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[OBF-411030-001-01]
Briefkorpus

Freitag, nein
Donnerstag, den 30. Okt. 1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebtes Weib! Meine [Hilde]!

Hätte doch wirklich gleich die Tage verwechselt und bildete mir eben ein, morgen müßte Sonnabend sein. Weiß nicht, warum es mir so wünschenswert vorschwebte, vielleicht, weil es dann wieder Geld gibt. Aber davon habe ich augenblicklich auch noch genug. Morgen also [ist] erst einmal Freitag, Badetag. Heute habe ich eben noch nicht viel gearbeitet und bin trotzdem müder als sonst. Es mag an dem Wetter, an der Luft, liegen. Ein ganz herrlicher Vormittag – gegen 2 Uhr wurde es etwas trübe – aber unnatürlich warm blieb es. Mein erster Gang heute galt dem Zahnarzt. Als siebenter erschien ich, kam auch bald dran. Bei dem schmerzenden Zahn geht es nicht ohne Nervbehandlung, also eine Einlage. Der andere, kleinere Schaden wurde gleich behoben. Am Montag muß ich wieder hin.

So wurde es ein kurzer Vormittag in der Schreibstube.

Der Postbote hatte für mich nur etwas aus Kamenz. Der Brief von meinem Schätzelein kommt ganz gewiß morgen! Der Kamenzer Bote brachte viel gute Nachricht. Ganz herzliche, dankbare Freude und Mitfreude hat er in mir geweckt: Hellmuth liegt also nun im Lazarett, er darf auf Urlaub hoffen. Er ist der Gefreite, der im Radio vermeldet wurde, hat das E.K.II bekommen!!! Und ist nun – das was mich am herzlichsten für ihn und Elfriede freut – endlich zum Studienassessor ernannt worden und damit in den Rang erhoben, den er sich durch ein mit ‚sehr gut‘ bestandenes Examen verdient hatte, es sind wohl schon 4 Jahre darüber vergangen.

Herzlieb! Freue Dich mit mir! Du!!! Eben war noch unsre Sorge um Hellmuth am größten, unser Bitten für ihn am innigsten – da widerfährt ihm soviel Gutes, wird ihm reiche Genugtuung nach einer Zeit harten Geduldens und bitterer Enttäuschungen. Herzlieb! Ganz dankbar erfüllt es mein Herz gegen Gott! Er wendet alles zu unserem Besten – und wenn alles am dunkelsten scheint, ist seine Hilfe am nächsten.

Geliebtes Weib! Ich bin so froh und dankerfüllt, daß wir Gott über uns wissen – keinen unbestimmten, ungewissen Gott, sondern Gott, den gnädigen Vater! Du! Er wird auch uns beistehen! Er wird uns gnädig durchhelfen durch alle harte Zeit des Wartens und Getrenntseins. Geliebte! Wir sind seiner Gnade schon in so reichem Maße teilhaftig geworden. Laß uns froh gewiß ihm alles anvertrauen – unser Leben, unsre Liebe, unsre lieben Anverwandten alle! „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herren dienen!“

Vom 24. Okt. ist der Kamenzer Brief, vom Freitag also. Die Breitenborner sind dagewesen – haben die Eltern am Sonntag doch nicht bei Euch geweilt, so wird es vielleicht nun diesen Sonntag.

Oktober/November ist nun schon zur festen Zeit für Besuche in Oberfrohna geworden. Ob die Kirmes so zieht? Wann sie wieder ganz friedensmäßig ausgerichtet werden kann – vielleicht nicht wenig! Zwei Jahre werden es, daß meine Eltern zum ersten Male in Deinem Elternhause einkehrten. Ich glaube, es war auch gerade um die Reformationszeit. Das verliebte Paar, um deswillen [sic] doch alles geschah, ließ die ganze Gesellschaft im Stiche und begab sich auf Reisen – wie zur Hochzeit! Weißt Du es noch? Herzlieb! Nachts gegen 1 Uhr sind wir noch über die Elbe gesetzt – und so spät gelangten wir ins Elbschlößchen, ich glaube, es regnete.

