wir aneinander zweifeln, lassen wir einander fallen. Und ich will Dich doch immer so ganz festhalten, wie Du mich, mein [Roland]! Nimmer Dich lassen! Nimmer!!! Oh Herzlieb! Ich halte dich allzeit fest! Sooo fest! Ich liebe Dich so inniglich! So inniglich wie von Anbeginn, da ich Dich sah – ach, nun noch tiefer und heißer ist meine Liebe zu Dir geworden nach dem, was uns nun verbindet! Immer inniger verknüpften sich die Bande unsrer Zusammengehörigkeit! Geliebter mein! Du bist mein herzallerliebster, unersetzlicher Lebensgefährte! Und ich bitte den lieben Herrgott immerfort, daß er Dich mir erhält! Dich!!! Meines Lebens Glück und Sonnenschein! Ach, so groß ist mein Vertrauen auf Gottes Güte! Und ich spüre beglückt, wie stark auch Dich dieses frohe Bewußtsein macht. Glauben und Hoffen! Du!! Geliebter!

Ein scheues Schwälbchen fing ich mir,
So flink und rastlos, erdenscheu.
Ich zeigte ihm mein liebend Herz,
bot es ihm frei als Ruheplatz.
Dann ließ ich's frei – und bangte – – hoffte – – –
und glaubte an das selt’ne Glück – – – – –
Und es kam wieder!!! Kam wieder
und flüchtete in's warme Nest
und ruhte aus und wärmte sich!
In meinem Herzen, seinem Nest!
Und kehrt nun wieder Tag um Tag
und ruht in meinem Herzen aus,
voll Dank, ich spür’s.
Und füllt es ganz! Und bleibt!
Bleibt nur bei mir! Und glücklich ist's!
Wie lieb' ich es!!!
Wie hüt' ich es, das seltne Glück!
Mein liebes, scheues Schwälbchen!

Wärest Du nicht mein [Roland] – liebtest Du mich nicht so von ganzem Herzen, kanntest Du mich nicht, bis auf den Grund meiner Seele, Du! Dann hättest Du mir können nicht diese Zeilen voll innigem Verstehen und Einssein aus meinem Herzen lesen können! Du!!! Geliebter! Du!!! Ach Du!! Was bedarf es nun noch meiner Worte?!! Fühlst Du es denn, wie mein Herze Dir voll Glück und Sehnsucht und Dankbarkeit und tiefer, unendlicher Liebe entgegenschlägt? Fühlst Du es? Oh Du mein Sonnenschein! Mein Schwälbchen! Du!!! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich! Und wenn ich Dich kränkte mit Worten, Geliebter! Bitte verzeih mir – es geschah nur aus Liebe, aus Liebe! kein Mißverständnis ist zwischen uns – nichts als Liebe und inniges Verstehen!

Oh Herzensschatz! Wie glücklich bin ich! Deine treue Liebe hält mich, behütet mich! Oh – sie hüllt mich sooo warm ein in ihren schützenden Mantel! Ich küsse Dich herzinniglich in Dankbarkeit! Mein Herzensschatz! Du!!! !!!!!!!!!! Gott im Himmel segne und behüte Dich mir!

In Ewigkeit

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946