Ach Du! Die vielen Bilder und Abenteuer gehen nun eins ins and[e]re über – aber alle Wonne, aller Zauber des Liebesfrühlings werden nur desto deutlicher – und sie sind nicht vergangen, Geliebte! Nichts, was wir recht erleben, was uns bewegte und tief berührte, ist verloren. Es hinterläßt seine Spuren, es geht mit uns. Herzlieb! Erkennst Du sie alle wieder in der Erfüllung unsres Glückes? Oh Geliebte! Geliebte!!! Womit ‚man‘ immer droht und warnt: „Laß nur erst ein, zwei Jahre vergehen“ – Herzelein, uns macht man damit nicht bange! Du!!! Die Liebe wandelt sich wohl! aber sie wird nicht kleiner zwischen uns – sie wird nur größer und inniger – unser ganzes Leben durchdringt und überformt sie – die rechte Liebe ist wie eine Sauerteig, sie durchwirkt unser ganzes Leben!!!

Freier Nachmittag war doch heute. Nach dem Mittag haben wir erst einige Käufe getätigt. Kamerad K. suchte nach Kinderunterwäsche. Wir haben nichts bekommen. Der Zufall führte uns in ein Geschäft, in dem es noch echten schwarzen Tee gibt. Das hat die Kauflust Deines Mannerli wieder recht angestachelt, Du kannst es Dir denken. Die Kamenzer Mutter schreib eben danach, auch für Elfriede, die sich doch so an den Tee gewöhnt hat und deren Vorrat aber nun zu Ende geht. Übermorgen will ich doch gleich noch ein paar Pakete „echten“ auch für mein Herzlieb erstehen: Das Echte wird ohnehin immer seltener und teurer. Im Vorbeigehen haben wir wieder mal nach Damenstrümpfen gefragt: das Paar ist jetzt auf 8 M und mehr gestiegen. Vor solchem Kauf überlegt man rum und num [sic], ob es denn Sinn hat, soviel Geld auszugeben. Herzlieb! Ich habe schon gedacht, ob Du die griechischen Strümpfe nicht selber ein Stück verlängern kannst mit den Resten ein Paar abgetragener Strümpfe. Dort, wo die Naht dann sitzt, schaut doch keiner hin – [ich] wills wenigstens hoffen, Du!!! – höchstens – höchstens im Urlaub einmal das neugierige Mannerli, ja? Du!!! Du!!!!!

Das Kaufen macht keine rechte Freude mehr. Nüsse, die Du Dir wünschst, Walnüsse, kostet das Kilo 4 RM. Und so hat alles einen enormen Preis. Herzlieb! Wir lassen uns darum keine grauen Haare wachsen. Wenn ganz Europa barfuß läuft, ich weiß, dann hat mein haushälterisches und erfinderisches Frauchen immer noch etwas an den Beinen – und wir werden über die schlechteste Zeit auch ohne besondere Zubußen hinwegkommen –hinwegkommen müssen, und sei es, daß wir uns wieder eine Zeitlang [sic] in Papier kleiden müssen. Ach Du! Da haben wir beide schon die rechte Courage, solche Zeiten zu nehmen ohne Weimern und Klagen. Liebes, tapferes Weib!

Herzlieb! Wenn auch heute Dein lieber Bote ausblieb, so bin ich doch so froh – so froh mit Dir – fühle mich Dir so ganz fest und lieb verbunden – Herzlieb, verbunden für dieses ganze Leben! Und geborgen in Deinem Herzen, so warm und lieb und traut wie sonst nirgends in der weiten Welt! Geliebte! Ich habe Dich! Du bist ganz mein! Das ist meines Herzens Jubel und Freude, meines Lebens Sonnenschein – allen Sehnens Erfüllung! Du!!!!! !!!!! !!!

Gott behüte Dich mir! Er sei mit Dir auf allen Wegen!

Ich küsse Dich herzinniglich! Ich liebe Dich, Du!!!!! !!!!! !!!

In Ewigkeit Dein [Roland] – Du!!! Geliebtes Weib! Mein Herzelein!!!

Viel liebe Grüße an die Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946